Heilige Vollmacht im irdischen Alltag
Prüller
Wenn Josef Grünwidl am 24. Jänner zum Bischof geweiht und in sein Amt eingeführt wird, dann wird die Erzdiözese Wien genau ein Jahr und zwei Tage ohne Bischof gewesen sein. Ist das eine unzumutbar lange Zeit? Die Frage wird ja immer wieder gestellt, und mancher Kommentator beantwortet sie mit ja und fährt mit Schelte gegen den Ernennungsmodus oder gegen die vatikanische Bürokratie oder beides auf. Wobei mir manchmal scheint, dass es dem Kritiker im Grunde mehr um die Schelte gehen könnte als um die tatsächliche Sorge um den Zustand der Erzdiözese Wien.
Gründwidl ist anders als Schönborn
Der ist nämlich gar nicht schlecht. Bis heute arbeiten die Pfarren mit großem Elan weiter. Und der Führungsstab maht nicht nur seine Alltagsarbeit weiter, sondern führt auch die strategischen Prozesse weiter, die unter Kardinal Schönborn initiiert wurden. Und letzten Endes war es vielleicht sehr gut, dass es nach der Ära Schönborn ein Jahr Abstand gibt, um sich auf etwas ganz Neues einzustellen, auf einen Erzbischof, der zwar Schönborns Wunschkandidat war, aber doch in vielem ganz anders ist.
Und jetzt ist es aber auch gut, dass das Warten ein Ende hat und damit auch das andauernde Spekulieren, wer es werden könnte und wer nicht und warum und wann. Wir brauchen einen Bischof: Unsere Kirche ist ihrem hierarchischen Wesen nach eine Bischofskirche. Ein Bischof ist nicht bloß ein CEO. Wie das Konzil sagt, leiten die Bischöfe ihre Diözesen „als Stellvertreter und Gesandte Christi durch Rat, Zuspruch, Beispiel, aber auch in Autorität und heiliger Vollmacht“. Heilige Vollmacht, das heißt: Ein ganz und gar irdischer Mensch wird unentbehrliches himmlisches Werkzeug – soll Kraftquelle, Wegweiser, Einheitsstifter werden. Für uns alle und mit uns allen.