Christlich geprägtes Leben ist immer politisch
Meinung
Wir beobachten, dass Egoismus und Rücksichtslosigkeit in Demokratien wieder angehimmelt werden. Verschiedene Politikwissenschafterinnen machen uns aufmerksam, dass wir uns in einer Autokratisierungswelle befinden ähnlich wie in den 1930er-Jahren. Der Wandel passiert sehr subtil. Langsam und für viele unsichtbar untergraben einzelne gewählte Amtsinhaber von etablierten Parteien hinter einer Fassade der Legalität demokratische Institutionen.
Christliche Werte und Politik
Da sehen wir uns als Katholische Aktion in Österreich und als offizieller Teil der Kirche besonders herausgefordert. Auch wenn die Kirche selber in ihrer derzeitigen Verfasstheit hierarchisch-klerikale-autokratische Vorgehensweisen möglich macht, sehen wir im neuen Papst Leo XIV. einen Anwalt für unsere Bemühungen und Sichtweisen. Mit Bezug auf das Zweite Vatikanische Konzil rief Leo XIV. zu einer Fortsetzung des Weges der „Synodalität“ auf, zu stärkerer Kollegialität und zur liebevollen Hinwendung zu den Ausgegrenzten. Der Papst selber spricht beispielsweise von den Herausforderungen entlang der stattfindenden „Revolution durch künstliche Intelligenz und ihrer Auswirkungen auf Gerechtigkeit, Arbeit und Menschenwürde“.
Wachsende Ungleichheit
Besonderes Augenmerk verdienen die aktuellen Bedrohungen in der Tiefenstruktur unserer Gesellschaft, hier fragmentarisch angesprochen. Die wachsenden Ungleichheiten und Abhängigkeiten, die im Duktus eines libertären, fossilen, neoliberalen Kapitalismus daherkommen, machen uns zu schaffen. Eine „digitale Marktreligion“ wurde etabliert, in der die Stärkeren, die Erfolgreichen, die Leistungsträgerinnen und -träger dauernd in den Vordergrund gestellt werden. Jesus hatte aus unserer Sicht andere Werte und Prioritäten, wenn er den konkreten Menschen in den Mittelpunkt gerückt hat. Ausufernder Lobbyismus schiebt einen Keil zwischen Bürgerinnen und gewählte Mandatarinnen.
Die gefinkelte politische psychologische Bearbeitung der Stammhirne und der Instinkte sowie die Bewirtschaftung der Schwächen der Menschen wie Neid, Hass, Gier, Spaltung und Angst bringen eine neue Art von destruktiver Gesellschaftsgestaltung hervor. Schauen wir über den Atlantik.
Christliche Werte als Richtschnur
Mit dem Dossier „Demokratie leben und gestalten“ wollen wir als Katholische Aktion eine Wegmarkierung, eine Richtungsangabe mit Selbstverpflichtungscharakter vorlegen und in den politischen Diskurs werfen. Ziel ist ein gutes Leben für und mit allen in einer solidarischen Gesellschaft. Es geht darum, Orte und Freiräume für Diskussion, Dialog und fundierte Meinungsbildung zu schaffen, damit Synergien für das Gemeinwohl gefördert werden. Die öffentliche Debatte braucht unsere Vorschläge und Beispiele für Gerechtigkeit, Fairness und Frieden.
Zur Person
Ferdinand Kaineder (68) ist Präsident der Katholischen Aktion Österreich.
Der Kommentar drückt die persönliche Meinung des Autors aus!