Die Frau, die Jesus liebte
Maria von Magdala
Die erste Nennung Maria Magdalenas in den Evangelien findet sich im Lukasevangelium: „Und es geschah in der folgenden Zeit: Jesus wanderte von Stadt zu Stadt und von Dorf zu Dorf und verkündete das Evangelium vom Reich Gottes. Die Zwölf begleiteten ihn und auch einige Frauen, die von bösen Geistern und von Krankheiten geheilt worden waren: Maria, genannt Magdalena, aus der sieben Dämonen ausgefahren waren, Johanna, die Frau des Chuzas, eines Beamten des Herodes, Susanna und viele andere. Sie unterstützten Jesus und die Jünger mit ihrem Vermögen.“ Bemerkenswert ist, dass diese Frauen durch den Hinweis auf ihre Heilung durch Jesus charakterisiert werden, besonders Maria aus der Stadt Magdala (gleich sieben Dämonen!). Nur nicht verheiratete, geschiedene oder verwitwete Frauen konnten über ein Vermögen verfügen. Das Resümee des Neutestamentlers Thomas Söding: „Zum einen ziehen diese starken Frauen mit Jesus durchs Land, zum andern unterstützen diese Frauen Jesus und die Zwölf mit dem Geld, über das sie verfügen.“
Maria von Magdala und die Dämonen
Maria aus Magdala tritt erst wieder bei der Kreuzigung Jesu namentlich in Erscheinung, wie alle vier Evangelien übereinstimmend berichten. Die Jünger waren geflohen, nur Frauen und der Lieblingsjünger (so das Johannesevangelium) standen beim Kreuz oder auch etwas weiter entfernt. Das Markusevangelium weiß auch: „Als der Sabbat vorüber war, kauften Maria aus Magdala, Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um damit zum Grab zu gehen und Jesus zu salben.“ Maria Magdalena ist schließlich die Erstzeugin der Auferstehung laut dem Markusevangelium, das auch die sieben Dämonen nennt: „Als Jesus am frühen Morgen des ersten Wochentages auferstanden war, erschien er zuerst Maria aus Magdala, aus der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte.“
Maria von Magdala: Die Begegnung im Garten
Die schönste Auferstehungserzählung bietet das Johannesevangelium: „Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war. Da lief sie schnell zu Simon Petrus und dem anderen Jünger, den Jesus liebte, und sagte zu ihnen: Sie haben den Herrn aus dem Grab weggenommen und wir wissen nicht, wohin sie ihn gelegt haben. … Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Während sie weinte, beugte sie sich in die Grabkammer hinein. Da sah sie zwei Engel in weißen Gewändern sitzen, den einen dort, wo der Kopf, den anderen dort, wo die Füße des Leichnams Jesu gelegen hatten. Diese sagten zu ihr: Frau, warum weinst du? Sie antwortete ihnen: Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben. Als sie das gesagt hatte, wandte sie sich um und sah Jesus dastehen, wusste aber nicht, dass es Jesus war. Jesus sagte zu ihr: Frau, warum weinst du? Wen suchst du? Sie meinte, es sei der Gärtner, und sagte zu ihm: Herr, wenn du ihn weggebracht hast, sag mir, wohin du ihn gelegt hast! Dann will ich ihn holen. Jesus sagte zu ihr: Maria! Da wandte sie sich um und sagte auf Hebräisch zu ihm: Rabbuni!, das heißt: Meister. Jesus sagte zu ihr: Halte mich nicht fest; denn ich bin noch nicht zum Vater hinaufgegangen. Geh aber zu meinen Brüdern und sag ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und eurem Vater, zu meinem Gott und eurem Gott. Maria von Magdala kam zu den Jüngern und verkündete ihnen: Ich habe den Herrn gesehen. Und sie berichtete, was er ihr gesagt hatte.“
„Am ersten Tag der Woche kam Maria von Magdala frühmorgens ... zum Grab.“
Johannes 20,1
Salbungen in den vier Evangelien
Maria von Magdala wurde im Laufe der Jahrhunderte zu einer Sünderin, indem die Erzählung von der Salbung Jesu durch eine (namenlose!) Sünderin irrtümlich auf Maria Magdalena gedeutet wurde. Die älteste Erzählung findet sich im Markusevangelium: „Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen zu Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem, kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goss das Öl über sein Haupt.“ Einige der Anwesenden klagten: „Wozu diese Verschwendung? Man hätte das Öl um mehr als dreihundert Denare verkaufen und das Geld den Armen geben können.“ Zum Wert des Nardenöls: Ein Denar ist der Lohn eines Tages, 300 Denare sind ungefähr das Jahreseinkommen eines Arbeiters.
