Wien ist wieder einmal weiter
Prüller
Vor wenigen Tagen hat Papst Leo in einem Brief an einen Kongress der Täuferbewegung dazu aufgerufen, in „Ehrlichkeit und Freundlichkeit unsere gemeinsame Geschichte zu reflektieren, die schmerzhafte Wunden und Narrative enthält“. Der Brief des Papstes ist leider sehr distanziert gehalten und könnte den Eindruck erwecken, dass in der Geschichte Täufer und Katholiken einander gleichermaßen brutal begegnet sind. Das wäre allerdings falsch.
Täufer als Vorbild an friedlicher Christusnachfolge
Wohl haben die Exzesse im „Täuferreich“ des Jan van Leyden in Münster in den 1530er-Jahren das Bild der (Wieder-)Täufer nachhaltig und ungerecht geprägt. Der Großteil der Täufer – sie heißen so, weil sie die Taufe als bewussten Glaubensakt den Erwachsenen vorbehalten – war aber ein Vorbild an friedlicher und konsequenter Christusnachfolge. Jeder staatlichen und kirchlichen Autorität galten sie, weil sie Eide, Ämter und Hierarchien ablehnten, als politisch suspekt und religiös aufrührerisch. Sie wurden brutal verfolgt, beinahe ausgerottet. Dabei anerkannten die Verfolger oft sogar ihr gutes Wesen. So wurde ein Württemberger 1562 vom lebensbedrohlichen Vorwurf, ein Täufer zu sein, freigesprochen, weil er nachweisen konnte, ein Neider zu sein, der oft Streit anzettelt, schwört, flucht und Waffen trägt.
Erste Versöhnungsschritte in Wien
In Wien haben wir die ersten Versöhnungsschritte schon gesetzt. Kardinal Schönborn – der auch der täuferischen Bewegung des Bruderhofes bei ihrer Ansiedlung in Österreich half – hat 2019 brieflich die Täufer um Vergebung für die Verfolgung durch Katholiken und Protestanten gebeten. Der Vorsitzende der Mennonitischen Freikirche (sie gehört der täuferischen Tradition an) hat geantwortet: „Ja, wir vergeben.“ Ich kenne Täufer. Dass sie mit mir in „Ehrlichkeit und Freundlichkeit“ umgehen, ist ein großes Geschenk.