Pro Oriente – Für den Osten
Kennenlernen und zusammenarbeitenMit einer Feierstunde mit Kardinal Christoph Schönborn am 17. Februar in Wien wird der bisherige Präsident von Pro Oriente, Botschafter in Ruhe Alfred Kloss, bedankt und der neue Präsident, Botschafter Clemens Koja, willkommen geheißen. Clemens Koja wurde 1960 in Wien geboren. Die Familie übersiedelte 1968 nach Salzburg, weil sein Vater Professor an der dortigen Universität wurde. Clemens Koja studierte in Salzburg Jus und auch Theologie, 1989 trat er ins Außenministerium ein. Zuletzt war er österreichischer Botschafter in Belgrad von 2008 bis 2012 und von 2012 bis 2016 Botschafter in Laibach. Danach hat Koja die österreichische OSZE-Präsidentschaft („Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa“) geleitet und war dann von 2018 bis 2022 für die OSZE in Skopje. Seit September 2023 führt er die Abteilung für multilaterale Kulturpolitik im Außenministerium.
Präsident von Pro Oriente Clemens Koja im Interview
Hatten Sie in dieser Zeit in Südosteuropa auch ökumenische Kontakte, etwa zur Orthodoxie?
CLEMENS KOJA: Ja, auch deswegen, weil ich immer an religiösen Fragen interessiert war, was man an meinem Theologiestudium unschwer erkennen kann. Ich habe einfach wahrgenommen, dass Religion, positiv und negativ, eine Rolle spielt im gesellschaftlichen Leben, in Friedensprozessen, in Konfliktsituationen. Und ich habe daher überall geschaut, dass ich Kontakte zu religiösen Institutionen, sowohl katholischen als auch orthodoxen, zu jüdischen und muslimischen, aufgenommen habe. Mein zweiter Auslandsposten war Rom, beim Heiligen Stuhl. Damals bin ich oft und gerne ins Einheitssekretariat gegangen. Ich erinnere mich heute auch noch an einen Bericht, den ich im Jahr 1996 geschrieben habe – über die kirchliche Situation in der Ukraine mit den damals vier verschiedenen christlichen Kirchen. Sowohl in Belgrad als auch in Skopje haben mich natürlich auch Fragen, die mit der orthodoxen Kirche zu tun haben, beschäftigt.
Wie fanden Sie zu Pro Oriente?
Mein Vater war Mitglied der Salzburger Sektion von Pro Oriente, und als ich in Salzburg studierte, ging ich oft auch zu den Vorträgen und verfolgte in den Jahren danach das Wirken von Pro Oriente. Vor etwa eineinhalb Jahren wurde ich von Botschafter Kloss angesprochen, ob ich mir vorstellen könnte, ihm nachzufolgen. Nach einem Termin bei Kardinal Schönborn im Jänner 2024 sagte ich zu, ab Jänner 2025 als Präsident zur Verfügung zu stehen.
„Kontakte herstellen und Gespräche ermöglichen.“
Clemens Koja
Die Gründung von Pro Oriente
Pro Oriente wurde 1964 von Kardinal Franz König gegründet. Welche Beiträge hat Pro Oriente seit damals geleistet?
Ohne jetzt einen großen und weit ausholenden Rückblick machen zu wollen, will ich daran erinnern, dass in diesen ersten Jahrzehnten nach 1964 der theologische Dialog stärker im Fokus stand als heute. Zwei Meilensteine in den ökumenischen Dialogen seitdem möchte ich in Erinnerung rufen: zum einen die „Wiener Christologische Formel“, auf die man sich 1971 bei der inoffiziellen Konsultation zwischen der römisch-katholischen Kirche und den orientalisch-orthodoxen Kirchen, zu der Pro Oriente eingeladen hatte, einigen konnte. Zum anderen konnte 1994 die offizielle „Gemeinsame Erklärung zur Christologie“ zwischen der römisch-katholischen Kirche und der assyrischen Kirche des Ostens unterzeichnet werden. Auch im Dialog mit dieser Kirche sowie den weiteren Kirchen der syrischen Traditionen hat Pro Oriente wichtige Fortschritte erzielt. Mitte November 2024 konnten wir das 30-Jahr-Jubiläum dieser Unterzeichnung feiern. Der assyrische Patriarch Mar Awa III. war zuerst am Samstag in Rom bei Papst Franziskus und am Montag darauf bei einer Feier von Pro Oriente, eingeladen von Kardinal Schönborn, im Festsaal des Erzbischöflichen Palais hier in Wien.
Ansonsten hat Pro Oriente durch seinen informellen Charakter und die Gelegenheit für Kontakte unterhalb der offiziellen Ebene viele Chancen zur Ermöglichung von Räumen für den interkonfessionellen Dialog – auch heute noch – um auch in schwierigeren Situationen Kontakte herzustellen und um Gespräche zu ermöglichen. Ich verweise auf das unter der Leitung von Botschafter Kloss begonnene Pro-Oriente-Projekt „Healing of Wounded Memories“, („Verletzte Erinnerungen heilen“). Bei diesem Projekt arbeiten Theologinnen und Theologen an der Überwindung von historischen Verletzungen hin zu mehr ökumenischer Zusammenarbeit. Bei unseren Jugendprojekten bringen wir junge Menschen zusammen, um ihnen die Erfahrung gelebter Ökumene zu ermöglichen und somit das Interesse der kommenden Generation für ökumenische Zusammenarbeit zu wecken und diese zu stärken – etwa im Libanon oder in anderen Ländern des Nahen Ostens, wie beispielsweise Anfang des Monats in Bagdad bei einem Pro-Oriente-Workshop.
