Kalvarienberg Maria Lanzendorf: Spiritualität am Kreuzweg

Kalvarienberg Maria Lanzendorf
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Blick auf den Kalvarienberg ©Stephan Schönlaub
Engelsfigur auf dem Kalvarienberg ©Stephan Schönlaub
Jesus am Kreuz
Station der Kreuzigung Jesu auf dem Gipfel des Kalvarienberges. ©Stephan Schönlaub

Entdecken Sie die tiefe spirituelle Bedeutung und die fesselnde Geschichte des Kalvarienbergs in Maria Lanzendorf, einem Ort, der seit über 320 Jahren Besucher anzieht.

Im kleinen Ort Maria Lanzendorf im Bezirk Schwechat befindet sich seit über 320 Jahren ein wunderbarer Kalvarienberg. Die Bezeichnung „Kalvarienberg“ stammt aus dem Lateinischen und ist eine Übersetzung des aramäischen „Golgota“ – Schädelhöhe (vgl. Mk 15,22). Ein Kalvarienberg bildet somit jenen Hügel nach, auf dem Jesus von Nazaret gekreuzigt worden war. 

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Um 1700 wurde der Maria Lanzendorfer Kalvarienberg errichtet, zu einer Zeit, wo es längst üblich war, sich ein Stück vom Heiligen Land in die eigene Heimat zu holen. Zumindest für wohlhabende Menschen, die nach einer Pilgerreise nach Israel das dort Gesehene für andere und sich selbst vor Augen stellen wollten. Im Falle von Maria Lanzendorf war es jedoch ein Franziskaner Laienbruder namens Felix Niering, der sich für den Bau einsetzte und ihn auch selbst mithilfe seines Bruders begann. Allein diese Eigeninitiative macht den Kalvarienberg einzigartig. Und einzigartig war auch das Konzept dieses Berges, das Fürst Paul Esterhazy so sehr gefiel, dass er Niering einlud, in Eisenstadt einen ähnlichen, noch größeren Kalvarienberg zu errichten.

Hier soll es jedoch nicht um die künstlerische Leistung des Bauwerks gehen. Vielmehr möchte ich mich dem Kalvarienberg spirituell nähern. Ich begebe mich auf eine sehr persönliche Entdeckungsreise dorthin. Und was mir gleich zu Beginn auffällt, ist, dass der Berg dreierlei Arten von Weg bereithält. Denn es sind drei unterschiedliche Wegweiser aus je unterschiedlichem Material, die auf dem Gang begleiten.

Vergegenwärtigen

Zum einen sind auf dem Berg Täfelchen den vierzehn Stationen des Kreuzweges angebracht. Die erste Station (Jesus wird zum Tode verurteilt) befindet sich mittig vor den Augen der Näherkommenden. Die nächsten Stationen leiten dann zunächst ebenerdig um den Berg herum, bevor sie die linke Außentreppe hinauf und die rechte Außentreppe wieder hinunterführen. Die biblischen Details verbinden sich dabei mit weiteren Ausschmückungen, die im Laufe der ersten Jahrhunderte n. Chr. hinzukamen. So stehen neben der Verurteilung Jesu, seiner Begegnung mit den weinenden Frauen, seiner Entkleidung, seiner Kreuzigung und seinem Tod und Begräbnis später hinzugefügte Details wie das dreimalige Fallen Jesu unter dem Kreuz oder Veronika, die Jesus das Schweißtuch reicht.

Etappenweise werde ich dadurch im Gehen durch Jesu Passion geführt. Die Stationen dienen einerseits der Verlangsamung des Schrittes – die Täfelchen wollen gelesen und angesehen werden – und andererseits der Verlangsamung der Wahrnehmung der biblischen Erzählung. 

Schritt für Schritt vergegenwärtige ich mir das Geschehen in all seinen biblischen und weiterführenden Details.

Innehalten

Zusätzlich zu den Kreuzwegtäfelchen bietet der Berg jedoch noch Nischen und Höhlen, die durch Fenster eingesehen werden können. Darin entdecke ich einzelne biblische Szenen, die großteils mit lebensgroßen Holzfiguren dargestellt sind. Die erste Nische erinnert an das letzte Abendmahl. Die nächste zeigt die schlafenden Jünger und den betenden Jesus am Ölberg. Die größte Höhle ist jene, in der die Geißelung Jesu dargestellt wird. Gleich drei Szenen sind in ihr enthalten, drei brutale Soldaten sieht man, zwei Mal einen geschlagenen Jesus. Besonders schmerzt ein neugieriger Zuseher, der oben am Fenster sitzt und schaulustig die Szene beobachtet.

