Christen weltweit unter Druck
Red Wednesday„Die Kirche in Syrien stirbt. Es gibt keine Freiheit, weder religiöse Freiheit noch irgendeine andere.“ Mit diesen Worten beschrieb der syrisch-katholische Erzbischof von Homs, Jacques Mourad, gegenüber „Kirche in Not“ die aktuelle Lage der Christen in Syrien. Die Menschen litten „unter Gewalt und Repressalien“, sagte Mourad und zog Parallelen zu Afghanistan: „Es gibt zwar nicht diese Gewalt wie in Afghanistan, aber wir sind nicht weit davon entfernt.“ Es sei „unerträglich“, dass sich die Christen in Syrien nach wie vor wie Fremde fühlen, obwohl sie seit Jahrhunderten Bürger des Landes seien, so Mourad weiter.
Religionsfreiheit weltweit immer stärker eingeschränkt
Der 57-Jährige war während des syrischen Bürgerkriegs 2015 von Kämpfern des „Islamischen Staats“ entführt und fünf Monate lang gefangen gehalten worden. Nach Schätzungen von „Kirche in Not“ lebten aufgrund lokaler Angaben bei Kriegsbeginn 2011 rund 2,1 Millionen Christen im Land, heute sind es noch um die 500.000. Das sind etwas mehr als zwei Prozent der syrischen Bevölkerung. Nicht nur in Syrien werden Christen momentan verfolgt. Ende Oktober präsentierte „Kirche in Not“ den Bericht „Religionsfreiheit weltweit 2025“. Die Studie, die den Zeitraum von Jänner 2023 bis Dezember 2024 abdeckt, warnt vor einer besorgniserregenden Verschlechterung: Zwei Drittel der Menschheit – mehr als 5,4 Milliarden Menschen – leben in Ländern ohne vollständige Religionsfreiheit.
Islamistischer Extremismus ein Grund für stärkere Christenverfolgung
Die Studie warnt davor, dass sich der islamistische Extremismus weiter ausbreitet, insbesondere in Afrika und Asien. In 15 Ländern sei er der Hauptgrund für Verfolgung, in weiteren 10 Ländern trage er zur Diskriminierung bei. Drehpunkt dschihadistischer Gewalt sei die Sahelzone, in der Gruppen wie der Islamische Staat – Provinz Sahel (ISSP) und JNIM den Tod von Hunderttausenden Menschen, die Vertreibung von Millionen und die Zerstörung Hunderter christlicher Kirchen und Schulen verursacht haben.
Mark von Riedemann, Direktor für öffentliche Angelegenheiten und Religionsfreiheit bei „Kirche in Not“, spricht über die Lage der Christen in Afrika: „In Zentralafrika und im Nahen Osten spielt der Islam – insbesondere in seiner extremistischen Ausprägung – eine zentrale Rolle bei der Verfolgung von Christen. In Ländern wie Nigeria, Mali, Burkina Faso oder Mosambik greifen islamistische Gruppen wie Boko Haram oder ISWAP gezielt christliche Dörfer an, zerstören Kirchen und töten Gläubige. Auch im Nahen Osten, etwa im Jemen oder in Syrien, sind Christen nicht nur häufig von religiös motivierter Diskriminierung oder staatlicher Repression betroffen, sondern auch von Gewalt durch Milizen und extremistische Gruppen, wodurch die Lage für christliche Minderheiten besonders gefährlich wird.“
Auch Elmar Kuhn von „Christen in Not“ sieht im Aufstieg von radikalen islamischen Gruppierungen einen Grund für die zunehmende Verfolgung von Christen in Afrika: „Ich denke, dass die starke Ausweitung der Christenverfolgung in islamischen Ländern in den letzten Jahren darauf zurückzuführen ist, dass es fundamentalistische muslimische Bewegungen gibt, wie ISIS, Daesh, Boko Haram, die Christen um des Christseins willen verfolgen. Das ist sicher eine Gefahr, die wir im Islam sehen und wo wir ganz intensiv mit interreligiösen Gesprächen dagegenarbeiten.“
Lage der Christen in Nigeria
In Nigeria wurden durch Angriffe bewaffneter Gruppen, die mit radikalisierten Fulani-Hirten in Verbindung stehen, Tausende von Menschen getötet und ganze Gemeinschaften vertrieben. Im Sudan hat der Bürgerkrieg jahrhundertealte christliche Gemeinschaften ausgelöscht. Darüber hinaus sei das organisierte Verbrechen zu einem neuen Akteur der Verfolgung geworden. In Mexiko und Haiti ermorden oder entführen bewaffnete Gruppen – laut „Kirche in Not“ – religiöse Führer oder erpressen Pfarren, um ihre Kontrolle über bestimmte Gebiete durchzusetzen.
