Reich ist, wer träumen kann
Gedanken zum Tag der Träume am 26. September
Was geschieht im Traum? Während wir schlafen, nehmen sich Körper und Geist die notwendige Zeit zur Regeneration. Doch Schlaf ist ein aktiver Prozess, zu dem auch das Träumen gehört – der Schlüssel zu unserem Unterbewusstsein
Verarbeitung im Traum
Im Traum setzen wir uns auf eine ganz andere, phantasievollere, symbolisch kreative, oft bizarre und manchmal rätselhafte Art mit Ängsten, Problemen, Erfahrungen, Ideen und Gedanken auseinander, die wir tagsüber vielleicht nicht verstanden, beiseitegelegt oder verdrängt haben. Unser Gehirn verarbeitet auch alles, was wir neu gelernt haben, und kann dabei sogar Problemlösungen „ausprobieren“. Das Erleben im Schlaf ist für unser Gehirn eine wichtige Hilfe.
Entstehung von Albträumen
Wenn sich unsere Emotionen im Traum ungehindert ausbreiten, entstehen oft Albträume. Sie stören zwar das Schlafbedürfnis, sind aber für unser gesundheitliches Gleichgewicht notwendig. Hirnstrommessungen zeigen, dass unser Gehirn im Traum beinahe so aktiv ist wie im Wachzustand. Intensive Träume finden vor allem in den REM-Phasen statt, wenn sich unsere Augen schnell bewegen. Träume werden bildlich wahrgenommen, andere Gehirnregionen sind dabei kaum aktiv.
Belastende Träume
Die spektakulärsten, aber unangenehmsten Träume sind Albträume: zu fallen, verfolgt zu werden, Versagen im Job oder bei Prüfungen, der Tod eines geliebten Menschen, sich nicht bewegen zu können, zu spät zu kommen oder das Gefühl, nackt dazustehen. Diese Grundmuster haben oft reale Bezüge zum Wachleben: Traumata, schwelende Konflikte, unbewusste Ängste oder akuter Stress.
Meist steckt ein Vermeidungsverhalten dahinter – Angst vor etwas, dem wir ausweichen wollen. Träume erinnern uns daran, belastende Beziehungen, problematische Situationen und Lebensumstände zu klären. Wer seine Träume deuten kann, erfährt viel über eigene Stärken und Schwächen, denn sie spiegeln die Grundmuster unserer Persönlichkeit wider. Traumdeutung gelingt aber nur, wenn wir unsere Lebenserfahrung und Vergangenheit mit einbeziehen.
Kreative Träume
Es gibt aber auch kreative, interessante Anregungen für den Alltag, Ideen für wissenschaftliche Arbeiten, Lösungen für Probleme, abenteuerliche Einfälle oder persönliche Lebensziele. Solche Träume begegnen uns auch im Halbschlaf, in tiefer Entspannung oder beim Tagträumen. Wissenschaftliche Erfolge entstehen nicht immer aus reiner Logik. Der Chemiker Kekulé etwa arbeitete lange erfolglos am Aufbau des Benzol-Moleküls. Dann träumte er von einer Schlange, die sich in den Schwanz beißt – ein uraltes Symbol. Das war die Antwort: Die Atome bilden eine Ringstruktur. Ein „Traummolekül“ war geboren.
Träume in der Bibel
Es gibt sogar Träume, die eine Vorahnung oder Weissagung transportieren. Zum Beispiel schreckt eine Mutter nachts auf und hört das Rufen ihres Sohnes, der in diesem Moment weit entfernt im Sterben liegt. Das sind keine Einzelfälle. Wenn Gott uns Träume schenkt, kann er sie auch nutzen, um mit uns zu kommunizieren. Die Bibel kennt viele Träume: Jakob sieht im Schlaf „den Himmel offen und die Engel Gottes auf- und niedersteigen“. Der heilige Josef erkennt im Traum seine Berufung, Maria ohne Angst zu sich zu nehmen. Die Drei Könige erhalten im Traum die Nachricht, nicht mehr zu Herodes zurückzukehren.
Traum und Wirklichkeit
Wenn wir einen Traum verwirklichen wollen, müssen wir zunächst aus dem Traum erwachen. Wir können nicht darauf warten, dass Träume in Erfüllung gehen, sondern müssen jeden Tag einen Schritt auf ihre Verwirklichung zugehen. Träume helfen uns, aus unserer vertrauten Haut herauszukommen. Oft ist es die harte Realität, die uns sagt: „Nein! Warum?“ Doch dann gibt es Gott sei Dank immer wieder einen Traum, der uns zuflüstert: „Doch! Warum eigentlich nicht?“
Wo wären wir heute, wenn es nicht Menschen gegeben hätte, die dieses leise Flüstern ernst genommen haben? Und selbst wenn wir nicht ans Ziel gelangen, aber alles versucht haben, ermutigt uns Marie von Ebner-Eschenbach:
„Nenne dich nicht arm, weil deine Träume nicht in Erfüllung gegangen sind; wirklich arm ist nur der, der nie geträumt hat.“
Marie von Ebner-Eschenbach
Gerade in Zeiten der Krisen und Rückschläge gilt diese Vision. Manchmal ist der Weg nur durch eine Mauer versperrt, die wir selbst errichtet haben und die darauf wartet, niedergerissen zu werden. Unsere Seele braucht, um leben zu können, immer eine Sehnsucht – aber nicht immer eine Erfüllung.
"Wage zu träumen"
Als sich Papst Franziskus mit der Zukunft nach der Coronakrise befasste, schrieb er sein Buch: „Wage zu träumen“. Der Schlüssel, heil aus der Krise zu kommen, liegt für ihn im mutigen Entschluss, nicht einfach dort weiterzumachen, wo wir aufgehört haben, sondern den Mut zu entwickeln, an unsere Träume zu glauben und sie Schritt für Schritt Wirklichkeit werden zu lassen: zum Beispiel mehr Respekt voreinander und vor der Natur.