Greta Thunberg – Vorbotin des Antichrist
Die Gedankenwelt des Peter Thiel
Es kommt wohl nicht jeden Abend vor, dass zu einem Vortrag im schon vollen Franz-König-Hörsaal der Wiener Universität noch zusätzliche Sessel hereingebracht werden müssen, damit alle Platz finden. Dies geschah am 2. Dezember, als der emeritierte Innsbrucker Sozialethiker Wolfgang Palaver über das Thema „Peter Thiel und der Antichrist“ sprach. Palaver kennt den 1967 in Frankfurt geborenen schillernden amerikanischen Tech-Milliardär Thiel seit Anfang der 1990er-Jahre, beide eint die Beschäftigung mit dem Werk des französischen Kulturanthropologen René Girard.
Peter Thiel und René Girard
Allerdings ziehen sie aus dieser Beschäftigung und Lektüre unterschiedliche Schlüsse. Thiel vertrete eine „libertäre“ politische Philosophie, die die Freiheit fast absolut in den Mittelpunkt stelle, so Palaver. Kritik übe Thiel auch am sogenannten „Nanny-Staat“, wo der Staat gleich einem Kindermädchen für das Kind alles regle und organisiere. Thiel habe mehrere Wandlungen in seinem Denken vollzogen, unterstrich Palaver.
Konstantin oder Mutter Teresa
Thiel, ein „evangelikaler Christ, der die großen Fragen angeht“, nutze theologische Begriffe wie den des „Antichrist“ auf seine Weise. Der „Antichrist“, der Begriff kommt in der Briefliteratur des Neuen Testaments vor, wirkt laut Thiel dort, wo sich transnationale Regime bilden, um unter dem Slogan von „Frieden und Sicherheit“ eigentlich Unfreiheit zu bringen. Da auch die katholische Kirche seit langem eine Weltautorität mit effizienten Mitteln fordere, müsste für Thiel auch die Kirche der Antichrist sein. Als „Vorboten des Antichristen“ sieht Thiel auch Menschen wie etwa die schwedische Umweltaktivistin Greta Thunberg. Kernthemen des Christentums wie die christliche Soziallehre, die Caritas oder die Mystik haben für Thiel nicht den Stellenwert, der ihnen gebührt. „Thiel bevorzugt das Christentum von Kaiser Konstantin gegenüber dem Christentum von Mutter Teresa“, führte Palaver aus. Auch hatte Thiel „eine Distanz zu Papst Franziskus“. Schon früh übte Thiel auch Kritik an der Sozialenzyklika „Populorum progressio“ von Papst Paul VI. „Auch Jesus spielt bei Thiel keine große Rolle“, erläuterte Palaver. Er verspricht sich durch den anhaltenden Dialog mit Peter Thiel, dass dadurch so manche Einseitigkeit bei Thiel korrigiert werden könne.
Palaver will Peter Thiel nicht das Feld überlassen
Gegenüber dem SONNTAG erläutert Wolfgang Palaver die Notwendigkeit, dass Theologinnen und Theologen in die Diskussion auch über den Antichrist und die Apokalyptik einsteigen, damit dieses Feld nicht philosophie- und theologiebegeisterten amerikanischen Tech-Milliardären überlassen wird. Und dies gerade angesichts einer Weltlage, die schon lange nicht mehr so labil sei wie gegenwärtig.
Interview mit Wolfgang Palaver
Wie passen Peter Thiels politische Ansichten und der christliche Glaube zusammen?
Wolfgang Palaver: Er interpretiert das Christentum aus einer ganz bestimmten Perspektive. Sein Fokus liegt auf jenen Dingen, die mit einer libertären Weltsicht am besten zusammenpassen. Der Antichrist kommt dann öfter vor als Jesus Christus.
Wie sehr passen Peter Thiels Nähe zum christlichen Nationalismus und sein Libertarismus zusammen?
Sie passen direkt nicht zusammen. Aber in der jetzigen Zeit, in der man den Nationalismus kaum wegbekommt, verhindert der Nationalismus eine Weltregierung oder Weltautorität und globale Regulierungen. Das ist zwar nicht das Ideal des Libertarismus, aber eine vermeintliche Hilfe in einer Zeit, in der der Nationalismus scheinbar nicht vermieden werden kann.
Sie kritisieren Peter Thiel offen. Trotzdem haben Sie gesagt, dass Sie mit ihm reden würden und haben das auch schon getan. Warum?
Der erste Grund ist, dass Peter Thiel schon öfters auf mich zugekommen ist und Fragen an mich gehabt hat. Ich versuche die Fragen aller Menschen, die an mich damit herantreten, zu beantworten. Zweitens verbindet uns die mimetische Theorie von René Girard. Es ist mir wichtig, dass er die Theorie nicht zu sehr für sein politisches Projekt missbraucht. Drittens spricht er Themen an, wo wir als Theologinnen und Theologen nicht schweigen dürfen. Wir müssen in diese Debatte über Apokalyptik und Antichrist einsteigen.
Gewalt und Religion
René Girard sprach mit Wolfgang Palaver über „mimetisches Begehren“, Apokalypse und die Unterscheidung der Religion in rituelle Praxis und Glaubenssätze. Ein Gespräch über die bewegenden Themen unserer Zeit: aktuell, geistreich und anregend. Gleichzeitig eine Einführung in die Gedankenwelt eines der wichtigsten Denker der Gegenwart.
Wolfgang Palaver (Hg.), René Girard, Gewalt und Religion, Ursache oder Wirkung? ISBN: 978-3-88221-632-5, 103 Seiten, EUR 12,00