Fliegende Untermieter
Fledermäuse des Jahres
„Hier wohnen Fledermäuse.“ Eine Plakette am Eingang des Dominikanerkonvents im 13. Wiener Gemeindebezirk macht klar, dass hier nicht nur Ordensschwestern leben und eine Schule untergebracht ist, sondern dass hier auch Fledermäuse ein Zuhause gefunden haben. „Die Fledermäuse kommen seit einigen Jahren etwa im April zu uns, um ihre Jungen zu bekommen und aufzuziehen und verlassen uns dann wieder etwa im Oktober, wenn die Jungen groß genug sind“, erzählt Schwester Franziska Madl, die Priorin des Klosters.
Fledermäuse hoch oben in der Turmspitze
Quartier bezogen haben die Tiere, ganz wie es dem Naturell des Großen Mausohrs, auch Kirchenfledermaus genannt, entspricht, am Dachboden der Klosterkapelle. „Ganz genau im linken der beiden Türme“, sagt Schwester Franziska. „Dorthin gelangt man nur über eine schmale Wendeltreppe hinter unserer Küche.“ Ein idealer Platz also für die Fledermäuse – sind sie hier doch völlig ungestört. Sie selbst schaue jedes Jahr, „ob die Fledermäuse wieder da sind. Und wenn ich dann den Kot der Tiere am Boden sehe und das leise Fiepen höre, dann weiß ich schon Bescheid und freue mich.“ Den Fledermäusen wird es dann so angenehm wie möglich gemacht. „Wir lassen sie in Ruhe“, sagt Schwester Franziska. „Wir gehen nicht in den Turm und auch das Läuten der Glocke bringt sie nicht aus der Ruhe. Erst wenn klar ist, dass sie wieder weg sind, machen wir im Turm sauber und auch die Wartung der Glocke erfolgt erst dann.“
Wiens einzige Wochenstube für Fledermäuse
Die Wochenstube bei den Dominikanerinnen ist die einzige bekannte auf dem Stadtgebiet von Wien. Etwa 90 Fledermäuse wurden hier bei einer der ersten Begehungen gezählt. „Wir wussten schon länger, dass es bei uns Fledermäuse gibt – haben sie bemerkt, wenn wir im Sommer am Abend auf unserer Terrasse saßen“, sagt Schwester Franziska. „Aber wo genau sie sind, war nicht klar. Eines Tages hat sich jemand bei uns gemeldet, der den Weg einer gechippten Fledermaus bis zu uns verfolgt hat und wir wurden gefragt, ob man auf die Suche gehen dürfe, wo sich die Fledermäuse aufhalten. Wir waren dann an vielen verschiedenen Orten des Konvents – am Dachboden der Schulkapelle, des Klosters selbst. Im linken Turm der Kapelle wurden wir dann fündig.“
Vorsicht mit den Fledermäusen!