Nigeria und die umliegenden afrikanischen Staaten in Westafrika seien sicher ein Hotspot der Christenverfolgung, erzählt Elmar Kuhn: „Es sind oft zerbrechende Staaten, wie zum Beispiel der Sudan, wo Christen die Ersten sind, die unter die Räder kommen. Dort werden Christen vielfach als Fremdkörper gesehen, die eben keine Muslime sind und auf die sich dann der Zorn und der Hass zuerst entlädt. Auch in Staaten, in denen der fundamentalistische Islam ungebremst existiert, ist der Alltag für Christen schwierig geworden.“
Verfolgung von Christen: Nordkorea bleibt eines der repressivsten Regime
In Asien treibe hingegen ethnisch-religiöser Nationalismus die Unterdrückung voran. In Indien und Myanmar leiden christliche und muslimische Gemeinschaften unter Angriffen und rechtlicher Ausgrenzung. Nordkorea bleibe eines der repressivsten Regime der Welt, so Mark von Riedemann: „Trotz verfassungsmäßiger Garantien ist die Religionsfreiheit faktisch aufgehoben – ersetzt durch eine Staatsideologie, die absolute Loyalität zur Kim-Dynastie verlangt. Religiöse Ausdrucksformen gelten als Bedrohung und werden mit harten Strafen wie Folter, lebenslanger Haft oder sogar Hinrichtung geahndet. Chinas Zwangsrückführungen von Geflüchteten verschärfen die Lage zusätzlich: Rückkehrer sind häufig Zwangsarbeit und Todesgefahr ausgesetzt.“
Warum Christenverfolgung oft wenig mediale Aufmerksamkeit bekommt
Obwohl weltweit Millionen Christen verfolgt werden, findet das Thema in den internationalen Medien nur bedingt Aufmerksamkeit. Mark von Riedemann erklärt das so: „Dies liegt unter anderem daran, dass religiöse Verfolgung häufig in schwer zugänglichen Regionen geschieht und sich schwer dokumentieren lässt. Zudem sind viele Länder, in denen Christen verfolgt werden – etwa Pakistan, Saudi-Arabien oder China – zugleich bedeutende politische und wirtschaftliche Partner westlicher Staaten. Eine allzu offene oder kritische Berichterstattung über die dortige religiöse Unterdrückung könnte diplomatische Spannungen hervorrufen oder strategische Beziehungen gefährden.“
Übergriffe auf Christen und andere Gläubige auch im Westen
Dabei ist auch der Westen gegen Einschränkungen der Religionsfreiheit nicht „immun“. „Kirche in Not“ warnt: „Der Rückgang in der Religionsfreiheit betrifft auch Europa und Nordamerika.“ Im Jahr 2023 wurden in Frankreich fast 1.000 Angriffe auf Kirchen, in Griechenland mehr als 600 Fälle von Vandalismus registriert. Ähnliche Spitzenwerte wurden in Spanien, Italien und den Vereinigten Staaten beobachtet, darunter Schändungen von Kultstätten, körperliche Übergriffe auf Geistliche und Störungen von Gottesdiensten. Diese Angriffe spiegeln laut „Kirche in Not“ ein Klima ideologischer Feindseligkeit gegenüber der Religion wider.
Hilfe für verfolgte Christen
Materielle Hilfe für verfolgte Christen zu leisten, gestalte sich oft schwierig, so Mark von Riedemann. Dennoch informiert „Kirche in Not“ nicht nur die Weltöffentlichkeit über die Verfolgung von Christen, sondern bietet notleidenden Christen in zahlreichen Ländern erste Hilfe und wichtige Versorgungsgüter. Mit dem „Red Wednesday“ macht „Kirche in Not“ auf die weltweite Verfolgung von Christen aufmerksam. So werden auch dieses Jahr vom 19. bis zum 23. November 2025 hunderte berühmte Kathedralen, Kirchen, Klöster, Monumente und öffentliche Gebäude blutrot angestrahlt.
Die Organisation „Christen in Not“ stützt ihre Hilfe auf drei Säulen: Die erste ist die Nothilfe in der Verfolgungssituation. Das bedeutet, dass die Organisation mit einem Ärzte-Team erste Hilfe vor Ort leistet. Die zweite Säule sei die „Lebensunterstützung für den Aufbau einer neuen Existenz, mit Schule, mit Ausbildung, mit Arbeitsplätzen“. Als dritte Säule nennt Kuhn das Gebet. Kuhn erzählt von einem Erlebnis: „Sie glauben nicht, wie wichtig das für die Menschen sein kann. Ich habe das in Nigeria selbst erlebt. Ich habe mit einer Gruppe von über tausend Frauen und Männern gesprochen, die vertrieben wurden. Dann habe ich gesagt: In Österreich gibt es so viele Spenderinnen und Spender, die für euch beten, die in Solidarität am Sonntag im Gottesdienst und in privaten Kreisen das Gebet zu euch hinüberschicken. Und da hat auf einmal der ganze Saal mit tausend Menschen zu weinen begonnen.“
Zur Person: Mark von Riedemann
Mark von Riedemann ist Direktor für öffentliche Angelegenheiten und Religionsfreiheit bei „Kirche in Not“.
Zur Person: Elmar Kuhn
Elmar Kuhn ist Generalsekretär bei „Christen in Not“ und Chef vom Dienst bei der Zeitschrift „CiN-aktiv“.
Mehr zu „Kirche in Not“:
Das päpstliche Hilfswerk „Kirche in Not“ (ACN) International gibt es seit 1947. Das katholische Hilfswerk leistet materielle Hilfe für Christen, die wegen ihres Glaubens verfolgt werden oder aus diesem Grund ihre Heimat verlassen müssen.
Red-Wednesday-Gottesdienst
Wann: 19. 11. 2025 um 18:00 Uhr
Wo: Zentrum Johannes Paul II., Praterstraße 28, 1020 Wien
Ökumenischer Gebetsabend für verfolgte Christen
Wann: 19. 11. 2025 um 19:00 Uhr (bis 20:00 Uhr)
Wo: Zentrum Johannes Paul II., Praterstraße 28, 1020 Wien
Spendenkonto:
KIRCHE IN NOT
IBAN: AT71 2011 1827 6701 0600
BIC: GIBAATWWXXX
Mehr zu „Christen in Not“:
Die Projekte von „Christen in Not“ widmen sich der interreligiösen Zusammenarbeit und Friedensförderung. „Christen in Not“ ist eine ökumenische Hilfsorganisation, die Teil des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) ist.
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