„Gehen ist das Gesündeste überhaupt“

Sommergespräche - Teil 6
Ausgabe Nr. 32
  • Spiritualität
Autor:
Eva Karels Geheimrezept ist Humor: „Wenn ich mich selbst freundlich am Schauferl habe, komme ich so viel besser durch.“
Eva Karels Geheimrezept ist Humor: „Wenn ich mich selbst freundlich am Schauferl habe, komme ich so viel besser durch.“ ©Karin Hackl

„Alles wird gut, Oida!“ schreibt Eva Karel in ihrem neuen, gleichnamigen Buch. Wie das gelingen kann? Mit mehr Herz statt Hirn. Mehr Wir statt Ich. Mit Viktor Frankl und einem Hund. Denn Angst, Ratlosigkeit und Zorn gehören Gassi geführt.

Eva Karels Geheimrezept ist Humor: „Wenn ich mich selbst freundlich am Schauferl habe, komme ich so viel besser durch.“ Ein Interview. 

Werbung

Gehen als Hilfe

Wir leben in wilden Zeiten: Kriege, Krisen, Klimakollaps. Was macht das mit uns?
Eva Karel:
Die erste Reaktion auf die vielen Stimuli und Informationen, die auf uns einprasseln, ist für viele ein Ohnmachtsgefühl. Aber die Frage ist: Wie geht es dann weiter? Ein Weg ist, psychisch drum herumzukreisen, bis zur totalen Resignation. Ein anderer, zu selektieren, zu überlegen: In welchem vielleicht minimalen Radius habe ich doch auch Einflussmöglichkeiten? Ich glaube wirklich, dass wir das Ausmaß an Stimuli begrenzen müssen. Es heißt, wir nehmen heute an einem Tag so viele Informationen auf wie ein mittelalterlicher Bauer in seinem ganzen Leben. Aber unser Hirn ist nicht vorbereitet darauf, in vielerlei Hinsicht agiert es noch steinzeitlich.

Woran zeigt sich das?
Dazu lohnt sich ein evolutionsbiologischer Blick: Da wird deutlich, wir nehmen die Welt bedeutend negativer wahr, als sie tatsächlich ist. Das ist ein Schutzmechanismus. Ohnmacht, Angst meinen es eigentlich gut mit uns. Es ist, als ob wir überall Säbelzahntiger sehen würden. Bloß haben wir dadurch eine problemorientierte Brille auf.  Was ich nicht will, ist zu Zweckoptimismus anzustiften. Oder zu Naivität. Ich möchte vielmehr diesen sehr ängstlichen Anteilen in uns einen realistischen Blick auf die Welt zur Seite stellen. Indem ich auch auf das Gute fokussiere. Und dadurch in mir Tatendrang freisetze. Und Freude.

Viktor Frankl und die Bergluft

Sie haben sich viel mit Viktor Frankl beschäftigt. Er hat vier Konzentrationslager überlebt und trotzdem Ja zum Leben gesagt.
Frankl war für mich tatsächlich ein neues Kapitel für mein Leben. Ich bin ja auch Yoga-Lehrerin, und da gehört es eigentlich fast zum guten Ton, sich sehr mit sich selbst zu beschäftigen. Das finde ich gut, aber es kann problematisch werden, weil viele populäre Zugänge zu einer steten Nabelschau anstiften, in der primär um das fragile Selbst gekreist wird. Wenn es nur dabei bleibt, finde ich es problematisch.
Viktor Frankl hat es geschafft, eine lebensbejahende, den Menschen zugewandte, anstiftende Form der Psychotherapie zu entwickeln, sich nicht in der steten Nabelschau zu verstricken. Natürlich geht es auch bei ihm um das Ausheilen von Erlebtem. Gleichzeitig gesellt sich immer das Gute dazu.

Viktor Frankl hat auch gerne seine Angst äußerln geführt ...
Frankl wollte Alpinist werden. Er wollte in die Berge. Und gleichzeitig war er von Höhenangst geplagt. Er hat sich der Angst nicht gebeugt. Frankl ist mit seiner Angst regelmäßig am Wochenende auf die Rax marschiert. Hat ihr einfach mal ein bisschen Aussicht und Bergluft um die Nase wehen lassen. Frankl hat verstanden, dass er sich von sich selbst nicht alles gefallen zu lassen braucht.
 

Gehen mit dem Hund

Einer, der Ihnen auch immer wieder hilft, auf die Spur und ins Gehen zu kommen, ist Ihr Hund.
Ich absolviere drei Hundespaziergänge täglich. Und mir ist irgendwann aufgefallen, wie unglaublich gut mir das tut. Wie sehr dieses niederschwellige, nicht verzweckte Hatschen mir in der Seele wohltut. Wir dürfen nicht unterschätzen, wie sehr wir leibliche Wesen sind, nicht nur Intellekt. Gerade in der fortschreitenden Zeitverdichtung durch Digitalisierung und virtuelles Handeln und Erleben ist es wichtig, leiblich zu handeln. Gehen ist das Gesündeste überhaupt. Manchmal führe ich meine Ratlosigkeit äußerln. Oder meinen Zorn. Oder meine Fadesse. Und dann, während des Spazierens, bemerke ich mich selbst auch wieder mehr. Bin einfach wieder anwesender.

Robuste Herzlichkeit

Robuste Herzlichkeit ist Ihnen wichtig. Was hat es damit auf sich?
Ich bin mitten in der Welt. Ich ziehe zwei Teenager-Söhne groß, brauche Bodenhaftung und will ganz viel tun können. Ich will nicht immer nur weiter aufmachen, immer tiefer mich selbst analysieren. Und ich will vor allem nicht fragil werden dadurch. Berührbar, ja. Und robust auch. Das meine ich mit robuster Herzlichkeit. Denn gerade wenn ich meine Söhne anschaue, habe ich das Gefühl, es ist meine Aufgabe, Komplexität zu reduzieren, ihnen zu helfen, Orientierung zu finden in diesem Wirrwarr. Dafür muss ich auf meinen Füßen stehen. Und kann mich nicht nur mit Schwierigem und nicht nur mit mir befassen, sondern auch mit der Welt und mit dem Guten.

Logo radio klassik Stephansdom.
Logo radio klassik Stephansdom. ©David Kassl

Sommergespräch: Eva Karel

Das gesamte Interview mit Eva Karel hören Sie am Montag, 18. August 2025, um 17:30 Uhr. 

radioklassik.at

Autor:
  • Gerlinde Petric-Wallner
Werbung

Neueste Beiträge

| Soziales
Advertorial

Mit Miina erhalten Sie schnell und unkompliziert genau die Unterstützung, die Sie im Alltag oder in Pflegesituationen benötigen.

 

| Heiligenschein
Ordenspionierin und TV-Heilige

Wöchentliche Heilige, vorgestellt von Bernadette Spitzer.

| Heiter bis heilig
Anekdoten

Die 88-jährige Johanna lebt allein und noch immer großteils selbständig in ihrem Haus im steirischen Bruck. Da sie Betreuung benötigt, kümmert sich jemand um kleinere Aufgaben.