Erste Hilfe für die Seele

Glaubenszeugnis
Ausgabe Nr. 51
  • Spiritualität
Autor:
Wolfgang Aumann hat immer schon eine geistliche Nähe gespürt und ist direkt nach der Matura ins Priesterseminar gegangen ©Privat

Seit mehr als zwanzig Jahren steht Wolfgang Aumann Menschen in absoluten Krisensituationen bei. Darin, sagt der 72-jährige ehemalige Religionslehrer, verwirklicht sich seine Berufung als Diakon.

Am 19. November 1995 wurde Wolfgang Aumann im Stephansdom zum ehrenamtlichen Diakon geweiht. 

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Diakon und Religionslehrer

Sie feierten vor wenigen Wochen Ihr dreißigjähriges Weihejubiläum. Wieso haben Sie sich damals entschieden, Diakon zu werden?

Ich habe immer schon eine geistliche Nähe gespürt und bin direkt nach der Matura für zwei Jahre ins Priesterseminar gegangen. Ich habe aber gemerkt, dass das nicht meine Berufung ist, habe mein Studium fertig gemacht, eine Familie gegründet und wurde Religionslehrer. Einer meiner späteren Mitbrüder hat mich irgendwann gefragt, ob das Diakonen-Amt nicht auch etwas für mich wäre. Das war der Anstoß für mich, darüber nachzudenken und mit meiner Frau zu sprechen.

Was hat Ihre Frau dazu gesagt? 

Sie hat mich gebeten, mich nicht gleich anzumelden, sondern zuerst eine Zeit lang zu überlegen und zu prüfen, ob das wirklich mein Weg ist. Es ist sehr wichtig, dass bei ehrenamtlichen Diakonen auch die Ehefrau das Engagement mitträgt, sonst gibt es später Probleme. Wir haben also gebetet, viel miteinander gesprochen und dann entschieden: Das ist der richtige Weg.   

Sie waren in Ihrer Pfarre in Pressbaum stark eingebunden, als Schulseelsorger im Sacré Coeur Pressbaum, auch bei der Freiwilligen Feuerwehr Pressbaum, und haben sich später auf die Notfallseelsorge und Krisenintervention beim Roten Kreuz spezialisiert. Wie sehen Ihre Einsätze da aus?

Wir von der Krisenintervention werden zum Beispiel bei unerwarteten Todesfällen in der Familie gerufen. Jemand legt sich nach dem Kaffee hin, wacht nicht mehr auf und der Notarzt stellt den Tod fest. Die Angehören sind schockiert, oft auch überfordert und werden gefragt, ob jemand vom Kriseninterventionsteam unterstützen soll. Dann kommen wir zeitnah vor Ort, meist zu zweit. Oft sind wir auch bei der Überbringung von Todesnachrichten dabei. Wenn etwa ein Sohn oder eine Tochter in einem anderen Bundesland verunglückt, teilt das die Polizei den Eltern offiziell mit. Die Polizisten verabschieden sich und wir bieten an, noch da zu bleiben, um den Betroffenen die Möglichkeit zu geben, diese Nachricht einmal zu realisieren. „Das gibt’s nicht!“ ist oft eine erste Reaktion.     

Was brauchen die Menschen in diesen Ausnahmesituationen? 

Das ist sehr unterschiedlich. Manche Angehörige sind in sich gekehrt und kaum ansprechbar, andere weinen. Meine Devise ist: „Einfach da sein.“ Bevor ich zum Einsatz fahre, bete ich zum Heiligen Geist. Ich weiß nicht, was mich erwartet und bitte, dass er mir hilft zu erkennen, wann ich schweigen und was ich sagen soll. Sehr oft unterstützen wir bei den ganz einfachen Dingen: Wir informieren über die Bestattung und Totenbeschau. Wir rufen ein Familienmitglied an, wenn die Betroffenen uns darum bitten. Was ich tue, verstehe ich als „Erste Hilfe für die Seele“.

„Bevor ich zu einem Einsatz fahre, bete ich zum Heiligen Geist.“

Gehen Ihnen die Einsätze sehr nahe?  

Es macht immer betroffen, wenn ein lieber Mensch stirbt, auch dann, wenn er sehr alt war. Besonders bewegend sind aber Einsätze, bei denen Kinder betroffen sind. Ich erinnere mich an eine Familie, in der das Kind an plötzlichem Kindstod verstorben ist. Zufällig kannte ich die Eltern und habe Ihnen vorgeschlagen, ihr Kind mit Weihwasser zu segnen und es dem lieben Gott anzuvertrauen. Es hat mich sehr berührt, zu sehen, wie die Eltern und der große Bruder dem Baby ein Kreuz auf die Stirn gemacht haben.  Wichtig ist auch die sogenannte „professionelle Distanz“, dass ich mich selber gut abgrenzen kann.

Sie wissen nicht, ob die Menschen, zu denen Sie gerufen werden, gläubig sind. Bieten Sie trotzdem Seelsorge im engeren Sinn, zum Beispiel Gebet, an? 

Wenn ich in einer Wohnung ein Kreuz oder eine Ikone sehe, ist das für mich schon einmal ein wichtiger Anhaltspunkt. Und wenn ich spüre, dass es passt, schlage ich vor, für den Verstorbenen ein Vater Unser zu beten. Diese alten Rituale sind für Menschen in solchen Situationen wichtig. Um noch etwas zu meiner diakonalen Berufung zu sagen: Der liturgische Dienst ist wichtig. Aber so schön es ist, bei Gottesdiensten zu assistieren, ich sehe meinen Platz bei den Menschen. Bei denen, die am Boden liegen, deren Leben von heute auf morgen auf den Kopf gestellt wurde.

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Autor:
  • Sandra Lobnig
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