"Die Kirche ist ein Ort, der verbindet"
Kirchen-Entdeckungsreise – Teil 9Schon beim Zugehen auf die Kirche von Sankt Gabriel zieht mich die warme Farbe des Backsteinbaus in ihren Bann. An diesem regnerischen Tag leuchten die Mauern in sattem Rotbraun, und die herbstlich gefärbten Blätter der hohen Laubbäume vor der Kirche harmonieren herrlich mit dem Mauerwerk. Die feuchte Luft trägt den erdigen Duft von Laub und Stein herüber, während ich die Allee entlanggehe.
Im Inneren umfängt mich eine besondere Atmosphäre: gedämpftes Licht, das durch die bunten Glasfenster fällt und der kräftige Klang der Kirchenorgel. Pater Franz Helm, Steyler Missionar, empfängt mich mit einem offenen Lächeln. „Gerade wird für die kommenden Internationalen Orgeltage geprobt“, erzählt er. Die Klänge der Königin der Instrumente begleiten unseren Rundgang.
Kirche Sankt Gabriel ist ein besonderer Ort
Für Pater Helm ist diese Kirche weit mehr als ein Gotteshaus. „Es ist ein Ort, der sendet“, sagt er, und: „Ein Ort, der verbindet – Himmel und Erde, Menschen und Kulturen.“ Die Heilig-Geist-Kirche, 1900 zu Pfingsten geweiht, ist das Herzstück der Ordensgemeinschaft. „Am Anfang waren wir zu viert“, erzählt Franz Helm. „Nach einem halben Jahr nur mehr zwei. Es sah armselig aus. Und dann ist dieser Orden so gewachsen – das war ein Wunder.“
Wir stehen vor dem Steyler Altar, der auch „Sendungsaltar“ genannt wird. Drei Personen sitzen im Zentrum zu Tisch – eine Darstellung der Dreifaltigkeit, angeregt von der Szene der drei Engel bei Abraham und Sarah. „Der erste Rektor, Johannes Janssen, hat immer darum gerungen, dass der Heilige Geist als Person dargestellt wird – nicht nur als Taube“, erklärt Franz Helm. Rechts unten versammeln sich Menschen verschiedener Kulturen und Religionen um einen Globus. „Die Welt ist uns von Gott anvertraut – gemeinsam sollen wir für sie Sorge tragen, gleich welcher Kultur oder Religion wir angehören.“ Die Tischgemeinschaft ist Sinnbild für das christliche Ideal: „Diese innige Gemeinschaft der Menschen untereinander ist etwas, was uns die Dreifaltigkeit vorlebt.“
Kirchenmosaik: Ein Tor zum himmlischen Jerusalem
Die Kirche ist reich an Mosaiken. Viele hat Bruder Bernhard Fembek gestaltet. Besonders eindrucksvoll ist das Mosaik des himmlischen Jerusalem über dem rückwärtigen Tor der Kirche, durch das früher die Mitbrüder bei Begräbnissen hinauszogen. „Das war der Weg zum Friedhof – und zum himmlischen Jerusalem“, sagt Helm. Auch das Osterlamm über dem Eingang, durch den zu Ostern die Osterkerze hereingetragen wird, ist ein starkes Symbol für Christus, das Licht in aller Dunkelheit. Wir gehen hinauf zum Hochchor. Hier ist Pater Helms Lieblingsort. Im Boden eingelassen ist ein Mosaik mit der Arche Noah, umgeben von den Kontinenten. „Wenn Missionare ausgesandt wurden, standen sie hier – mit Blick auf die Welt, bereit, das Evangelium zu verkünden.“ Hier verbinden sich missionarische Sendung und der Lobpreis des geschaffenen Kosmos. „Gott meint es gut mit seiner Schöpfung. Und die Missionare sollen das auch tun und das Lob Gottes in die Welt tragen.“
Heute sei Europa Missionsgebiet, sagt der Ordensmann. „Von den 900 Steyler Missionaren in Europa kommen 300 aus anderen Kontinenten.“ Die jungen Mitbrüder stammen heute vor allem aus Indonesien, Indien, Vietnam und zunehmend aus Afrika. „Wir sind völlig international. Und wir versuchen, herausfordernde Gebiete zu wählen – wie etwa die Pfarre am Keplerplatz in Wien.“
Die Heilig-Geist-Kirche beherbergt zahlreiche weitere Sakralkunstwerke – von den kunstvollen Glasfenstern im Langhaus bis hin zu einem bemerkenswerten Gemälde Mariens als Braut des Heiligen Geistes. „Wer unsere Kirche in ihrer ganzen Pracht erleben möchte, sollte an einem sonnigen Nachmittag kommen. Dann erstrahlen die Mosaike in besonderem Glanz“, empfiehlt Pater Helm. Doch auch bei Regenwetter entfaltet dieser Ort seine geistliche Ausstrahlung. Ein Tipp: Zum 150-jährigen Jubiläum der Steyler Missionare gewährt eine umfassende Ausstellung im Kloster Einblicke in die bewegte Geschichte des Ordens.