Verborgene Geheimnisse der Wiener Dorotheergasse

Tag des Denkmals
Ausgabe Nr. 38
  • Kunst und Kultur
Autor:
Die Wiener Dorotheergasse birgt viele Geheimnisse. ©Gugerell
Die Geschichte der Lutherischen Stadtkirche beginnt 1582/83.
©Lutherische Stadtkirche
Günter Fuhrmann studierte Rechtswissenschaften und Kulturmanagement. Der Autor mehrerer Bücher lebt in Steinebrunn im Weinviertel. ©privat

Buchautor Günter Fuhrmann enthüllt die faszinierende Geschichte der Kirchen in der Wiener Dorotheergasse. Entdecken Sie, wie Vergangenheit und Gegenwart in dieser berühmten Gasse verschmelzen.

Wir blicken mit Buchautor Günter Fuhrmann in die Wiener Dorotheergasse, wo sich heute die Reformierte und die Lutherische Stadtkirche befinden. Letztere ging aus dem katholischen „Königinnenkloster“ hervor. Dieses war einst gegründet worden, um für die Bartholomäusnacht, ein Massaker an Protestanten in Frankreich, Sühne zu leisten. Und wir geben ein paar Tipps zu kirchlichen Objekten am „Tag des Denkmals“.

Günter Fuhrmann ist Autor mehrerer Bücher zu historischen Themen Wien und Niederösterreich betreffend. Der gebürtige Weinviertler hat soeben gemeinsam mit der Historikerin und Fremdenführerin Maria Mustapic einen neuen Band der Buch-Reihe „Rundumadum“ unter dem Titel „Geheimnisse der Inneren Stadt. Verborgene Orte im alten Wien“ (Kral-Verlag) verfasst. Darin zeigt das Autorenduo, dass es im Herzen Wiens immer noch Neues zu entdecken gibt.

Im Buch geht es auch um die wechselvolle Geschichte der Kirchen in der Dorotheergasse, genauer im Kapitel „Kunst und Königin: die Klöster der Dorotheergasse“. Günter Fuhrmann schildert: „Die Dorotheergasse war schon im 17. Jahrhundert etwas ganz Besonderes. Hier standen einige der prächtigsten Adelspaläste von Wien.“ Die Gasse wird heute mit dem Café Hawelka, dem Auktionshaus Dorotheum oder dem Jüdischen Museum in Verbindung gebracht.


Der Name geht zurück auf „eine Kapelle aus der Frühzeit der Habsburger, die der heiligen Dorothea geweiht war“, berichtet Günter Fuhrmann. Rektor dieser Kapelle war der Geistliche Andreas Plank (1356–1435), der später Kanzler unter Herzog Albrecht IV. war und wesentlich zum Aufstieg der Habsburger beitrug. Um sich ein Denkmal zu setzen, gründete Plank ein Augustiner-Chorherrenstift, das Dorotheerkloster genannt wurde. „Um 1500 war das Kloster eines der reichsten der Stadt“, sagt der Buchautor. „Kaiser Joseph II. reduzierte im Zuge seiner Kirchenreformen auch die Anzahl der städtischen Klöster radikal. Das Dorotheerkloster wurde 1786 endgültig aufgehoben und die Kirche entweiht.“ Später wurde hier das Versatzamt angesiedelt, aus dem das heutige Dorotheum hervorging.

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Sühne für die Bartholomäusnacht

Dem Dorotheum gegenüber befinden sich heute die Lutherische Stadtkirche und die Reformierte Stadtkirche (Evangelische Kirche Helvetischen Bekenntnisses). „Auch die Lutherische Stadtkirche – übrigens die einzige reine Renaissancekirche von Wien – gehörte einst zu einem Kloster, das von Joseph II. aufgehoben wurde“, berichtet Günter Fuhrmann. Gegründet wurde dieses Kloster von Elisabeth von Österreich (1554–1592), Tochter Maximilians II. und Gemahlin des französischen Königs Karls IX.

