Mutter-Sein: "Die schönste Aufgabe"

Kinderwunsch und Mutter-Sein
Ausgabe Nr. 19
  • Leben
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Familie mit vier Kindern
Österreich: Ein kinderfreundliches, aber nicht unbedingt kinderreichenfreundliches Land. ©iStock 2157021639

Ohne Familien mit ein oder zwei Kindern zu diskriminieren, plädiert Britta Brehm-Cernelic für mehr Offenheit hinsichtlich der Zahl der Kinder.

Im Gespräch mit dem SONNTAG verweist die Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbandes Österreich und vierfache Mutter allerdings auch auf die Alltagsherausforderungen, angefangen von der Frage nach leistbarem Wohnraum.

Zwischen der vielbeschworenen „Familie“ in den Sonntagsreden der Politikerinnen und Politiker und dem Alltag in unseren Familien klafft oft eine unüberbrückbare Kluft. Im Gespräch mit dem SONNTAG spricht die dritte Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbandes Österreich, Britta Brehm-Cernelic, darüber, was Mutter-Sein und „Familie“ umfassen kann.

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Sind Sie gern Mutter?

BRITTA BREHM-CERNELIC: Ja, es ist die schönste Aufgabe, die ich mir vorstellen konnte und kann. Ich, selbst ein Einzelkind, wollte, seit ich denken kann, ein lebendiges, fröhliches, quirliges Zuhause mit vielen Kindern haben. Ich bin unendlich dankbar, dass dieser Wunsch in Erfüllung gegangen ist.

Was war für Sie das schönste Muttertagserlebnis?

Ich muss zugeben, dass ich dieses Brimborium am zweiten Sonntag im Mai nicht mag. Ich feiere stattdessen besondere Tage, an denen meine Kinder für mich ihre Komfortzone spontan verlassen. Heuer war das beispielsweise schon am 4. Februar in den Semesterferien, als ich bewusstlos nach einem Skiunfall mit gebrochenem Schlüsselbein auf der Skipiste lag. Mein Ältester leistete Erste Hilfe, der Jüngere verständigte die Pistenrettung und die ältere Tochter tröstete die kleine Schwester, die unter Schock stand. Als ob sie es geübt hätten – ich war so froh, meine Kinder um mich gehabt zu haben.

Warum hat die Mutter-Rolle bisweilen ein so schlechtes Image in der Öffentlichkeit?

Britta Brehm-Cernelic ist Vizepräsidentin des Katholischen Familienverbandes Österreich. ©Katholischer Familienverband Österreich

Es kommt darauf an, was man unter Mutter-Rolle versteht. Als Mutter hat man ja immer das Gefühl, dass man es nur falsch machen kann. Das schlechte Image kommt weniger von der Rolle selbst, als von den vielen widersprüchlichen Erwartungen. Einerseits ist Mutterschaft „die wichtigste Aufgabe im Leben“, andererseits gibt es keine echte Anerkennung, vor allem nicht gesellschaftlich.

Was macht Mutter-Sein heute aus?

Mutter-Sein bedeutet schon immer: Vorbild sein, Sparring-Partnerin, die Feedback gibt und Perspektiven aufzeigt, und Ansprechperson für alle denkbaren Themen und Nöte zu sein. Dazu kommen heute neue Facetten, die es früher nicht gab: ständige Erreichbarkeit, Vergleiche mit anderen Müttern aufgrund deren Präsenz in sozialen Medien und daraus folgend oft eine große Unsicherheit. Plus das große Thema „Vereinbarkeit“, die sehr dynamische Abstimmung der familiären und beruflichen Erfordernisse mit den eigenen Bedürfnissen, die in früheren Zeiten eher ignoriert oder hintangestellt wurden, und nicht zu vergessen die Einbindung des Vaters.

„Es ist populärer, sich gegen einen Kinderwunsch auszusprechen als dafür ...“

Wie beurteilen Sie die Entwicklung, dass beispielsweise das Land Niederösterreich die Geburtenstationen in Hollabrunn, Klosterneuburg und Melk schließen wird und gleichzeitig wahrscheinlich mehr in Alten- und Pflegeheime investiert?