All diesen Höhlen ist gemeinsam, dass sie die Vorgeschichte des Kreuzweges erzählen. Weitere Höhlen entlang des Abstiegs vom Berg thematisieren dann die Nachgeschichte. Die berührendste zeigt die Begegnung der Maria von Magdala mit dem Auferstandenen (Joh 20). Und abgesetzt vom Kalvarienberg bzw. diesem vorgelagert steht unübersehbar die aus Jerusalem nachgebaute Grabesgrotte mit dem weggewälzten Stein vor dem leeren Grab.

Die Ungleichzeitigkeit der Kreuzweg-Täfelchen mit den Darstellungen in den Nischen und Höhlen erzeugt eine seltsame Spannung. Während Jesus auf den Kreuzwegstationen bereits zum ersten Mal unter dem Kreuz zusammengebrochen ist, erzählen die Nischen erst von der Gefangennahme. Umgekehrt verrät die Höhle neben der Kreuzwegstation „Grablegung“ schon die Auferstehung Jesu.

Ich sehe darin eine Einladung zu einer zweiten, vertiefenden Begegnung mit der Passion. Die ausdrucksstarken Holzfiguren motivieren mich zur eingehenden Betrachtung, zur Meditation und zum Gebet. Die schlafenden Jünger, die weinenden Frauen, die prügelnden Soldaten oder der schaulustige Fenstergucker dienen dabei als positive oder negative spirituelle Seelenspiegel. Sie scheinen mich zu befragen, wie ich Jesus damals begegnet wäre, wie ich auf sein erlösendes Leiden geantwortet hätte.

Und lassen mich innehalten und nachspüren.

Die Perspektive des Kreuzes einnehmen

Den dritten Weg, den Kalvarienberg zu gehen, weisen die Steinfiguren und -treppen.  Zwei der Steintreppen führen seitlich auf den Berg hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. In der Mitte befindet sich noch eine dritte, steilere Treppe, eine Nachbildung der sogenannten Heiligen Stiege (Scala Santa) in Jerusalem: Der Tradition nach war dort Jesus ins Haus des Pilatus geführt worden. Auf solchen Heiligen Stiegen bewegte man sich üblicherweise auf den Knien hinauf – als Frömmigkeits- und Bußübung. Offenbar war das in Maria Lanzendorf nicht anders.

Weinende steinerne Engelsstatuen säumen den Weg. Unten mischen sich zwei Franziskaner unter die Engel: links Franz von Assisi, rechts der Hl. Antonius von Padua mit dem Christuskind. Die Gleichstellung der beiden Mönche mit den Engeln zeigt den hohen Stellenwert, den man ihnen zumisst. Aus Stein ist auch die weithin sichtbare Golgota-Szene selbst: Oben findet sich nur ein Kreuz – die beiden Mitgekreuzigten sind ausgespart, der Fokus liegt einzig und allein auf Jesus selbst. Den Fuß des Kreuzes umklammert eine weinende Frau, vermutlich Maria von Magdala. Ihre Haare hängen wirr, sie ist sichtlich außer sich. Rechts und links des Kreuzes stehen weitere klagende Frauen.

Um das beeindruckende Ensemble genießen zu können, muss man die Stufen hinaufsteigen. Und wird dort von einem großartigen Ausblick ins Land belohnt. Auch das hat für mich spirituelle Bedeutung: Die Steintreppen fordern mich persönlich. Ich muss mich hier und jetzt auf den Weg machen, sogar, wenn der Weg mühsam aufwärts geht (vor allem beim Zugang über die Heilige Treppe). Und ich darf und soll mich mit den Engeln und den Frauen hier und heute vor den Gekreuzigten stellen, zu ihm aufblicken und von diesem Punkt aus, quasi aus der Perspektive des Kreuzes und mit ihm im Blick, auf die Welt ringsum schauen.

Ein Perspektivenwechsel gewissermaßen, der mir neu zeigt, wo mein Dreh- und Angelpunkt im Leben ist.

Im Grunde müsste ich den Maria Lanzendorfer Kalvarienberg also dreimal begehen. Einmal entlang der Kreuzwegstationen, um den Leidensweg Christi zu vergegenwärtigen. Einmal entlang der Nischen und Höhlen, um betend und innehaltend zu verweilen und in mich zu blicken. Und einmal auf meinem ganz persönlichen, steinigen Weg hinauf zum Kreuz, um von dort aus die Welt neu zu entdecken.

Autor:
  • Elisabeth Birnbaum
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