Diffus liquidierte Religiosität

Hirtenhund
Ausgabe Nr. 50
  • Hirtenhund
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©Der SONNTAG

Der Hirtenhund bellt diese Woche darüber, was „liquidierte Religiosität“ bedeutet.

Die katholische Kirche denkt in Jahrhunderten. Neuerdings scheinen unsere Auguren allerdings dem Beschleunigungswahn verfallen zu sein – und richten ihre religionssoziologischen Antennen auf die nächsten zehn Jahre aus. In diesem Zeitraum nämlich, prognostizierte jüngst die Pastoraltheologin Regina Polak, werde sich nichts Geringeres als die Zukunft des christlichen Glaubens entscheiden. Große Worte, denen noch größere folgten: „Wir sehen in Österreich eine diffus liquidierte Religiosität.“ Was „liquidierte Religiosität“ ist, sehe ich leider allzu oft in Gottesdiensten – sei es, dass Menschen dort hineinstolpern, die offenbar religiös so unmusikalisch sind, dass sie Gottesdienste für okkulte Praktiken eines Trachtenvereins halten; sei es, dass Priester Gottesdienste so weltentrückt zelebrieren, dass sie das Gottesvolk ausblenden – und dabei Gott selber auf der Strecke bleibt. 

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"Digital liquidierter Religiosität“

Anstelle von „diffus“ spreche ich lieber von „digital liquidierter Religiosität“. Denn mir scheinen unsere Seelbesorgten ein wenig zu blind auf diesem Auge zu sein. Sie wollen doch so gern vom digitalen Kuchen der „Christfluencer“ mitnaschen oder zumindest deren Erfolgsrezept nachbacken. Was in den seltensten Fällen gelingt, da man als „Christfluencer“ selbstbewusst, telegen, technikaffin und ich-zentriert sein muss. Alles Faktoren, die man beim durchschnittlichen Seelsorger-Profil aus gutem Grund eher selten antrifft. Zumindest nicht zusammen. Daran ändert meines Erachtens auch nichts, dass Papst Leo heuer auf Platz 5 der beliebtesten Wikipedia-Einträge im englischsprachigen Bereich landete. Und auch beim Google-Gott rankte Leo heuer sehr ordentlich: So war offenbar die Frage „Wie alt ist der neue Papst?“ eine der Top-Fragen nach dem Alter bekannter Persönlichkeiten. 

Religiosität im Netz

Jesus kann im Übrigen keine Top-Platzierung verzeichnen. Das letzte jesuanische Top-Ranking ist sechs Jahre her – und bezog sich auf die Begriffskombination Jesus-Mops-Popo. Ein gnädigerweise damals an mir vorbeigegangener Social-Media-Quark, demnach manche Mops-Popos … nunja … laut manchen Usern wie Jesus aussahen. 

Eine Form „diffus liquidierter Religiosität“

Da lobe ich mir das ganz und gar analoge Voting zum Spruch des Jahres. Die „Gesellschaft für Österreichisches Deutsch“ hält auf ihrer Website nicht nur – höchst sympathisch – News aus dem Jahr 2014 (!) als „top-aktuell“ parat, sie wählte auch den Satz „Nur wer innerlich brennt, kann leuchten“ unseres designierten Erzbischofs Josef Grünwidl zum positiven Spruch des Jahres. Auch der negative Spruch des Jahres hat direkten Kirchenbezug: „Wir schieben ihn ab, wenn er aus seinen Klostermauern kommt“ von FPÖ-Obmann Herbert Kickl – bezogen auf einen Asylwerber, für den sich Erzbischof Franz Lackner eingesetzt hatte. Auch eine Form „diffus liquidierter Religiosität“. 

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