Wie können wir hier in Wien die Besonderheiten der christlichen Kirchen des Ostens kennenlernen? Sind diese christlichen Kirchen bei uns genug bekannt?
Eine der Aufgaben von Pro Oriente besteht darin, vereinfacht gesagt, die Kirchen des Ostens hierzulande bekannter zu machen. Es gibt diese drei Ausrichtungen: „De Oriente, Cum Oriente und Pro Oriente“, also: „Über den Orient, mit dem Orient, für den Orient“. Der Aspekt „De Oriente“ meint, dass wir mehr lernen können vom Osten und von den Kirchen des christlichen Ostens. Und diese Möglichkeiten nimmt Pro Oriente wahr, durch vielfältige Publikationen, durch Informationsveranstaltungen und auch durch Reisen. Ein weiterer und immer wichtiger werdender Aspekt: In den letzten Jahrzehnten sind viele Migrationsbewegungen erfolgt und viele orthodoxe oder orientalische Christen leben mittlerweile nicht nur im Osten, sondern auch bei uns im Westen. Daher glaube ich, dass es eine der aktuellen Aufgaben von Pro Oriente ist, daran mitzuwirken, dass wir uns hier vernetzen mit den orthodoxen und orientalischen Brüdern und Schwestern – künftig auch durch vermehrte gemeinsame Veranstaltungen. Und da wir heuer wieder einmal einen gleichen Termin des Osterfestes haben, am 20. April, sollten wir das Anliegen von Papst Franziskus und Patriarch Bartholomaios unterstützen, um künftig einen gemeinsamen Ostertermin zu begehen, was auch als gemeinsames Zeugnis der Christen vor der Welt von besonderer Wichtigkeit wäre.
Weltgebetswoche für die Einheit der Christen
Vor knapp vier Wochen begingen wir wieder die jährliche Weltgebetswoche für die Einheit der Christen. Was kann das Gebet für die Einheit bewirken?
Ich glaube, dass das Gebet immer etwas bewirken kann. Es geht aber auch um dieses gemeinsame Zeugnis: Dass Christen gemeinsam gehen und das Gemeinsame über das Trennende stellen, gerade im Hinblick auf das Zeugnis in der Welt, gegenüber der Säkularisierung, gegenüber einer doch sehr herausfordernden Wirklichkeit der heutigen Welt, etwa im Hinblick auf den gefährdeten Frieden in so vielen Weltgegenden.
„In den letzten Jahren ist allerdings ein Rückschlag zu beobachten.“
Clemens Koja
Sie haben jetzt das Gemeinsame angesprochen. Man beobachtet aber in den letzten Jahren, dass in vielen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften eine neue Suche nach der eigenen Identität, nach Abgrenzung stattfindet. Was bedeutet das für das ökumenische Gespräch?
Eine große Herausforderung. Denn wir müssen uns immer wieder den Aufbruch vor Augen führen in der Folge des Zweiten Vatikanischen Konzils, der vielleicht auch eine Folge der grauenhaften Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs gewesen ist. Diese Aufbruchsstimmung bestand in der Erkenntnis, dass man stärker miteinander reden muss. Große Hoffnungen wurden auch in den ökumenischen Dialog gesetzt. Damals waren Einigungsdokumente möglich, ökumenische Kommissionen wurden gebildet. In den letzten Jahren ist allerdings ein Rückschlag zu beobachten gewesen. In vielen Kirchen, wenn auch nicht in allen, waren Bewegungen zu sehen, die die eigene Identität wieder stärker in den Vordergrund gestellt haben.
Offenbar ist das eine auch menschlich verständliche Reaktion, dass man bei den vielen Unsicherheiten rundum wieder mehr Sicherheiten sucht. Wir dürfen aber nicht müde werden und sollten immer wieder neue Impulse setzen, Pro Oriente ist natürlich nur ein kleiner Teil davon. Es gibt den offiziellen Dialog der Kirchen, die miteinander reden und es gibt auch Unterbrechungen dieses Dialogs. Was Pro Oriente machen kann? Ich bin zuversichtlich, dass wir zumindest in kleineren Bereichen weiterarbeiten wollen und sollen in der Ermöglichung von Dialog und von Räumen für den Dialog.

Zur Person:
Clemens Koja ist seit 1. Jänner Präsident von Pro Oriente. Der Botschafter ist seit September vergangenen Jahres im Außenministerium für multilaterale Kulturpolitik und Sportangelegenheiten zuständig.
Pro Oriente: 1964 gegründet
Pro Oriente wurde als kirchliche Stiftung am 4. November 1964, während des Zweiten Vatikanischen Konzils, vom damaligen Wiener Erzbischof Kardinal Franz König gegründet. Der Sitz des Generalsekretariats ist in Wien. Als Plattform leistet Pro Oriente durch Dialog und Zusammenarbeit mit den östlichen Kirchen Beiträge zu Versöhnungsprozessen in verschiedenen Regionen der Welt. Hierzu wurden ökumenische Foren etabliert, die offene theologische und gesellschaftliche Fragen wissenschaftlich bearbeiten. Ein Schwerpunkt liegt auf der Förderung der Zusammenarbeit zwischen den östlichen und westlichen Kirchen im gemeinsamen Engagement für Versöhnung und Frieden.