Vom Tod eines lebendigen Beispiels
Prüller
Die Konferenz Europäischer Rabbiner hat im Juni angekündigt, ihre Generalversammlung im November erstmals in einem mehrheitlich muslimischen Land abzuhalten, nämlich im Kaukasus-Staat Aserbaidschan. Das sei „ein lebendiges Beispiel dafür, dass auch in schwierigen Zeiten von Krisen, Konflikten und Desinformation Zusammenarbeit, Respekt und gemeinsames Engagement über religiöse und kulturelle Grenzen hinweg möglich sind“. Oder eben doch nicht. Nun haben die Organisatoren nach Protesten der Nachbarländer Türkei und Iran den Kongress wegen Sicherheitsbedenken abgesagt. In Teheran hatte man das Ganze als „anti-islamische Provokation“ gesehen.
Kongress in Baku wäre hoffnungsvolles Zeichen
Das ist schade, denn gerade Aserbaidschan versucht, als mehrheitlich islamische Nation Toleranz und Religionsfreiheit zu praktizieren. Das gelingt gegenüber den Minderheiten der Juden in den meisten Fällen der Christen sogar ganz passabel. Als Kardinal Parolin im Vorjahr die Hauptstadt Baku besuchte, konnte man sich gerade über die Verdopplung katholischer Kirchen im Land freuen (wenn auch nur von einer auf zwei). Nachdem die Rabbinerkonferenz ihre Generalversammlungen bisher zumeist in mehrheitlich christlichen Ländern abhalten konnte, ohne dass jemand das als„anti-christliche Provokation“ bekrittelt hätte, wäre ihr Kongress in Baku ein hoffnungsvolles Zeichen für tatsächliche Toleranz in der muslimischen Welt gewesen.
Intoleranz kennt keinen Glauben
Und es gibt Sorgen, ob die relativ friedliche Situation in Aserbaidschan so bleibt. Diktator Alijew hält zwar die Säkularisierung aus der Sowjetzeit aufrecht. Es gibt keine Staatsreligion, die meisten Muslime praktizieren ihre Religion kaum, und Eiferer werden vom Staat verfolgt. Aber um intolerant zu werden, braucht es ja nicht unbedingt einen starken Glauben.