Missbrauch: Untaten vergehen nicht
Ihnen gesagt
Es zählt zu unseren Ansprüchen, dass wir die Aufarbeitung von religiösen Themen in Welt und Kirche im Fokus haben. In diesen Tagen ist das besonders der Fall im Zuge der Regierungsverhandlungen, deren Ausgang zur Drucklegung noch offen ist.
Theaterstück über Missbrauch in der katholischen Kirche
Ich führe Sie aber in ein Theaterstück, das seit seiner Uraufführung am 30. Jänner im Theater in der Josefstadt beachtet wird: „Azur oder die Farbe von Wasser“. Die 30-jährige Autorin Lisa Wentz zeigt die Zerstörung von Seelen durch sexuellen Missbrauch in der Kirche und die Folgen für die darin tief verstrickten Betroffenen: Johannes kann den Missbrauch, den er im Bubeninternat durch den charismatischen Pater erlitten hat, nicht verarbeiten. Er steht als Maturant des Jahres 1988 im erzkatholischen Bauernmilieu nicht zu seiner Homosexualität, heiratet eine Jugendfreundin und kann den Dämonen nicht entfliehen – er verschwindet, als Tochter Anna acht Jahre alt ist.
Die Farbe Azur
Bis dahin malt er immer wieder mit der Farbe Azur Bilder – jene leuchtend blaue Farbe war übrig im Malkasten, den ihm der diabolische Täter geschenkt hatte. Schulfreund Geri bricht aus, geht nach Wien, wird Journalist, recherchiert die Vorgänge von damals und veröffentlicht sie doch nicht. Jahre später übergibt er die zusammengetragenen Fakten an Anna, die mittlerweile dasselbe Gymnasium besucht wie ihr Vater und Geri. Konsequenzen für das Leid der Kinder im Internat gibt es keine. Es bleiben nur Opfer, der Rest ist ein großes Schweigen.
Missbrauch: Untaten sollen nicht verdrängt werden
Warum sehe ich mir diese Aufführung gebannt an? Die Erinnerung an Untaten ist richtig, Vergessen sowie Verdrängen sind keine Option. Man muss dieses Stück nicht sehen, es wäre aber ein Verlust, wenn es nicht gezeigt wird.