„Dazu gibt es Glühwein“
HirtenhundEine klassische Tragödie entfaltet sich in fünf Akten. Zunächst die „Exposition“ beziehungsweise Einführung: Die Bühne betritt: die von Jesuiten geführte Münchner Hochschule für Philosophie. Applaus für eine altehrwürdige Institution. Hinzu tritt: Sebastian Ostritsch. Ein habilitierter Philosoph, der viel beachtete Publikationen etwa über Hegel vorgelegt hat. Außerdem nimmt am Bühnenrand der Chor der Studierendenschaft Platz.
Eine wilde These
Zweiter Akt: Zuspitzung des Konflikts. Ostritsch erregt Aufsehen. Nicht, weil er über Thomas von Aquin arbeitet, sondern weil er – im Brotberuf Redakteur der katholischen „Tagespost“ – gern auch mal fachfremd wildert und sich zu ebensolchen wilden Thesen hinreißen lässt. Wie etwa zu jener, dass Katholiken zur Treue zum katholischen Lehramt unbedingt verpflichtet sind, ja, dass ihnen nicht frei stehe, sich darüber kritisch zu äußern. Soweit ich weiß, ist im Credo von Vater, Sohn, Heiligem Geist und so die Rede, nicht aber vom Lehramt … Hier wäre theologischer Gegenwind tatsächlich angemessen.
Glühwein und Zitate Ostritschs
Dass er darüber hinaus für das am rechten Rand trommelnde Portal „Corrigenda“ schreibt und stramme Positionen bei jenen Themen vertritt, die im Kulturkampf heute verhandelt werden, wie Gender, Familie, Migration, Islam, dürfte Akt 3 – den Höhepunkt – initiiert haben: Der Chor der Studierendenschaft stimmt sein Lied an und ruft auf, gegen den „rechtsextremen Fundamentalisten“ Flagge zu zeigen und – eine hübsche Agitprop-Klamotte – die Hochschule „mit Flaggen und Zitaten Ostritschs zu schmücken“. Kleines vorweihnachtliches Add-on: „Dazu gibt es Glühwein“.
Untergang der akademischen Debattenkultur
Akt 4: Der Wendepunkt, der das Scheitern einleitet. Eine aus dem Ruder gelaufene Diskussion im Vorfeld des geplanten Vortrags, bei der die Studierenden laut, der Organisator Professor Patrick Zoll allzu leise, ja, sprachlos blieb. Es folgte die Absage des Vortrags. Ein gefundenes Fressen für „Corrigenda“, die von einer „Entscheidung einer vor Linksradikalen kuschenden Leitung“ sprach. Fehlt nur noch der fünfte Akt, der Untergang des Helden. Wer hier untergeht, ist die akademische Debattenkultur. Die Uni hat sich letztlich selbst beschädigt durch ihre Sprachlosigkeit und Unfähigkeit, sich zu erklären. Denn nüchtern betrachtet haben die Studierenden zwar laut protestiert, aber letztlich nicht den Vortrag an sich „gecancelt“.
Die Lektion der Tragödie
Das hat die Uni selbst gemacht. Thomas von Aquin soll gegen Ende seines Lebens seinem Sekretär Reginald gesagt haben: „Im Vergleich mit dem, was ich gesehen habe, ist alles, was ich geschrieben habe, wie Stroh.“ Danach sei er verstummt. Vielleicht nicht die schlechteste Lektion dieser Tragödie: Schweigen, Lektion lernen – und mit den Studierenden Glühwein trinken.