Die musikalische Vielfalt macht es aus
Neues Geistliches Lied
In der Musik hat Gott dem Menschen eine Erinnerung an das verlorene Paradies hinterlassen“, meinte schon die mittelalterliche Mystikerin, Komponistin und Kirchenlehrerin Hildegard von Bingen. „Singen ist Ausdruck der Liebe“, fand der heiligen Augustinus, ebenso wird ihm die Aussage zugeschrieben: „Wer singt, betet doppelt.“
Längst sind auch moderne Lieder der Anbetung und Lobpreis-Lieder in unserer Liturgie angekommen und zeugen von einem lebendigen Glauben und von ökumenischem Austausch. „Englischsprachiges hält Einzug auch im kirchlichen Bereich und entspricht den Hörgewohnheiten der jungen Menschen“, sagt Nikolaus Pesl, seit kurzem Kirchenmusikreferent für Wien-Stadt in der Erzdiözese Wien. Unter dem Titel „Bring your favourite“ leitete er soeben einen Workshop zum „Neuen Geistlichen Lied“ (kurz NGL genannt), wo es um das Kennenlernen und Ausprobieren ging. „Es gibt einen starken Wunsch nach Neuen Geistlichen Liedern für das Ordinarium, also für Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei im Gottesdienst.“
Wobei der Begriff „Neues Geistliches Lied“ nicht ganz eindeutig ist. „Es schwimmt hier alles zwischen den Genres. Die liedhaften Kompositionen im NGL stehen eher in der Tradition des Kirchenliedes, Worship-Musik kommt stärker aus der Gospeltradition“, erklärt der studierte Musik- und Instrumentalpädagoge. „Darüber hinaus gibt es noch viele Begriffe wie Sacro-Pop, Jesus-Pop u. a.“
Ursprung in den 1960er-Jahren
Der Begriff „Neues Geistliches Lied“ wurde in den 1960er-Jahren geprägt als Gattungsbegriff innerhalb der „Musica Sacra“ für ein „neues“ (= anderes) Singen in der Kirche unter der Verwendung neu entstandener Liedtexte in popularmusikalischen Vertonungen. „Ein interessanter Meilenstein in der Entwicklung des NGL war das Preisausschreiben der Evangelischen Akademie in Tutzing 1961“, erzählt Musiker Nikolaus Pesl. Damals gewann das Lied „Danke für diesen guten Morgen“ von Martin Gotthard Schneider den ersten Preis. Weitere Wettbewerbe machten das NGL zunehmend populär.
Warum Taizé-Lieder so gern gesungen werden
Eine Besonderheit in dieser Entwicklung stellen die Taizé-Lieder dar. „Hier gibt es verschiedene Meinungen darüber, ob sie zum NGL zählen, da die Neuen Geistlichen Lieder der popularmusikalischen Sprache folgen mit Band, Schlagzeug, E-Gitarre usw. Das trifft auf Taizé-Lieder nicht zu“, erklärt Nikolaus Pesl. „Aber sie sind sehr populär. Das ist vor allem deshalb so, weil sie leicht fasslich sind, mitsingbar und viele Wiederholungen haben. Es handelt sich um einfache mehrstimmige Sätze. Das kommt aus der mehrstimmigen Musiktradition der Ostkirche. Taizé-Lieder verlassen nicht die Dur-Moll-Tonalität und werden unmittelbar als religiös empfunden, im Gegensatz etwa zu Gospelrock“. Taizé-Lieder würden es möglich machen, dass die bewusstwerdende Versenkung in die Musik selbst zur spirituellen Erfahrung wird. „Durch das Immer-wieder-Wiederholen und Singen kippt man in eine spirituelle Erfahrung hinein. Das macht sicher die Faszination der Taizé-Lieder aus“, so der Musikexperte.
Für die Praxis in der Pfarre empfiehlt Nikolaus Pesl nach Möglichkeit ein breites musikalisches Angebot walten zu lassen. „Wenn es eine musikalische Vielfalt gibt, dann spricht das auch viele verschiedene Menschen an. Je abwechslungsreicher ein Gottesdienst musikalisch gestaltet ist, desto mehr Menschen werden in das Mitfeiern hineingenommen. Es gibt viele Pfarren, die diese Vielfalt haben mit einem Kirchenchor, einer NGL- und einer Bläsergruppe.“ So könnten kirchliche Ereignisse wie eine Firmung oder Erstkommunion anders musikalisch gestaltet werden wie eine Osternacht. Nikolaus Pesl rät, bei Neuen Geistlichen Liedern den Text anzuschauen und selbst zu entscheiden, ob er für die Liturgie geeignet sei und sich in der Pfarre zu besprechen. „Ich ermutige alle, sich darauf einzulassen!“, betont der Kirchenmusikreferent.
"Super-Hits" unter den Neuen Geistlichen Liedern
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„Wer ist ein Gott wie du?“
– komponiert und getextet 1993 von Albert Frey, einem der bekanntesten Songwriter
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„Lord, I lift your name on high“
– von Rick Founds 1989
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„God is great“
– von Marty Sampson 2003
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„Hungry“
– von Kathryn Scott 2003
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„Come and fill me up“
– von Brian Doerksen
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„Einer ist unser Leben“
– Musik von Jean Liesse (1971),
Text von Lothar Zenetti (1973)
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„Wäre Gesanges voll unser Mund“
– nach einem Text von Eugen Eckhert,
Melodie: Alejandro Veciana (1987)
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„Jeden Tag“
– Melodie: Joel Houston,
Text: Arne Kopfermann
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„In deinem Namen wollen wir“
– von Werner Reischl
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„Wasser des Lebens“
– von Lothar Kosse 2001
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„Your name is holy“
– von Brian Doerksen 2001
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„Heilig“ – von Albert Frey, 1998
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„Lord, reign in me“
– von Brenton Brown, 2006 (Vineyard)
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„Open the eyes of my heart, Lord“
– von Paul Baloche; gesungen vom Oslo Gospel Choir
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„Ströme des lebendigen Wassers“
– von Albert Frey 1999
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„Groß sein lässt meine Seele“
– von Martin Schraufstetter
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„Here I am to worship“
– von Hillsong Worship, gesungen vom Oslo Gospel Choir
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„Here I am Lord“
– von Daniel L. Schutte 2001