Sterben in den Medien

Meinung
Ausgabe Nr. 37
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Doris Helmberger-Fleckl (50) ist Chefredakteurin der Wochenzeitung „Die FURCHE“.
Doris Helmberger-Fleckl (50) ist Chefredakteurin der Wochenzeitung „Die FURCHE“. ©Die Furche

Die Chefredakteurin der "Furche", Doris Helmberger-Fleckl (50), schreibt zum Thema assistierter Suizid und zum Sterben von Niki Glattauer.

Der öffentlich angekündigte assistierte Suizid von Niki Glattauer macht tief betroffen. Und er wirft grundsätzliche medienethische Fragen auf. Ja, Glattauer wünschte sich ein Interview über sein Vorhaben – und auch dessen Veröffentlichung zwei Tage VOR dem festgelegten Termin. Nur so bekomme „das Thema würdiges Sterben die nötige Aufmerksamkeit“. Tatsächlich berührte, schockierte, empörte, beeindruckte das Interview. Und: Wir reden darüber. Doch ist der mediale Tabubruch dadurch gerechtfertigt?

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Sterben in der Öffentlichkeit

Ein letzter Wunsch „entbindet nicht von journalistischer Verantwortung“, schreibt die Medien- ethiker Claudia Paganini in der FURCHE. Und hier ist ihr recht zu geben. Nicht nur erinnert eine Vorab-Ankündigung eines Suizids „unangenehm an die Logik von Reality-Formaten“, wie Paganini schreibt. Vor allem wird dadurch bewusst die Tür zugeschlagen, sich im letzten Moment doch noch für ein Weiterleben zu entscheiden. Auch stellt sich die Frage, welche Wirkung ein solches Gespräch, das assistierten Suizid als einzig würdige Form des Sterbens präsentiert, auf Leserinnen und Leser in ähnlichen Situationen hat, Stichwort „Werther-Effekt“. Laut dem aktuellen „Leitfaden zur Berichterstattung über Suizid“ (2025) des Kriseninterventionszentrums gelten jedenfalls „bei der Berichterstattung über assistierten Suizid die gleichen Prinzipien wie generell in der Berichterstattung über Suizid“. Nicht zuletzt kann man fragen, ob das Interview nicht schon durch seine eigentliche Intention, den assistierten Suizid öffentlich bekannt(er) zu machen, dem im Sterbeverfügungsgesetz festgelegten „Werbeverbot“ widerspricht.

Sterben und Verantwortung

Dies alles entbindet freilich nicht davon, tatsächlich offener und ehrlicher als bislang darüber zu sprechen, wie „Sterben in Würde“ für alle möglich ist. Wo müssen Hospiz- und Palliativeinrichtungen weiter ausgebaut werden? Und: Wie ermöglichen konfessionelle Einrichtungen, die dem assistierten Suizid kritisch gegenüberstehen, ein offenes Gespräch über Ängste am Lebensende? Sterbewünsche aus Moralgründen „unter der Decke“ zu halten und Menschen damit zu beschämen, verbietet sich. 

Der Kommentar drückt die persönliche Meinung der Autorin aus!

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  • Doris Helmberger- Fleckl
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