Auch Matthäus lokalisiert diese Salbung Jesu im Haus Simons des Aussätzigen: „Als Jesus in Betanien im Haus Simons des Aussätzigen war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll kostbarem Salböl zu ihm, als er bei Tisch war, und goss es über sein Haupt.“ Hier klagten die Jünger über „diese Verschwendung“: „Man hätte das Öl teuer verkaufen und das Geld den Armen geben können.“
Maria von Magdala im Lukasevangelium
Im Lukasevangelium spielt die Erzählung bei einem Pharisäer und die Frau wird ausdrücklich als „Sünderin“ bezeichnet. Laut dem Neutestamentler Jacob Kremer war sie eine „Dirne“, laut dem Neutestamentler Thomas Söding eine „notorische Sünderin“, für den australischen Neutestamentler Brendan Byrne ist sie eine „Frau mit dem zweifelhaften Ruf einer öffentlichen Sünderin“. Lukas erzählt: „Einer der Pharisäer hatte Jesus zum Essen eingeladen. Und er ging in das Haus des Pharisäers und begab sich zu Tisch. Und siehe, eine Frau, die in der Stadt lebte, eine Sünderin, erfuhr, dass er im Haus des Pharisäers zu Tisch war; da kam sie mit einem Alabastergefäß voll wohlriechendem Öl und trat von hinten an ihn heran zu seinen Füßen.
Dabei weinte sie und begann mit ihren Tränen seine Füße zu benetzen. Sie trocknete seine Füße mit den Haaren ihres Hauptes, küsste sie und salbte sie mit dem Öl. Als der Pharisäer, der ihn eingeladen hatte, das sah, sagte er zu sich selbst: Wenn dieser wirklich ein Prophet wäre, müsste er wissen, was das für eine Frau ist, die ihn berührt: dass sie eine Sünderin ist.“ Jesus erzählt dem Pharisäer ein kurzes Gleichnis zum Thema Vergebung der Sünden und resümiert über die Frau: „Deshalb sage ich dir: Ihr sind ihre vielen Sünden vergeben, weil sie viel geliebt hat. Wem aber nur wenig vergeben wird, der liebt wenig. Dann sagte er zu ihr: Deine Sünden sind dir vergeben. Da begannen die anderen Gäste bei sich selbst zu sagen: Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt?“ Die Szene der Salbung Jesu im Johannesevangelium spielt in Betanien. „Sechs Tage vor dem Paschafest kam Jesus nach Betanien, wo Lazarus war, den er von den Toten auferweckt hatte. Dort bereiteten sie ihm ein Mahl; Marta bediente und Lazarus war unter denen, die mit Jesus bei Tisch waren. Da nahm Maria ein Pfund echtes, kostbares Nardenöl, salbte Jesus die Füße und trocknete sie mit ihren Haaren. Das Haus wurde vom Duft des Öls erfüllt. Doch Judas Iskariot sagte: Warum hat man dieses Öl nicht für dreihundert Denare verkauft und den Erlös den Armen gegeben?“ Wieder kostbares Nardenöl – Wert: 300 Denare …
„Dabei weinte sie und begann mit ihren Tränen seine Füße zu benetzen.“
Lukas 7,38
Maria von Magdala: Die „Apostelin der Apostel“
Aus der Frau, die die Erstzeugin der Auferstehung Jesu war, wurde im Laufe der Jahrhunderte tragischerweise die Sünderin. Die erotisch stark aufgeladene Darstellung der schönen Sünderin hat allerdings nichts mit der biblischen Maria von Magdala zu tun. Im Auftrag von Papst Franziskus hat die Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung 2016 ein Dekret veröffentlicht, mit dem die Feier der heiligen Maria Magdalena in den Rang eines Festes erhoben wurde. „Die heilige Maria Magdalena ist das Beispiel einer wahren und authentischen Verkündigerin der Frohen Botschaft, einer Evangelistin, die die frohmachende, zentrale Botschaft von Ostern verkündet“, heißt es jetzt in der Messe vom 22. Juli, dem Fest der Heiligen. Und der Vatikan gestand 2016 auch ein: „Es ist wahr, dass die kirchliche Tradition im Westen, vor allem nach dem heiligen Gregor dem Großen, Maria Magdalena, die Frau, die das wohlriechende Öl im Hause Simons, des Pharisäers vergoss, und die Schwester von Lazarus und Marta in einer einzigen Person identifiziert. Diese Interpretation setzte sich fort und beeinflusste die westlichen Kirchenschriftsteller, die christliche Kunst und die liturgischen Texte, die sich auf die Heilige beziehen.“ Nach dem Zeugnis der Evangelien wurde, wie der Vatikan auch betonte, Maria Magdalena allerdings „zur Evangelistin, das heißt zur Botin, die die gute Nachricht von der Auferstehung des Herrn verkündet; ja sogar zur ,apostola apostolorum‘ (,Apostelin der Apostel‘), weil sie den Aposteln das verkündigt, was diese dann ihrerseits in der ganzen Welt verkünden werden.“

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