Gertrud von Helfta

Hochbegabt und visionär
Ausgabe Nr. 7
  • Theologie
Autor:
Gertrud von Helfta
Gertrud von Helfta war eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit und vorausschauende Seelsorgerin. ©Gemeinfrei

In unserer Serie „Die Mystikerinnen“ stellen wir einmal im Monat eine Frau vor, die aufgrund ihrer besonderen Erfahrung mit Gott Spuren in der Geschichte von Kirche und Welt hinterlassen hat. In unserer zweiten Folge schauen wir auf Gertrud von Helfta (1256–1302). Sie trägt als einzige deutsche Heilige den Beinamen „die Große“.

Als Gertrud ins Kloster Helfta kam, konnte von „groß“ noch keine Rede sein. Das aus Thüringen stammende Mädchen war gerade fünf Jahre alt, als es den Zisterzienserinnen anvertraut wurde. „Von Gertruds Herkunft weiß man nichts. Es lässt sich aus ihren Texten erschließen, dass sie Waise war“, schreibt Ulrike Voigt in ihrem Buch „Mystikerinnen. Die Kraft spiritueller Frauen“.

In der Klosterschule fiel Gertrud durch ihre rasche Auffassungsgabe und hohe Intelligenz auf. „Sie überragte Altersgenossinnen, aber auch Ordensfrauen an Bildung“, heißt es in den zeitgenössischen Quellen. Gertrud studierte die sieben freien Künste von Rhetorik bis Geometrie, die lateinische Sprache, die Bibel, die Lehre der Kirchenväter und mittelalterlichen Kirchenlehrer wie Bernhard von Clairvaux. „In der Klosterschule erhielt die hochbegabte Gertrud eine umfassende wissenschaftliche und geistliche Ausbildung. Ihre Lehrerin und spätere Freundin war die Mystikerin Mechthild von Hackeborn (1241–1299)“, berichtet Ulrike Voigt.

Werbung

„Ich will dich trunken machen“

Nach Gertruds Bericht erschien ihr mit 26 Jahren Jesus als Jüngling, hob sie über eine Dornenhecke und rief sie in seine Nachfolge. Seine Worte hat die Heilige so überliefert: „Bisher hast du mit meinen Feinden vom Staub der Erde gegessen und aus ihren Dornen ein paar Honigtropfen gesaugt. Komme zu mir – ich will dich trunken machen mit dem Strom meiner göttlichen Wonnen.“ In den darauffolgenden Jahren vertiefte sich Gertruds mystische Christusbeziehung. Sie hielt fest: „Gott ist höher und tiefer als alle Erkenntnis; nur die Liebe erreicht ihn.“

„1289 begann sie den in einer Vision erhaltenen Befehl auszuführen und ihre Gnadenerlebnisse und ihre Liebesmystik niederzuschreiben“, berichtet Ulrike Voigt. Als Hauptwerke Gertruds gelten die beiden überlieferten Bücher „Geistliche Übungen“ (Exercitia spiritualia) und „Gesandter der göttlichen Liebe“ (Legatus divinae pietatis). Die Schriften Gertruds und anderer Mystikerinnen aus Helfta begründeten den Ruhm des Klosters als Zentrum der deutschen Frauenbildung und Frauenmystik im Mittelalter.

Seelsorgerin und Ratgeberin

"Gertrud wollte in ihrem Leben und ihren Schriften die Liebe Gottes, deren höchstes Symbol das Herz Christi ist, in ihrer irdischen Zuwendung zu den Menschen verdeutlichen sowie als Seelsorgerin und Ratgeberin wirken“, führt Ulrike Voigt aus. Seit einer Textausgabe des „Legatus“ 1536 nahmen Gertruds Herz-Jesu-Verehrung und ihre Gebete einen jahrhundertelangen Einfluss auf die katholische Frömmigkeit.

Gertrud war ihrer Zeit voraus. So riet sie Nonnen und Laien zur täglichen Kommunion, obwohl dies in der damaligen Praxis nur den Priestern vorbehalten war. Um sich als Frau mit einer Bibel-Szene identifizieren zu können, ging sie so weit, überlieferte Texte zu ändern: Aus dem „verlorenen Sohn“ machte sie „die verlorene Tochter“.

Papst Benedikt verehrte sie

„Der Herr sagte zu ihr: Mein Herz wird verwundet durch ein zuversichtliches Vertrauen. Dies Vertrauen tut meiner Liebe eine solche Gewalt an, dass ich mich ihr niemals entziehen kann“ ist als Zitat der Mystikerin überliefert. Ihre Botschaft ist bis heute aktuell: „Gott liebt mich, und ich kann ihm rückhaltlos vertrauen.“ Sie selbst hatte größtes Vertrauen in das Gebet und sagte: „Je öfter für jemand gebetet wird, desto mehr Segen liegt auf ihm, denn kein gläubiges Gebet wird unerhört bleiben, wenn den Menschen auch die Art der Erhörung verborgen ist.“

Ein Verehrer der Mystikerin war Papst Benedikt XVI. Gertrud habe in ihren Schriften die Notwendigkeit einer persönlichen Beziehung zu Christus deutlich gemacht. Zu dieser gelange man durch das Gebet und durch die Liebe zur Heiligen Schrift, zur Liturgie der Kirche und den Sakramenten, betonte der Papst in einer Predigtreihe über Frauen, die entscheidende Spuren in der Kirchengeschichte hinterlassen haben.

Autor:
  • Portraitfoto von Agathe Lauber-Gansterer
    Agathe Lauber-Gansterer
Werbung

Neueste Beiträge

| Sonntag
28. Sonntag im Jahreskreis

Wort zum Evangelium von Otto Friedrich

| Kunst und Kultur
Erlebt und aufgeschrieben

Unter dem Titel „Beten, Herr Pfarrer - Anekdoten zwischen Alltag und Altar!“ präsentiert Redakteurin Bernadette Spitzer die von ihr gesammelten und erzählten Anekdoten am 23. Oktober in der Buchhandlung Tyrolia.

| Hirtenhund
Hirtenhund

Der Hirtenhund bellt diese Woche darüber, wie Extremismus die katholische Vielfalt bedroht.