Diese weitgehend in Vergessenheit geratene „Wienerin auf Frankreichs Thron“ musste als Königin von Frankreich die „Bartholomäusnacht“ mitansehen, ein Pogrom an französischen Protestanten, den Hugenotten, das in der Nacht vom 23. zum 24. August 1572, dem Bartholomäustag, stattfand und Tausende das Leben kostete. „Als sie erfuhr, dass ihr Ehemann König Karl für das Massaker verantwortlich war, soll sie völlig entsetzt auf die Knie gefallen sein und bei Gott um Vergebung für ihren Mann gefleht haben.“ Nur zwei Jahre später starb Karl IX., Elisabeth kehrte nach Österreich zurück. In Wien begann sich die junge Witwe, ausgestattet mit einer königlichen Rente, für soziale Aktivitäten zu engagieren. Sie ließ in der Dorotheergasse eine Kirche und ein Kloster errichten und dort Messen für ihren Gatten lesen. Unter Joseph II. wurde auch diese Kirche profaniert. „1783 wurde sie von protestantischen Kaufleuten ersteigert, um hier eine lutherische Gemeinde zu gründen.“ Entgegen ihren Erwartungen mussten die Käufer die Kirche nicht abreißen und durften sie nach einigen Umbauten als Gotteshaus nutzen. Günter Fuhrmann: „Der Sühnebau, den die französische Königin der Bartholomäusnacht erbauen ließ und der nun Sitz der lutherischen Gemeinde ist, steht wie kaum ein zweiter Bau für die Möglichkeit der Überwindung des konfessionellen Hasses.“

Kartause Mauerbach

Am Tag des Denkmals werden in der Kartause Mauerbach traditionelle Handwerkstechniken und historische Baumaterialien praxisnah vorgestellt und Fachleute laden zum Mitmachen ein.

Ort: Kartäuserplatz 2, 3001 Mauerbach. Nähere Infos und Detail-Progamm: Bundesdenkmalamt

Von der Reformierten Stadtkirche ...

Einblicke in die Geschichte der Reformierten Stadtkirche in der Dorotheergasse in Wien gibt es bei zwei geführten Touren vom schönen Innenhof in den klassizistischen Kirchenraum. Auch eine Ausstellung zu den reformierten Gemeinden und ihren Kirchen in Österreich ist zu sehen.

Ort: Dorotheergasse 16, 1010 Wien, geöffnet 10:00–18:00 Uhr; Infos unter: Reformierte Stadtkirche

Der Jüdische Friedhof in Mistelbach

Denkmale am Jüdischen Friedhof erzählen viele interessante Geschichten durch ihre Form, Reliefs, Bilder, Inschriften und vieles mehr. Am Gelände des Jüdischen Friedhofes in Mistelbach findet sich ein reichhaltiger Schatz an Geschichte(n). Am Tag des Denkmals haben die Besucherinnen und Besucher die Möglichkeit, Erzählungen und Bedeutungserklärungen im Rahmen von Führungen nachzugehen und die Zeichen und Symbole deuten zu lernen.

Ort: Waldstraße 122, 2130 Mistelbach
Anmeldungen/Rückfragen unter: sabine.weihs@mistelbach.at

... zur Jesuitenkirche

Die Jesuiten laden am Tag des Denkmals ein, im Rahmen einer kunsthistorischen Führung einen der prunkvollsten barocken Kirchenräume Wiens näher kennenzulernen. Um 14:00 Uhr führt der Jesuitenpater und Kunsthistoriker Gustav Schörghofer SJ durch das Barock-Juwel von Andrea Pozzo.

Ort: Doktor-Ignaz-Seipel-Platz 1,1010 Wien
Weitere Details: Jesuitenkirche

Buchtipp: Wien weiter entdecken

Alle Geschichten der Wiener Innenstadt sind erzählt, alle Geheimnisse gelüftet. Wirklich alle? Nein! Das historische Zentrum Wiens und seine Top-Sehenswürdigkeiten sind bekannt, doch oft überrascht der genauere Blick. Die geprüften Wiener Fremdenführer, Historiker bzw. Kulturwissenschaftler Maria Mustapic und Günter Fuhrmann zeigen in diesem Buch, dass die Innere Stadt auch nach – oder gerade wegen – ihrer 2.000-jährigen Vergangenheit immer noch für Überraschungen gut ist.

Maria Mustapic, Günter Fuhrmann, Rundumadum: Geheimnisse der Inneren Stadt. Verborgene Orte im alten Wien, KRAL-Verlag, 176 Seiten, ISBN: 978-3-99103-148-2, EUR 19,90

Tag des Denkmals

250 Objekte österreichweit
Am 24. September öffnen im Rahmen des „Tags des Denkmals“ rund 250 historische Objekte österreichweit ihre Türen für interessierte Besucher. Der „Tag des Denkmals“ zeigt bei freiem Eintritt die Vielfalt und Unterschiedlichkeit des kulturellen Erbes Österreichs, wobei 2023 ein Jubiläumsjahr ist: Seit 100 Jahren gibt es das österreichische Denkmalschutzgesetz. Mit dabei sind auch heuer wieder zahlreiche kirchliche Objekte und Denkmale. Spezielle Einblicke und Führungen im kirchlichen Bereich gibt es u. a. in Wien in der Votivkirche und in der Jesuitenkirche, im niederösterreichischen Stift Altenburg u. v. m. 

Nähere Infos und Detail-Programm: Tag des Denkmals

Autor:
  • Agathe Lauber-Gansterer
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