Kirchenspaziergang durch die Schottenkirche
Kirchenspaziergang
Vorneweg – einige Herzstücke der Schottenkirche sieht man nur bei einer Führung. Bei meinem Spaziergang beschränke ich mich daher auf die öffentlich zugänglichen. Die zeigt mir Pater Augustinus Zeman, Kirchenhistoriker und Provisor der Pfarre. Er erzählte mir, dass die Kirche, als sie 1155 erbaut wurde, vor der Stadtmauer lag. Übrigens auf einem Gräberfeld. Erst um 1200 ließ Leopold V. mit dem Lösegeld, das er für die Freilassung des englischen Königs Richard Löwenherz bekommen hatte, die große Stadtmauer errichten. Die Schottenkirche war damals die größte Wiens. Sie war um ein Drittel größer als heute, und der Stephansdom hatte noch nicht seine jetzige Größe. Der Stifter war Herzog Heinrich II. Er lernte in Regensburg irische Benediktiner kennen und holte sie 1155 als ersten Orden nach Wien. Sie waren firm in Land- und Wasserwirtschaft, gebildet und verlässlich. Das war wichtig, denn Heinrich wollte Wien zu seiner Residenz machen.
Schottenkirche: Wie wurden aus den Iren Schotten?
Die Bezeichnung Schotten geht auf das lateinische Wort „scoti“ zurück, das alle Kelten der iro-schottischen Inseln bezeichnete. Das waren vor allem Iren. Für die Wiener waren sie aber einfach alle “scoti” und schließlich Schotten.
Ihre heutige Gestalt erhielt die Schottenkirche um 1630. Die langgezogene, düstere und schon baufällige Kirche wurde um ein Drittel gekürzt. Bis dahin reichte sie über die heutige Apotheke neben der Kirche hinaus. Innen wurden der Raum entkernt und zwei Schiffe entfernt, womit eine helle Saalkirche entstand. Um 1880 bekam sie vom Ringstraßenarchitekten Heinrich von Ferstel einen steinernen Hochaltar mit einem Bild aus Mosaiksteinen. Aus derselben Zeit stammt ein Gemälde auf der Decke im Eingangsbereich mit der Darstellung der Überreichung der Stiftungsurkunde durch Heinrich II. an Abt Sanctinus und die Mönche. Die tragen kurioserweise allesamt die Gesichtszüge des Konvents von 1880. Kleine Rundbilder zeigen Franz von Assisi und Elisabeth von Thüringen. Während ich über die theologische Bedeutung nachdenke, löst Pater Augustinus das Rätsel: Es handelt sich um die Patrone des damaligen Kaiserpaares Franz Joseph und Elisabeth.
Öffentlich zugänglich ist auch die Antoniuskapelle neben dem Eingang, wo Anliegen aller Art deponiert und Kerzen angezündet werden können.
"Älteste aufrechtstehende Mauern in Wien" in der Schottenkirche
Schließlich führt mich Pater Augustinus in die Romanische Kapelle. Dort wurde im 20. Jahrhundert alles Barocke entfernt und abgeschlagen. Übrig geblieben ist der romanische Raum, und der wird für Gebet und Messen im kleinen Kreis genützt. Pater Augustinus liebt die Kapelle: „Diese Mauern aus der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts gehören zu den ältesten aufrechtstehenden Mauern in Wien.“ Außerdem steht dort in einer Mauernische die vermutlich älteste Marienfigur Wiens – auch wenn man es ihr nicht ansieht, denn sie ist mehrmals überarbeitet und erst im 20. Jahrhundert neu bemalt worden. Sie wird auf das 13. Jahrhundert datiert. Schön anzusehen ist die Romanische Madonna, wie sie genannt wird, allemal – wie vieles andere auch in der Schottenkirche.
Schottenkirche: Besuche willkommen
Neugierig geworden? Nähere Infos:
▶ schottenstift.at
Anmeldung zur Führung, jeweils Samstag um 14:30 Uhr: Inkludiert sind Kirche, Krypta, Stiftergrab und Bibliothek.
Die Romanische Kapelle ist täglich ab 8:00 Uhr geöffnet.
▶ schottenpfarre@schottenstift.at
Herzliche Einladung des Konvents zu den Chorgebeten, zum Beispiel 12:00 Uhr und 18:00 Uhr in der Kirche, 20:00 Uhr in der Romanischen Kapelle.

Zur Person
Pater Augustinus Zeman ist Kirchenhistoriker und Provisor der Pfarre.

Kulturausflug: Schottenkirche
Der Radiobeitrag zum Kirchenspaziergang ist auf der Website von radio klassik Stephansdom abrufbar:
▶ dersonntag.at/kirchenspaziergang