Die Kirschen in Nachbars Garten: Yoga und Zen
Weltanschauungsserie
Zahlreiche Christinnen und Christen haben die Wege des Yoga für sich entdeckt oder praktizieren mit einer persönlichen Bereicherung die Zen-Meditation. Sind diese Praktiken für Getaufte aber wirklich geeignet oder vielmehr irreführend bzw. gefährlich?
Yoga im Westen
Will man die Frage beantworten, ob man als Christ Yoga praktizieren kann, muss man zunächst die Gegenfrage stellen, um welche Art von Yoga es sich handelt. Die verschiedenen Arten von Yoga sind derart unterschiedlich, dass sie sich theologisch nicht über einen Kamm scheren lassen. Rakesh Nanda, wohl der bekannteste Yoga-Lehrer in Südtirol, betont: „Streng genommen dürften manche der im Westen aufgekommenen gymnastischen Angebote gar nicht als Yoga bezeichnet werden.“ Diese eine Überzeugung rührt daher, dass Yoga grundsätzlich keine Gesundheitsübung, sondern ein spiritueller Erlösungsweg im Kontext hinduistischer Weltvorstellungen ist. Dieser Vorstellung liegt ein monistisches Konzept zugrunde, wonach Menschliches (Atman) und Göttliches (Brahman) wesenhaft eins sind und diese Einheit in der Meditation erkannt werden soll. Rakesh Nanda kritisiert mit seiner Aussage, dass es in der westlichen Praxis des Yoga in der Regel nicht um diesen spirituellen Erlösungsweg, sondern vielmehr um Gesundheitsübungen und um Entspannung geht. Die Praktizierenden suchen nicht die Einheit mit dem Göttlichen, sondern wollen ihre Rückenschmerzen oder die Alltagshektik loswerden, fit, beweglich und gesund bleiben.
Körperzentrierter Yoga
Aus christlicher Sicht kann man festhalten, dass gerade dieser körperzentrierte Yoga, der das gegenwärtige Erscheinungsbild des Yoga im Westen wesentlich mitbestimmt, den Gesundheitsaspekt betont und Christen vor keine religiösen Probleme stellt, da auf die Vermittlung expliziter religiöser Inhalte (fast) vollständig verzichtet wird.
Zen und christliche Meditation
Wenn Christen Zen üben, wird dies für sie eine andere Bedeutung haben als für Buddhisten: Im Buddhismus geht es um die Meditation selbst, die zur Erleuchtung führen soll; bei Christen wird Zen als Meditationsmethode übernommen, hat aber keinen Selbstzweck und erhält dadurch eine veränderte Bedeutung. Die christliche Meditation bleibt nicht bei der Meditation stehen, sie führt den Menschen nicht nur zu sich selbst, sondern zum Gott der Bibel und zur eigenen Berufung im Dienst am Nächsten. Zen ist eine übergegenständliche Meditation und unterscheidet sich damit von den Methoden des Meditierens, bei denen Bilder, Gegenstände, Gebete usw. eine Rolle spielen. Für Christen gibt es wohl eine gegenstandslose, aber keine inhaltslose Meditation. Die Stille in der christlichen Meditation – dabei geht es nicht um die Abwesenheit von etwas, sondern um Seine Gegenwart.

Kurzinterview mit Martin Pezzei
Sind Yoga und Zen gangbare Wege für Christinnen und Christen?
Vieles deckt sich, die Methoden sind ähnlich, der Inhalt ist aber verschieden. Bei Yoga und Zen handelt es sich um Angebote, die uns an etwas erinnern, das bei uns leider allzu oft in Vergessenheit geraten ist: Die Bedeutung der Körperlichkeit, die Körperhaltung im Gebet, die Kraft der Meditation usw. Entscheidend ist, nicht dort stehen zu bleiben, sondern über die Technik weiter zur Begegnung mit dem lebendigen Gott zu schreiten.
Wie soll sich die Kirche verhalten?
Als Kirche ist entscheidend, die Menschen und ihr Suchen ernst zu nehmen und sie nicht ins kirchliche Abseits zu drängen. Yoga und Zen werden von vielen (auch von Christinnen und Christen) als bereichernd empfunden, da diese Techniken ihr religiöses Empfinden bereichern.
Zur Person:
Martin Pezzei ist Theologe und Leiter des Amtes für Dialog der Diözese Bozen-Brixen.
Diese und andere Probleme beleuchten Referenten und Referentinnen der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen in Texten der Serie "Weltanschauungsarbeit heute", die ab 29. September 2024 bis Juli 2025 läuft. Jedes Monat wird ein Text zu einem bestimmten Thema veröffentlicht.
Teil 4: Serie "Weltanschauungsarbeit heute", eine Kooperation der Österreichischen Kirchenzeitungen und der Arbeitsgemeinschaft Weltanschauungsfragen.