Israel: Unter Beschuss
Meinung
Im Moment bin ich nicht bei meinen Liebsten an meinem Sehnsuchtsort, an dem Ort meiner wunderbaren Erinnerungen und meiner Träume – Israel. Im Moment bin ich nicht dort und kein Weg kann mich dorthin führen. Wortlos bleibe ich zurück. Und dann, wenn ich keine Worte mehr finde, helfen Gebete, Gedichte und Gespräche mit Menschen, die ich liebe. Wortlos höre ich die Stimmen meiner Liebsten am Telefon, bevor sie noch schnell in den Bunker laufen oder im Bunker sind und warten, bis der Raketenangriff wieder vorbei ist und natürlich auch dann, wenn alles wieder annähernd alltäglich ist. Was bleibt, ist Zuversicht, die Gnade des Überwindens und die Hoffnung, dass unsere Gebete nach Frieden erhört werden.
Israel unter Beschuss
Aber: Wir sind unter Beschuss. Ganz real und physisch durch Raketenangriffe, wie es schon lange und immer wieder der Fall ist. Von allen Himmelsrichtungen, unter Beschuss von Terrororganisationen, deren explizites Ziel es ist, den Staat Israel als Heimstätte der Juden auszulöschen.
Tiefes Misstrauen in Israel
Wir sind unter Beschuss in unserer, so glaubten wir, sicheren Umgebung. In einem Umfeld, das uns nach der Shoah, wie uns durch „Never Again“ versichert wurde, immer und ewig schützen wird. In einem Umfeld, das den 7. Oktober 2023, das unermesslich brutale Massaker und die abscheuliche Geiselnahme von Menschen, als kollektiven Schock wahrnimmt. Als das, was es war, sieht. Es war ein direkter Angriff auf unsere Zivilisation, auf ein Wertesystem, das uns prägt. Viele der Opfer waren aufrichtig und aktiv an Friedensprojekten beteiligt. Ihnen war nichts wichtiger, als ihr Leben dem Friedensprojekt einer friedlichen Koexistenz zu widmen. Was ist daraus geworden? Ein Scherbenhaufen, eine Zerrüttung, eine Hoffnungslosigkeit, tiefes Misstrauen, unbeschreiblich, unendlich traurig, unendlich ernüchternd. Wir sind aber auch unter Beschuss durch eine undifferenzierte und damit zutiefst verletzende rhetorische Angriffswelle weltweit. Wir sind unter Beschuss, weil es plötzlich möglich ist, Menschen zu bespucken, zu beschimpfen, ihnen den Zugang zu öffentlichen Räumen zu verwehren, sie zu bedrohen, nur weil sie Juden sind. Jeder einzelne Jude, jede einzelne Jüdin auf dieser Welt wird für die Politik im Nahen Osten verantwortlich gemacht und zur Rechenschaft gezogen. Für mich ist es zunehmend schwierig, eine „Ja, aber …“ Argumentation zu ertragen. Gewalt ist und bleibt keine Form von Widerstand. Niemals. Auch nicht die rhetorische Gewalt.
Israel: Hoffnung auf Freilassung der Geiseln
Und wir verharren und beten, wie in den vergangenen 625 Tagen, um die Freilassung der 50 Geiseln (lebende und tote), die sich noch immer in der Gewalt der Hamas befinden, wir beten um das Ende des Krieges und für einen baldigen Frieden. Möge uns „Tikkun Olam“ – das Zurechtrücken der Welt – die Heilung der Welt, im Kleinen wie im Großen gelingen.
Zur Person
Dina Baranes (61) ist Generalsekretärindes Center for Israel Studies Vienna.
Der Kommentar drückt die persönliche Meinung der Autorin aus!