Das Authentische ist anschlussfähig
Prüller
Kürzlich las ich die Zusammenfassung (was man nie tun soll) eines Interviews mit dem deutschen Soziologen Detlef Pollack. Er wies auf etwas hin, was tatsächlich viel zu wenig beachtet wird: dass in vielen Weltgegenden die Bedeutung von Religion für die Menschen insgesamt sinkt. Das passiert zum Beispiel auch dem Buddhismus in Thailand oder dem Islam in vielen islamischen Ländern. Das heißt leider nicht, dass man aufhört, andere Religionen anzufeinden, sondern vor allem, dass heute Kinder seltener den Glauben ihrer Eltern in ihre Leben mitnehmen.
In zwei Fragen würde ich Pollack aber widersprechen. Er sagt, dass zuerst die Bedeutung der religiösen Praktiken abnehme, dann die Kirchenmitgliedschaft und der Glaube. Nach allem, was man zumindest in Europa im 19. Jahrhundert beobachten konnte, scheint es vorwiegend der Glaube – oder genauer genommen die wahrgenommene Wichtigkeit Gottes beziehungsweise der jenseitigen Welt – zu sein, der sich zuerst ausdünnt und verflüchtigt. Dann folgt die Praxis und zuletzt die Kirchenmitgliedschaft. Mir scheint das ein typisches Wohlstandsphänomen zu sein.
Und darum glaube ich Herrn Pollack auch nicht, dass die Kirche, wenn sie ihren Bedeutungsverlust nicht hinnehmen möchte, „mit der Zeit gehen“ muss. Ich verstehe schon, dass sich Soziologen um den gesellschaftlichen Beitrag der Kirchen sorgen und dass auch Bischöfe als Arbeitgeber ein Problem bekommen, wenn die Zahl der beitragsleistenden Mitglieder sinkt. Aber eine Kirche, die vor allem bedeutend und groß sein will, hört auf, die Kirche Christi zu sein. Was Not tut, ist, gute Christen zu sein. Dann sind wir authentisch – und wer heute nicht authentisch ist, hat ohnehin keine Chance. Also: nicht am Alten kleben, aber auch nicht am Derzeitigen!