Wenn ein Vater seine Söhne gleich liebt
Zum Vatertag
Einfach gesagt: Entscheidend in der Welt des Alten Orients war es, einen männlichen Nachkommen zu haben, der das väterliche Land erben und damit auch den Namen des Vaters weiterführen konnte. Söhne waren schlicht wichtig – auch um die Eltern im Alter zu versorgen. Die Geschichte der „Erzeltern“ (Abraham und Sara, Isaak und Rebekka, Jakob und Lea und Rahel, Buch Genesis, Kapitel 11 bis 36) richtet den Blick auf eine bestimmte Familie, sie ist sozusagen die Vorgeschichte des Volkes Israel. Die Eltern sorgen für den Fortbestand dieser Familie und für die Weitergabe von Gottes Segen. Gute Väter und Mütter sind in diesem Umfeld auf die Familie und auf die Nachkommenschaft konzentriert. Das Überleben der Kinder, hier vor allem der Söhne, bedeutet das Fortbestehen der Familie, aber ebenso die Erfüllung von Gottes Verheißung an Abraham. Josef wird dann von seinen Brüdern gehasst, weil er vom Vater bevorzugt wird (Genesis, Kapitel 37–50). Wörtlich heißt es (Genesis 37,3–4): „Israel (Jakob!) liebte Josef mehr als alle seine Söhne, weil er ihm in hohem Alter geboren worden war. ... Als seine Brüder sahen, dass ihr Vater ihn mehr liebte als alle seine Brüder, hassten sie ihn und konnten mit ihm kein friedliches Wort mehr reden.“
Gute und weniger gute Väter
Das Erste und das Zweite Buch Samuel berichten später ungeschminkt von einem nicht wirklich guten Vater, nämlich vom berühmten König David. Er regelt die Frage seiner Thronfolge nicht zeitgerecht und schafft letztlich auch nicht Frieden und Ordnung in der Familie, vor allem zwischen den (Halb-)Brüdern, den Kindern seiner vielen Frauen, die auch gewalttätig werden.
Die Kernaufgabe des Vaters: Religiöse Erziehung
Wirklich gute Väter sind in neutestamentlicher Zeit Zacharias, der Vater des Johannes des Täufers, und auch Josef, der Nährvater Jesu: Sie erziehen ihre Söhne, Johannes und Jesus, in der traditionellen jüdischen Frömmigkeit. Das war und ist wohl die wichtigste Aufgabe von Eltern, die die beiden Väter sicher gut erfüllt haben.
Gott – mehr als Vater und Mutter
Seine einzigartige Vater-Sohn-Beziehung drückt Jesus gegenüber Maria Magdalena so aus: „Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott“ (Johannesevangelium 20,17). Denn, so weiß das Johannesevangelium (10,30) von Jesus: „Ich und der Vater sind eins.“ Wie Gott ist, findet sich auch in kurzen Worten Jesu: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ (Lukasevangelium 6,36) und: „Seid also vollkommen, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (Matthäusevangelium 5,48). Gott wird biblisch auch immer wieder mit einer Mutter oder einem Vater verglichen – seine elterliche Liebe geht aber über die menschliche weit hinaus.
Wenn der Vater alle gleich liebt
Berühmt ist das Gleichnis Jesu vom barmherzigen Vater (Lukasevangelium 15) mit den zwei Söhnen. „Dem jüngeren der Brüder wird sein Fehlverhalten nachgesehen. Im Grunde geht es da in erster Linie nicht um eine Vater-Sohn-Beziehung, sondern noch viel mehr um die Beziehung dieser zwei Geschwister zueinander“, so die Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, Elisabeth Birnbaum, zum SONNTAG: „Was geschieht, wenn Gott oder ein Vater seine beiden Söhne gleich liebt und auch gleichbehandelt, obwohl der eine sich immer gut verhalten hat und der andere nicht. Und ob dann der, der sich immer gut verhalten hat, sich mitfreuen kann, dass der Vater so barmherzig ist, oder ob er verärgert ist, weil er im Grunde nie etwas falsch gemacht hat.“ Dies sei das Thema vieler Geschwister-Beziehungen in der Bibel: „Schaffe ich es auszuhalten, dass mich der Vater nicht mehr liebt als andere, obwohl ich braver und frömmer und besser bin?“