Immerwährend und unendlich sanft
Prüller
Nach dem Wüten der Pest gelobten die Kremser im Jahr 1625, jährlich eine Wallfahrt nach Mariazell zu unternehmen. Vor wenigen Tagen haben sich fast 400 Menschen aus Krems auf den Weg gemacht – zu Fuß, auf dem Rad und per Bus –, unter dem Banner „400 Jahre Gelöbniswallfahrt“. Da ist nicht nur die katholische Kirche involviert, sondern auch die Stadtgemeinde (die 1762 das Gelöbnis in einem Vertrag mit der Stadtpfarre „immerwährend“ bekräftigt hat). Bürgermeister Peter Molnar hat wie seine Vorgänger mitgemacht, offiziell eingeladen und sogar mitgeholfen, die Radroute festzulegen.
Mich berührt diese lange und lebendige Tradition. Immerhin kam die Seuche wieder, 1634 und 1649, 1650, 1680 und 1713. Hunderte Menschen starben, doch unverdrossen haben die Kremser an ihrem Gelöbnis festgehalten. Kriege, Hungersnöte, politische und technische Revolutionen sind ins Land gegangen, aber die Tradition hat standgehalten. „Diese Wallfahrt ist ein tief in unserer Stadt verwurzeltes Glaubenszeugnis und zugleich ein lebendiger Ausdruck unserer Gemeinschaft. [...] Gerade in herausfordernden Zeiten wie diesen brauchen wir Zeichen des Zusammenhalts und der Zuversicht“, schreibt der Bürgermeister.
Zuversicht in herausfordernden Zeiten – das können wir alle brauchen. Wenn das Eigentliche, wofür die organisierte Kirche da ist, darin besteht, in dieser Welt Einfallstore für Gottes Gnade offen zu halten, dann ist Zuversicht eine große Frucht davon. Nicht das Vertrauen darauf, dass wir Wunder auf Bestellung erwirken können, oder dass Gott „ups“ sagt und sofort das Leid abstellt. Sondern Zuversicht, dass dieser Eine auch das Fallen (wie der Dichter Rilke in einem seiner Herbstgedichte sagt) „unendlich sanft in seinen Händen hält“.