Chanukka und Weihnachten
Feste der Hoffnung und des LichtsDie Villa Arik Brauer in Wien-Währing ist an diesem Dezemberabend ein Ort der Begegnung. Zwischen den eindrucksvollen Gemälden und Skulpturen des Künstlers, der in seinem Werk nicht nur jüdische, sondern auch christliche Motive aufgriff, versammeln sich Gäste zum Chanukka-Empfang der israelischen Botschaft.
Chanukka: Das achttägige Lichterfest
Chanukka, das achttägige jüdische Lichterfest, begann heuer am Abend des 15. Dezember und endet am 22. Dezember. Gefeiert wird es zum Gedenken an die Wiederweihe des Jerusalemer Tempels im zweiten Jahrhundert vor Christus sowie an das Wunder, dass ein winziger Rest geweihten Öls acht Tage lang brannte. Zentral ist das tägliche Entzünden der Chanukkia, eines achtarmigen Leuchters mit zusätzlicher Dienerkerze.
Hausherrin Timna Brauer, Tochter des Künstlers Arik Brauer, heißt die Gäste willkommen, Botschafter David Roet dankt für das Kommen. Doch bevor die Kerzen an diesem Abend entzündet werden, gibt es eine Gedenkminute für die Opfer des Terroranschlags auf die jüdische Gemeinde von Sydney, bei deren Chanukka-Feier 15 Personen brutal ermordet wurden. Keine großen Worte, nur ein gemeinsames Innehalten. Danach spricht Alexander Pröll, Staatssekretär unter anderem für den Kampf gegen Antisemitismus, mit Klarheit: Antisemitismus sei ein Problem der ganzen Gesellschaft und ein Angriff auf die Demokratie. In seiner Rede drückt er seine volle Solidarität mit der jüdischen Bevölkerung aus.
Chanukka: Jüdisches Leben im Kampf gegen Antisemitismus
Im Gespräch mit dem SONNTAG sagt Oscar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, über den australischen Terrorakt: „Wir waren geschockt. Aber wir lassen uns unser jüdisches Leben nicht nehmen. Wir feiern sichtbar – acht Tage lang. Wir zünden Kerzen an, die Kinder freuen sich und bekommen Geschenke.“ Die Zusammenarbeit mit den Sicherheitsbehörden laufe eng, Veranstaltungen fänden statt. „Jüdisches Leben ist das wichtigste Instrument im Kampf gegen Antisemitismus. Das jüdische Leben muss nach außen gezeigt werden“, betont Oscar Deutsch.
Was an Chanukka gefeiert wird
Chanukka führt in die Zeit der Makkabäer (2. Jahrhundert vor Christus) zurück. Nach der Entweihung des Tempels in Jerusalem gelang die Wiedereinweihung. Gefunden wurde ein versiegeltes Krüglein Öl, das nur für einen Tag reichen konnte. Doch das Licht brannte auf wundersame Weise acht Tage. Daran erinnert Chanukka: Jede Nacht kommt eine Kerze hinzu, entzündet mit dem Schamasch, der Dienerkerze. Die Chanukkia, der Kerzenleuchter, steht sichtbar im Haus oder am Fenster. Chanukka ist kein biblisch gebotenes Pilgerfest wie Pessach, Schawuot oder Sukkot, aber es ist ein Fest mit hoher Strahlkraft: Es erzählt vom Beharren auf religiöser Freiheit, davon, dass das Licht nicht erlischt – auch dann nicht, wenn die Vorräte knapp erscheinen.
Was gibt es zu Chanukka zu essen?
Chefkoch Raphael aus Israel erklärt, warum es zu Chanukka nach Öl duftet: „Das Lichtwunder steht im Mittelpunkt. Darum backen wir in Öl.“ Es gibt Latkes, knusprige Kartoffelpuffer, und Sufganiyot, mit Marmelade gefüllte Krapfen. Beides sind Speisen, die in Öl herausgebacken werden – kulinarische Erinnerung an das biblische Öl-Wunder. Ein Tisch ist mit Alufolie abgedeckt, auf dieser sind viele Krafpen angerichtet, umgeben von köstlichen süßen Cremen, Fruchtsaucen, Marshmallows und weiteren bunten Süßigkeiten.
Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen Weihnachten und Chanukka
Zwischen Chanukka und Weihnachten bestehen klare Unterschiede in Herkunft und Theologie, und doch gibt es erstaunlich viel Gemeinsames. Beide Feste sind Lichterfeste: Die Kerzen der Chanukkia und die Lichter des Adventkranzes und jene am Christbaum bringen Hoffnung in die dunkelste Zeit des Jahres. Chanukka erinnert an das Lichtwunder im Tempel, Weihnachten feiert die Geburt Jesu, den wir Christen als das „Licht der Welt“ verehren.
„Herr, glücklich ist das Volk, das dich mit Jubelrufen feiert! Deine Nähe macht ihr Leben hell.“
Auch die Botschaft ist verwandt: Chanukka erzählt von der Wiedererlangung religiöser Freiheit, Weihnachten von Gottes Nähe und Erlösung – beides sind Geschichten vom Durchbruch des Lebens gegen das Dunkel. Hinzu kommt die familiäre Dimension: Geschenke, Lieder, gemeinsames Essen prägen beide Feiern, Kinder stehen im Mittelpunkt und werden beschenkt. Dass beide Feste in der winterlichen Zeit liegen, verstärkt die psychologische Verbindung: Licht und Wärme als Antwort auf die Kälte. Schließlich teilen Chanukka und Weihnachten eine Haltung der Dankbarkeit und des Glaubens – Chanukka für Gottes Wunder, Weihnachten für Gottes Zuwendung.
Dialog der Religionen
Im Gespräch beim Chanukka-Abend in Wien-Währing fällt das bekannte, halb scherzhafte Wort „Weinukka“. Oscar Deutsch reagiert gelassen: „Manche Religiöse mögen den Ausdruck nicht so gerne. Aber lassen wir doch jeden seine Feste feiern.“ Als zur Sprache kommt, dass Weihnachten in der Kirche ebenfalls acht Tage gefeiert wird – nämlich im Rahmen der Weihnachtsoktav –, meint er: „Dann ist ja alles wunderbar!“ und lacht. Oscar Deutsch freut sich über den in Österreich ausgezeichneten interreligiösen Dialog. Der Dialog zwischen den Religionen sei vorbildhaft für viele andere Länder.
„Herr, glücklich ist das Volk, das dich mit Jubelrufen feiert! Deine Nähe macht ihr Leben hell,“ heißt es in Psalm 89 (Vers 16) Dieses eine Wort steht über den kommenden Tagen. Es verbindet brennende Chanukka-Kerzen und leuchtende Christbäume, erwartungsfrohe Kinder und hoffentlich viele gute Zusammenkünfte. Und es übersetzt sich in eine einfache, konkrete Bitte: Dass in Wien, in Sydney und überall dort, wo Menschen um Licht ringen, Leben bewahrt werde – und wir einander Halt geben.