Schwester Franziska mochte Fledermäuse „irgendwie immer schon. Meine erste Begegnung war noch zu Hause in Niederösterreich – da brachte unser Kater einmal eine Fledermaus mit. Ich kann mich noch erinnern, wie süß ich sie fand und wie fasziniert ich war.“ Mittlerweile wissen sie und ihre Mitschwestern einiges mehr über Fledermäuse. Etwa dass Fledermäuse wirklich sehr scheue Tiere sind und sich „im Normalfall von uns fernhalten.“ Ganz selten passiere es, dass sich eine in die Räumlichkeiten des Klosters verirre. „Aber wenn das passiert, dann wissen wir, was wir tun müssen.“ Ein Spezialist von der MA 22, der Wiener Umweltschutzabteilung, habe ihnen das erklärt: „Wir machen dann zuerst alle Fenster auf. Und wenn sie da nicht hinausfindet, warten wir, bis sie sich irgendwo hinsetzt. Dann kann man sie ganz einfach nehmen und wieder nach draußen bugsieren. Natürlich ziehen wir dafür Handschuhe an. Man muss mit den Tieren vorsichtig umgehen – in ihrem Sinne, aber auch im ureigensten.“
Renovierungsarbeiten – fledermausfreundlich
Dass man mit Fledermäusen vorsichtig umgehen muss, ist auch in Stift Klosterneuburg gut bekannt. An die 100 Große Mausohren beziehen hier seit vielen Jahren ihr Sommerquartier im Dachboden des Stiftes. 2012, als umfangreiche Renovierungsarbeiten am Dach des Barocktraktes notwendig wurden, stellte die Kolonie die Verantwortlichen des Stiftes vor einige Herausforderungen, denn es war keine Frage, dass man auf die Tiere besondere Rücksicht nehmen wollte. So wurde mit den Arbeiten gewartet, bis die Fledermäuse das Sommerquartier wieder verlassen hatten. Bei der dann im Laufe des Winters durchgeführten Neudeckung wurden die alten Dachsparren innen am neuen Unterdach befestigt, damit die Tiere im Sommer 2013 wieder ihre altbekannten Plätze finden konnten. Auch das Ein- und Ausflugsloch unter einer Dachverschneidung wurde erhalten.
Die Fledermäuse als Markenzeichen
Eine auffallend große Fledermauskolonie bezieht seit Jahren im Sommer den Dachstuhl der Pfarrkirche in Obermeisling nordwestlich von Krems. Leopold Ettenauer ist hier Pfarrgemeinderat und kümmert sich unter anderem auch um die Fledermäuse. „Laut diesjähriger Zählung tummeln sich derzeit mehr als 4.000 Fledermäuse hier“, erzählt er. Viel Laubwald und Todholz und ein gutes Nahrungsangebot an Laufkäfern und ähnlichem machen die Gegend besonders fledermausfreundlich. Dass die Ausflugöffnungen der Fledermäuse nicht angestrahlt werden und die Scheinwerfer der Außenbeleuchtung sich um 22:00 Uhr abschalten, hilft zusätzlich. Die Fledermäuse machen Freude, beschäftigen den Pfarrgemeinderat aber auch. Regelmäßig wird die Wochenstube kontrolliert und vom Kot der Fledermäuse befreit. „Wir reden hier von einer halben Tonne Fledermausguano, der den Pfarrbewohnerinnen und -bewohnern als hochwertiger Biodünger angeboten wird“, so Leopold Ettenauer. „Zudem haben wir in den letzten Jahren einiges an Aufklärungsarbeit in der Pfarre gemacht – die Fledermäuse sind zu so etwas wie unserem Markenzeichen geworden.“

Fledermausexperte im Gespräch
Dr. Markus Milchram forscht am Institut für Zoologie der Universität für Bodenkultur in Wien. „Arealerweiterungen von Fledermäusen“ war das Thema seiner Dissertation.
Das Große Mausohr ist eine der Fledermäuse des Jahres. Was charakterisiert diese Fledermaus?
MARKUS MILCHRAM: Das Große Mausohr ist eine der größten Fledermausarten, die es in Europa gibt, hat so um die 30 Gramm – Fledermäuse sind ja sehr kleine Tiere, da ist dann 30 Gramm schon groß. Sie kommt bei uns in allen Bundesländern vor, jagt in Wäldern und erbeutet dort vor allem Käfer. Und sie ist eben jene Fledermaus, die sich im Sommer ganz typischerweise in großen, ruhigen Kirchendachböden, selten auch Dachböden von Schlössern aufhält, um ihre Jungen zu bekommen und aufzuziehen. Teilweise sind das richtig große Kolonien. Im Südburgenland zum Beispiel gibt es eine Kolonie mit mehreren 1.000 Individuen.
Was schätzt das Große Mausohr an diesen Dachböden?
