„Haben Frauen den Platz, der ihnen zusteht?“
80 Jahre Frauenbewegung
Österreich), Erna Novosel (Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung der Erzdiözese
Wien), Veronika Prüller-Jagenteufel (frühere Geistliche Assistentin der kfb) und Hermine Müller
(Mitglied der kfb-Diözesanleitung). ©kfb/Weingartner
Der Apostolische Administrator der Erzdiözese Wien, Josef Grünwidl, würdigte in seiner Predigt den Einsatz von Frauen in der Kirche, verwies jedoch zugleich auch auf deren unzureichende Präsenz in kirchlichen Entscheidungsgremien. Hier bestehe ein „dringender Klärungsbedarf “, zudem
brauche es eine Neubewertung der sogenannten „Frauenfrage“, betonte Grünwidl und fragte: „Kirche, siehst du die Frauen? Haben sie den Platz, der ihnen zusteht?“ Der Administrator verwies auf die Praxis Jesu, der Frauen in einer patriarchalen Welt auf „revolutionäre Weise“ begegnet sei. Frauen seien Teil seines Schülerkreises und die ersten Zeuginnen der Auferstehung gewesen. Als Beispiele für das Wirken von Frauen in Kirche und Gesellschaft nannte er die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung und Gründerin der Aktion Familienfasttag, Herta Pammer (1905–1995), sowie die Architektin Helene Buchwieser (1912–2008), die damals in den ersten Monaten nach dem Dombrand 1945 die Leitung der Aufräumarbeiten im Stephansdom verantwortet hatte. „Bis heute bauen Frauen die Kirchengemeinschaft“, unterstrich Grünwidl, der der Katholischen Frauenbewegung für ihr jahrzehntelanges Engagement dankte.
Frauenbewegung: Mystik und Widerstand
Erna Novosel, die Vorsitzende der Katholischen Frauenbewegung der Erzdiözese Wien, betonte in ihren Begrüßungsworten den bleibenden Auftrag der Frauenbewegung, sich für Frauenrechte, Gleichstellung und Solidarität einzusetzen. Die Katholische Frauenbewegung sei 1945 von „beherzten Frauen gegründet worden, die begeistert etwas bewegt haben, von dem wir heute noch die Früchte genießen dürfen“. Als geistliches Fundament hob Novosel die Mystik und deren Widerstandspotential hervor. So helfe Mystik, „gegen vorauseilenden Gehorsam vor autoritären Tendenzen“ wie auch gegen Konsumismus – „der unsere Welt in eine Müllhalde verwandelt“ – aufzutreten. Diese Form der Spiritualität „lässt uns mit den Frauen des Globalen Südens solidarisch teilen“, verwies die Vorsitzende auf die lange Tradition des Engagements der Frauenbewegung. So verbindet die Aktion „Familienfasttag – Teilen spendet Zukunft“ die Katholische Frauenbewegung seit 1958 mit Frauen im Globalen Süden. Im Zuge der Jubiläumsfeierlichkeiten begehe man als Katholische Frauenbewegung auch das „pilgernde Unterwegs-Sein mit den nächsten Generationen für unser ‚Gemeinsames Haus Erde‘, die Schöpfung unseres guten Gottes“, fasste Novosel die Zukunftsperspektive zusammen.
Diakonat und Priestertum
In einem zuvor erschienenen Gastbeitrag im Newsletter der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien hatte Novosel auch Kritik geübt. Gleichstellung sei in der Kirche bis heute nicht verwirklicht: „Heute wird in der katholischen Kirche den Frauen noch immer Diakonat und Priestertum verwehrt.“ Wenn die Kirche Glaubwürdigkeit wahren wolle, müsse sie auch in den eigenen Ämtern Gleichstellung verwirklichen. Frauen würden aktuell „noch immer durch die kirchliche Hierarchie eingebremst“, was zu Enttäuschungen führe. Die Frauenbewegung wolle sich weiterbewegen – „im Vertrauen darauf, dass wir nicht alles allein tun müssen“, betonte Novosel.
Pfarren brauchen Frauen-Gruppen
Auch der Präsident der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien, Reinhard Bödenauer, würdigte in dem Newsletter eigenständige Frauen- und Männerbewegungen in der Kirche. Die Katholische Frauenbewegung sei stets in der ersten Reihe gestanden, „wenn es um Gleichstellung und Frauenrechte gegangen ist“. Heute sei sie aktiv bei Fragen von Gewalt gegen Frauen und ungleicher Verteilung von Sorgearbeit. „Unsere Pfarren brauchen Gruppen wie die Katholische Frauenbewegung, die sie lebendig erhalten und die den Mund aufmachen, wenn es um Ungleichbehandlung geht – auch in der Kirche.“ Die Katholische Frauenbewegung der Erzdiözese Wien wurde 1945 gegründet, um für Frauen Möglichkeiten zu schaffen, den Glauben zu leben, Verantwortung zu übernehmen und Solidarität zu zeigen. Bis heute ist sie im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben stark präsent, durch spirituelle Angebote, Bildungsarbeit und Engagement für Gerechtigkeit.