Was unsere Zimmerpflanzen verschweigen

Ausstellung im Weltmuseum
Ausgabe Nr. 29
  • Kunst und Kultur
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Das viele Fensterbretter schmückende Usambaraveilchen stammt ursprünglich aus den Usambara-Bergen in Tansania, wo es auch heute noch vereinzelt wild zu finden ist.
Das viele Fensterbretter schmückende Usambaraveilchen stammt ursprünglich aus den Usambara-Bergen in Tansania, wo es auch heute noch vereinzelt wild zu finden ist. ©Naturhistorisches Museum Wien

Zimmerpflanzen sind mehr als Dekoration. Sie atmen, wachsen, blühen. Sie schmücken unsere Wohnungen und auch unsere Altäre. Eine Ausstellung des Weltmuseums Wien lädt dazu ein, die Geschichten hinter bekannten außereuropäischen Nutz- und Heilpflanzen kennenzulernen.

Sie stehen auf unseren Fensterbrettern, in Wohnzimmern, Büros und auch in unseren Kirchen: Grünlilien, Begonien, Geranien oder der Ficus benjamini. Wir gießen sie, bewundern ihre Blüten, schätzen ihre Heilkräfte. Doch was wissen wir über ihre Herkunft?

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Die Ausstellung „Kolonialismus am Fensterbrett“ im Weltmuseum Wien lädt derzeit dazu ein, vertraute Zimmerpflanzen mit neuen Augen zu sehen – als stille Zeugen einer kolonialen Vergangenheit. Zehn Pflanzenarten, darunter auch die in Kirchen gerne als Schmuck verwendete Dieffenbachie oder das Usambaraveilchen, stehen im Zentrum der Schau und erzählen von Expeditionen und europäischer Aneignung. Ab dem 17. Jahrhundert begaben sich Pflanzenjäger, Botaniker und Händler systematisch auf die Suche nach Heil- und Nutzpflanzen, die sich für den großflächigen Anbau und Export eigneten. Ihr Ziel war es, botanische Schätze aus aller Welt wirtschaftlich nutzbar zu machen. So wurden viele der heute als „Cash Crops“ (wörtlich „Geldernten“) bekannten Pflanzen weltweit verbreitet – oft ohne Rücksicht auf ökologische Folgen oder die Rechte der Herkunftsgesellschaften.

Geranien und die Pharmaindustrie

Die in der Ausstellung vorgestellten Pflanzen machen deutlich, wie eng die Geschichte botanischer Vielfalt mit kolonialer Ausbeutung verknüpft ist – und wie Länder des Globalen Südens bis heute kaum an den wirtschaftlichen Erträgen ihrer biologischen Schätze beteiligt sind. Die bei uns als Zierpflanze geschätzte Geranie wurde in ihrem Ursprungsland Südafrika traditionell zur Behandlung von Atemwegserkrankungen eingesetzt. Statt fairer Zusammenarbeit sicherte sich ein deutsches Unternehmen Patente auf das überlieferte Wissen – ohne die lokalen Gemeinschaften am Gewinn zu beteiligen. In der Ausstellung stehen Wurzelteile der Art Pelargonium sidoides aus der Sammlung des Weltmuseums Wien einem modernen pflanzlichen Arzneimittel mit dem Wirkstoff Pelargonii radix gegenüber.

Auch Pflanzen haben eine Geschichte

Die Ausstellung zeigt: Auch Pflanzen haben Biographien. Sie reisten mit auf Schiffen, oft gemeinsam mit ethnographischen Objekten. Ihre Wege führten sie in botanische Gärten, Apotheken, Wohnzimmer – und in unsere Kirchen. Dort schmücken sie Altäre, symbolisieren Leben, Heilung und Hoffnung und begleiten liturgische Festzeiten. „Kolonialismus am Fensterbrett“ ist keine Anklage, sondern eine Einladung zum Hinschauen. Mit einem spielerischen Zugang und Liebe zum Detail macht die von Bettina Zorn und Florian Rainer kuratierte und von Gerhard Veigel gestaltete Ausstellung sichtbar, wie eng unser Alltag mit globalen Geschichten verwoben ist. Und sie erinnert daran, dass auch Pflanzen – wie Menschen – Würde und Herkunft haben.

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  • Portraitfoto von Agathe Lauber-Gansterer
    Agathe Lauber-Gansterer
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