Anmerkungen zur Anthroposophie

Geistige Welten
Ausgabe Nr. 22
  • Spiritualität
Autor:
Die Anthroposophie möchte „Geisteswissenschaft“ und nicht Religion sein.
Die Anthroposophie möchte „Geisteswissenschaft“ und nicht Religion sein.
©Stefan Peterson/Istockphoto

Lambert Jaschke um den Hype rund um die Anthroposophie, die "Weisheit vom Menschen".

Viele kennen Waldorfschulen, kaufen Demeter-Gemüse oder benutzen Weleda-Naturkosmetik. Aber nicht alle wissen, dass hinter Waldorfpädagogik und biologisch-dynamischer Landwirtschaft, „anthroposophisch erweiterter Medizin“ und „Seelenpflege“ in manchen heilpädagogischen Einrichtungen eine esoterische Weltanschauung steht. 

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Die Anfänge der Anthroposophie

Begründet wurde die „Anthroposophie“ (Weisheit vom Menschen) vom Österreicher Rudolf Steiner (1861–1925). Nach naturwissenschaftlichen Studien in Wien wandte er sich der Philosophie und Goethes naturwissenschaftlichen Werken zu und promovierte an der Universität Rostock zum Dr. phil. Er entwickelte einen intuitiven Erkenntnisweg, „der das Geistige im Menschenwesen zum Geistigen im Weltenall führen möchte“, d. h. den Zugang zur „übersinnlichen“, verborgenen Welt ermöglichen soll. Das Ziel der Menschheitsentwicklung besteht nach Steiner darin, in diese geistige Welt einzugehen und den materiellen Leib zu überwinden.
 

Anthroposophie als Religion?

Religiös geprägt wurde der katholisch getaufte Steiner durch die „Theosophie“ (Weisheit von Gott), die im 19. Jh. buddhistische Vorstellungen in den Westen brachte. Den vier biblischen Evangelien fügte Steiner ein fünftes hinzu, das seiner eigenen „geistigen Schau“ entstammte. So erklären sich der anthroposophische Glaube an Reinkarnation (Wiedergeburt) und Karma (Tat-Folge-Zusammenhang über das „aktuelle“ irdische Leben hinaus) und die Selbsterlösungs-Tendenz. Die Vorstellungen von einer ständigen Evolution des Kosmos findet ihren Ausdruck u. a. in unterschiedlich entwickelten menschlichen „Rassen“. Die An-throposophische Gesellschaft, institutionelle Hüterin des steinerschen Erbes, hat sich nicht von dieser „Wurzelrassentheorie“ distanziert, sondern sie lediglich neu gedeutet.
 

Anthroposophie möchte „Geisteswissenschaft“ sein

„Ganzheitlichkeit“, „Kreativität“, „Ökologie“ u. a. ziehen mehr Menschen an als die komplexe Lehre Steiners, deren Wirkung vielschichtig ist. Neben dogmatischen AnhängerInnen begegnen auch gesellschaftlich engagierte Menschen, die sich bei anthroposophischen Ideen bedienen. Für die „alternativen“ Methoden der anthroposophisch erweiterten Medizin oder seltsam anmutende „Präparate“ der biologisch-dynamischen Landwirtschaft gibt es allerdings keine Wirksamkeitsnachweise, die über den Placeboeffekt oder die Erfolge herkömmlicher Bio-Landwirtschaft hinausgehen. Grundlage sind hier, wie bei der Waldorfpädagogik, nicht Wissenschaft, sondern „Erkenntnisse“ der höheren Welten, die als objektive, nicht zu hinterfragende Einsichten gewertet werden. Die Anthroposophie möchte „Geisteswissenschaft“ und nicht Religion sein. 
 

Aus christlicher Perspektive ist nichts gegen den Erwerb landwirtschaftlicher oder kosmetischer Produkte einzuwenden. Bei aller Würdigung einiger Aspekte anthroposophischer Praxis sollte man sich jedoch der weltanschaulichen Unterschiede bewusst sein.
 

©Kronawetter

Kurz-Interview mit Lambert Jaschke

Was fasziniert an der Anthroposophie?
Die Anthroposophie und andere esoterische Systeme bieten ein Universalwissen, eine umfassende Welterklärung und kitten scheinbar den Bruch zwischen Religion und Naturwissenschaft. Das verwischt aber deren unterschiedliche Ansprüche und Kompetenzen. Während die Naturwissenschaften nach dem Wie, nach dem „Funktionieren“ des Kosmos fragt, sucht Religion nach dem Wozu, nach dem Sinn.

 

 Ist die Anthroposophie christlich?
Es gibt sogar eine anthroposophisch geprägte Christengemeinschaft. Steiner verbindet aber in seinem esoterischen Christentum mit biblisch-christlichen Begriffen Vorstellungen, die die christliche Ökumene nicht teilt, wie z. B. Reinkarnation und Karma, die Ideen von sieben Schöpfergöttern (Elohim) oder zwei Jesusknaben.
 

Diese und andere Probleme beleuchten Referenten und Referentinnen der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen in Texten der Serie "Weltanschauungsarbeit heute", die ab 29. September 2024 bis Juli 2025 läuft. Jedes Monat wird ein Text zu einem bestimmten Thema veröffentlicht. 

Teil 8: Serie "Weltanschauungsarbeit heute", eine Kooperation der Österreichischen Kirchenzeitungen und der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen.

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Autor:
  • Lambert Jaschke
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