Die Zahl der Geburten geht zurück, das stimmt, wobei hier einiges über Zuwanderung aufgefangen wird. Für Expertinnen und Experten besorgniserregend ist aber die Altersstruktur in der Bevölkerung: Neben dem Rückgang der Erwerbsbevölkerung ist es natürlich auch so, dass – politisch betrachtet – ältere Menschen als Wählergruppe verstärkt in den Fokus der Parteien rücken. Daher ist es so wichtig, dass auch junge Familien mit Kindern eine starke Stimme im politischen Prozess haben, und dafür setze ich mich ein.

Europa vergreist, beklagte der verstorbene Papst Franziskus immer wieder. Befinden wir uns im demographischen Winter?

Im demographischen Herbst jedenfalls. Es wird noch schlimmer kommen, fürchte ich. Derzeit ist es populärer, sich öffentlich gegen einen Kinderwunsch auszusprechen als dafür.

Ist Österreich ein kinderfreundliches Land?

Ich würde sagen, dass Österreich prinzipiell ein kinderfreundliches Land ist, aber nicht unbedingt ein „kinderreichenfreundliches“. Kinderreiche Familien – also ab drei, vier Kindern, werden gern als „asozial“ oder „unvernünftig“ abgestempelt. Das ist traurig und vor allem besorgniserregend. Wer heute „Ja“ sagt zu Paarbeziehung, Familie und vielen Kindern, sollte nach Kräften unterstützt, in seiner Entscheidung gestärkt und öffentlich wertgeschätzt werden.

Schafft die neue Regierung auch finanzielle Anreize für ein „Ja“ zu mehr Kindern?

Die neue Regierung schafft vor allem strukturelle Rahmenbedingungen, die es Menschen erleichtern, sich einmal prinzipiell für ein Kind zu entscheiden – beispielsweise das zweite kostenlose Kindergartenjahr. Ich frage mich aber, wie es gelingen kann, Eltern zu ermutigen, sich mehr als ein oder zwei Kinder zuzutrauen. Wir haben mit dem Familienbonus eine echte steuerliche Entlastung von 2.000 Euro pro Kind, das ist gut, ebenfalls die Valorisierung der Familienleistungen. Und es wäre wichtig, dass nicht so viele Vorhaben unter Budgetvorbehalt stehen.

Warum können sich viele Paare „nur“ ein Kind „leisten“? Warum und woran scheitert der Wunsch vieler Paare nach mehreren Kindern?

Alles bei uns ist primär auf Familien mit ein bis zwei Kindern ausgerichtet: Das beginnt bei Pauschalreisen und endet bei medienwirksamen Rechenbeispielen für Familienförderungen. Damit suggeriert man den Menschen, dass alles, was über zwei Kindern liegt, außerhalb der Norm ist. Es fehlen authentische Vorbilder, Rolemodels, an denen sich Eltern mit erhöhtem Kinderwunsch orientieren können, um zu sehen: Ja, es ist möglich, es geht sich sehr vieles aus. Vielleicht kein Luxus, aber echte Zufriedenheit für alle Beteiligten.

Frauen bekommen später und dann auch noch weniger Kinder. Stimmt diese Beobachtung?

Ja, diese Beobachtung lässt sich auch statistisch belegen. Frauen bekommen heute später Kinder als noch vor einigen Jahrzehnten und nach einem, maximal zwei Kindern ist statistisch gesehen Schluss. Um Letzteres zu beheben, wäre meiner Meinung nach die Möglichkeit für eine längere Karenzzeit mit angemessenem – also hohem – Kinderbetreuungsgeld kein Fehler. Aus einer Karenz in eine erneute Schwangerschaft zu starten, ist für eine Mutter viel einfacher als aus dem Vereinbarkeitstriathlon zwischen Kinderkrippe, Erwerbsarbeit und Care-Arbeit. Ich habe meine Kinder mit 30, 32, 34 und 36,5 Jahren bekommen – auch ein später Start ermöglicht bescheidenen Kinderreichtum.

