Überfluss, der uns hemmt
23. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C – 7. September
23. Sonntag im Jahreskreis, Lesejahr C – 7. September
„Den Leuten geht’s zu gut, deshalb verlieren sie den Glauben. Früher, in Zeiten der Not, hatten die Leute ihr Herz noch offen für Gott. Es müsste eine Krise kommen, dann würden sich die Kirchen wieder füllen.“ So oder ähnlich wird zuweilen beklagt, dass sich immer mehr Menschen vom christlichen Glauben abwenden. Ist man da wirklich auf der rich-tigen Spur zur Erklärung für den beklagten Glaubensschwund?
Aufbruchstimmung
Der Dichter Peter Handke meint dazu, wenn der Mangel die Grenze überschreitet zur Not, dann wäre es selbstverständlich anstößig, an ihm etwas Gutes zu finden. Aber solange der Mangel die Fantasie begünstigt, „da kann ich nur sagen: Dessen bedürfen wir alle. Dieser Überfluss, in dem wir leben, bringt überhaupt keine Fantasie mehr zustande. [...] Der Überfluss erzeugt überhaupt keine Vorstellung von Verbundenheit mehr. Oder von Aufbruch. Ja, das ist vielleicht das Wichtigste: Es gibt keine Aufbruchstimmung mehr.“ So weit Peter Handke wörtlich. Er sagt deutlich, dass man Mangel natürlich keinesfalls herbeiführen kann und darf, das wäre Diktatur. Aber er schreibt des Öfteren fast traurig über Menschen, die in ihrer Einfachheit eine weit größere Lebensfreude haben. Kritisch blickt er auf Überfluss, Zurschaustellung von Besitz und Protzen mit Marken, wie er es bei uns erlebt: „Es ist doch wirklich nicht so wunderbar, bei anderen Menschen zu sehen, was die für Kleider anhaben, also Nike oder Adidas, dass man das immerzu lesen muss.“
Meint nicht das auch Jesus mit seinen Worten vom Besitzverzicht? Frei werden für das Wesentliche? Frei werden für die Verbundenheit (ein anderes Wort für Religion)?
1. Lesung Buch der Weisheit 9,13–19
Wer ergründet, was im Himmel ist?
Welcher Mensch kann Gottes Plan erkennen oder wer begreift, was der Herr will? Unsicher sind die Überlegungen der Sterblichen und einfältig unsere Gedanken; denn ein vergänglicher Leib beschwert die Seele und das irdische Zelt belastet den um vieles besorgten Verstand.
Wir erraten kaum, was auf der Erde vorgeht, und finden nur mit Mühe, was auf der Hand liegt; wer ergründet, was im Himmel ist? Wer hat je deinen Plan erkannt, wenn du ihm nicht Weisheit gegeben und deinen heiligen Geist aus der Höhe gesandt hast?
So wurden die Pfade der Erdenbewohner gerade gemacht und die Menschen lernten, was dir gefällt; durch die Weisheit wurden sie gerettet.
2. Lesung Philémonbrief 9b–10.12–17
Wenn du mit mir Gemeinschaft hast, nimm ihn auf wie mich!
Lieber Bruder!
Ich, Paulus, ein alter Mann, jetzt auch Gefangener Christi Jesu, ich bitte dich für mein Kind Onésimus, dem ich im Gefängnis zum Vater geworden bin. Ich schicke ihn zu dir zurück, ihn, das bedeutet mein Innerstes. Ich wollte ihn bei mir behalten, damit er mir an deiner Stelle dient in den Fesseln des Evangeliums. Aber ohne deine Zustimmung wollte ich nichts tun. Deine gute Tat soll nicht erzwungen, sondern freiwillig sein.
Denn vielleicht wurde er deshalb eine Weile von dir getrennt, damit du ihn für ewig zurückerhältst, nicht mehr als Sklaven, sondern als weit mehr: als geliebten Bruder. Das ist er jedenfalls für mich, um wie viel mehr dann für dich, als Mensch und auch vor dem Herrn. Wenn du also mit mir Gemeinschaft hast, nimm ihn auf wie mich!
Aus Psalm 90
Zum Staub zurückkehren lässt du den Menschen,
du sprichst: Ihr Menschenkinder, kehrt zurück!
Denn tausend Jahre sind in deinen Augen
wie der Tag, der gestern vergangen ist,
wie eine Wache in der Nacht.
Du raffst sie dahin, sie werden wie Schlafende.
Sie gleichen dem Gras, das am Morgen wächst:
Am Morgen blüht es auf und wächst empor,
am Abend wird es welk und verdorrt.
Unsere Tage zu zählen, lehre uns!
Dann gewinnen wir ein weises Herz.
Kehre doch um, Herr! – Wie lange noch?
Um deiner Knechte willen lass es dich reuen!
Sättige uns am Morgen mit deiner Huld!
Dann wollen wir jubeln und uns freuen all unsre Tage.
Güte und Schönheit des HERRN, unseres Gottes, sei über uns!
Lass gedeihen das Werk unsrer Hände,
ja, das Werk unsrer Hände lass gedeihen!
Evangelium Lukas 18,9–14
Die Selbsterhöhung führt zur Erniedrigung und die Selbsterniedrigung zur Erhöhung.
In jener Zeit erzählte Jesus einigen, die von ihrer eigenen Gerechtigkeit überzeugt waren und die anderen verachteten, dieses Gleichnis: Zwei Männer gingen zum Tempel hinauf, um zu beten; der eine war ein Pharisäer, der andere ein Zöllner.Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort. Ich faste zweimal in der Woche und gebe den zehnten Teil meines ganzen Einkommens. Der Zöllner aber blieb ganz hinten stehen und wollte nicht einmal seine Augen zum Himmel erheben, sondern schlug sich an die Brust und betete: Gott, sei mir Sünder gnädig! Ich sage euch: Dieser ging gerechtfertigt nach Hause zurück, der andere nicht. Denn wer sich selbst erhöht, wird erniedrigt, wer sich aber selbst erniedrigt, wird erhöht werden.
Quelle: Lektionar für die Bistümer des deutschen Sprachgebiets. Authentische Ausgabe für den liturgischen Gebrauch. Band I: Die Sonntage und Festtage im Lesejahr C, Freiburg u. a. 2018. © staeko.net