MARKUS MILCHRAM: Kirchendachböden bieten einfach einen idealen Ort – sie sind sehr groß, ungestört, da finden selten Umbaumaßnahmen statt und sie sind zudem von der Klimatik her nicht einheitlich. Das ist zusätzlich ideal, denn die Fledermäuse brauchen Orte, die auch verschiedene mikroklimatische Eigenschaften haben. Die sitzen dann, wenn es sehr heiß ist, zum Beispiel ein bisschen woanders, als wenn es sehr kühl ist. Wir kennen in Österreich etwa 270 dieser Wochenstuben, so lautet die Bezeichnung für diese Sommerquartiere, und davon sind 70 Prozent in Kirchen.
Und woran merkt man, dass Fledermäuse da sind?
MARKUS MILCHRAM: Wenn ich in einen Dachboden gehe und wissen will, ob da Fledermäuse sind, dann schaue ich immer zuerst auf den Boden – nicht, wie man vielleicht meinen würde, nach oben. Am Boden nämlich liegt der Guano, der Kot der Fledermäuse und den erkennt man sehr gut. Fledermauskot besteht fast ausschließlich aus Insektenresten und zerbröselt sofort, wenn man ihn berührt. Und gerade wenn das größere Kolonien sind, dann hört man auch deren Sozialrufe, so ein Fiepen, sehr gut. Die sind dann gar nicht so leise.
Wenn man Fledermäuse bemerkt, was sollte man dann tun und was unterlassen?
MARKUS MILCHRAM: Wenn man Fledermäuse bei sich entdeckt, dann sollte man das bei der Koordinationsstelle für Fledermausschutz melden und dann auch Zugang zu den entsprechenden Gebäuden gewähren. Nur dann können wir die Kolonie zählen, schauen, wie viele es sind, beurteilen, wie es ihnen geht. Und natürlich ist es dann angebracht, für diese Zeit alle Störungen so gut es geht zu vermeiden. Wenn Fledermäuse ihre Jungen aufziehen, ist das eine sehr sensible Zeit. Man sollte deshalb nicht dauernd in die Dachböden hineingehen. Auch Licht ist dann ein echtes Thema: Gerade die Großen Mausohren sind sehr lichtempfindlich und Kirchen sind ja oft gut beleuchtet. Ein spezielles Problem ist es, wenn die Ausflugöffnungen beleuchtet sind. Denn wenn es zu hell ist, dann geben die Fledermäuse Quartiere auf oder fliegen nicht zu den Zeiten aus, zu denen sie eigentlich ausfliegen wollten, und warten, bis die Lampe ausgeht. Aber dann ist oft das Insektenaufkommen ein anderes – und die Fledermäuse finden nicht mehr ausreichend Nahrung.
Also melden, die Dachböden möglichst nicht betreten und vor allem kein Licht?
MARKUS MILCHRAM: Ja, und ein wichtiges Thema sind auch noch die Begasungen, also die Bekämpfung von Schädlingen. Dass das notwendig ist, ist klar, aber es so zu machen, dass die Wochenstuben der Fledermäuse nicht gestört werden, das ist möglich. Die Fledermäuse bevölkern die Dachböden ja nur für einen kurzen Zeitraum. Auch da beraten Fledermausexpertinnen und -experten gerne.
Fledermausnächte im Haus für Natur
Im Haus für Natur im Museum Niederösterreich können Sie Fledermäuse im Rahmen der Fledermausnächte in Kooperation mit der Koordinationsstelle für Fledermausschutz und -forschung in Österreich (KFFÖ) im August live erleben.
Wann: 19. und 26. August jeweils um 19:00 Uhr
Treffpunkt: Haus für Natur im Museum Niederösterreich, Kulturbezirk 5, 3100 St. Pölten
Eintritt: EUR 5,- für Erwachsene, freier Eintritt für Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre und mit der Museum Niederösterreich Jahreskarte
Aufgrund des begrenzten Platzangebots wird ein Online-Ticket empfohlen.
Sie wollen mehr über Fledermäuse wissen oder ein Quartier melden, dann sind Sie hier richtig: fledermausschutz.at