Wollen die jungen Menschen überhaupt noch Väter und Mütter werden?

Sämtliche Wertestudien sagen „Ja“. Familie hat nach wie vor einen hohen Stellenwert in der Lebensplanung vieler junger Menschen. Aber vor allem Frauen machen sich oft Sorgen um ihre Existenz, den Job und die Zukunft der Partnerschaft, so dass sie sich nicht so leicht auf das Abenteuer Kind einlassen. Familie wird zu einer Art „akademischem“ Projekt, alles Für und Wider wird im Vorfeld bedacht und berechnet. Das alte Sprichwort „Gibt der Herr ein Haserl, gibt er auch ein Graserl“ hat ausgedient.

Stichwort Wohnungstrauma anstatt Wohn- Traum: Gibt es leistbare Wohnungen für Paare oder Alleinerziehende, die zwei oder mehr Kinder wollen?

Viele Kinder brauchen viel Platz. Für die Finanzierung von großen Wohnungen braucht man zwei volle Eltern-Einkommen. Vollzeit-Arbeit ist jedoch neben vielen Kindern ein Drahtseilakt, der oft nicht gelingt. Ich selbst arbeite auch „nur“ 30 Stunden pro Woche, weil nur Samstag und Sonntag für Qualitätszeit mit der Familie plus Hausarbeit zu wenig wäre. Eine Möglichkeit für Großfamilien, zu halbwegs leistbarem Wohnraum zu kommen, sind sogenannte Baugruppenmodelle, die aber in der Öffentlichkeit noch nicht sehr bekannt sind: Man erwirbt kein Eigentum und zieht um, sobald die Kinder „flügge“ werden.

Schrumpft der Kinderwunsch auf das eine „Wunschkind“, weil die Paare bei einer etwaigen Trennung die Armutsfalle vor Augen haben, die dann oft die Frauen trifft?

Ja. Der Wunsch nach mehr als einem „Wunschkind“ ist oft da, wird aber nicht realisiert, weil ein mögliches Trennungsszenario von Anfang an Teil der Paarbeziehung ist. Leider ist das statistisch gesehen auch belegbar, dass vor allem Frauen, die nach einer Trennung mehrheitlich die Hauptverantwortung für die Kinder tragen, manchmal erschreckend wenig Geld zur Verfügung haben. Wir sind deshalb für ein automatisches Pensionssplitting und für eine gesetzliche Unterhaltssicherung für jedes Kind.

„Keiner sitzt nur barfuß auf dem Baum und kaut jahrein, jahraus Karotten ...“

Zur Überforderung kommt das neue „Argument“, man wolle „das Klima schonen“ und keine Kinder in die Welt setzen …

Dieses „Argument“ kenne ich, finde es aber ein bisschen verlogen. Denn: Auf Urlaub fliegen, Avocados essen, Smartphones, Kleidung von internationalen Modelabels und E-Autos kaufen tut man ja trotzdem. Keiner sitzt nur barfuß auf dem Baum und kaut jahrein, jahraus Karotten. Gerade kinderreiche Familien sind aus finanziellen Gründen oft sehr klimaschonend – Weitergabe von Kleidung, regionale Lebensmittel, keine Flugreisen – unterwegs. Unsere Welt braucht gerade jetzt Menschen, die humanistisch gebildet sind, an neuen Technologien forschen, Kranke und Alte pflegen, Frieden stiften und durch Erwerbsarbeit unser Sozialsystem aufrechterhalten. Wir haben die Chance, diese Humanressourcen in die Welt zu setzen und in Liebe und Verantwortung beim Aufwachsen zu begleiten, und sollten sie auch nützen.

Wie trägt der Katholische Familienverband zu einem kinderfreundlichen Klima bei?

Wir kennen die Anliegen von Familien und bringen sie in die öffentliche Debatte ein. Wir setzen uns für alle Familien – unabhängig vom jeweiligen Familienmodell – ein und für eine Gesellschaft, in der Familie als erstrebenswertes Zukunftsszenario gesehen wird.

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Autor:
  • Stefan Kronthaler
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