Bergendes Licht, schrecklicher Glanz
Prüller
Mein Vater hat es oft erzählt: Als sein Bruder nach einem Autounfall im Sterben lag, hat er immer wieder über das große Leuchten gesprochen, das er in einer Nahtod-Erfahrung gesehen hatte: „Aber das Licht, das Licht ...!“ Mein Vater hat es dann wohl selber gesehen, als er im Augenblick seines Sterbens die Augen weit und staunend aufgemacht hat. Seine Augen haben „das Heil gesehen, das du vor allen Völkern bereitet hast, ein Licht, das die Heiden erleuchtet, und Herrlichkeit für dein Volk Israel ...“ stand dann in seinem Partetext.
So ist mir der Hymnus, der im Advent das Morgengebet der Kirche eröffnet, immer eine große Freude: „Hört, eine helle Stimme ruft und dringt durch Nacht und Finsternis ...“ Seit mindestens 1.500 Jahren wird dieser Hymnus („Vox clara ecce intonat“) schon gebetet, der vom großen Licht durchdrungen ist: Da leuchtet am Himmel Christus auf, es kommt „der Hoffnung lichte Zeit“, der Tag bricht an, ein „neuer Stern geht strahlend auf, vor dessen Schein das Dunkel flieht“.
Wenn sich die Zukunft für viele Menschen verdunkelt, ist die Botschaft vom Licht, das die Finsternis ein für alle Mal vertreibt, umso wichtiger. Allerdings warnt auch dieser Hymnus davor, dass der Glanz Gottes am Ende der Tage eine unvorbereitete Welt auch mit Schrecken schlagen könnte. Darum ist die Adventzeit nicht nur eine Zeit behaglichen Brauchtums, sondern eines beunruhigten Aufstehens vom Dämmerschlaf. Um der Verheißung fähig zu werden, die der uralte Hymnus nennt: dass Christus uns bei seiner Wiederkunft „liebend bei sich birgt“. Oder, wie Edith Stein es übersetzt hat: dass Christus „liebend dann uns Schirm und Hort“ sein wird. Diese Verheißung leuchtet schon jetzt in unsere Welt, selbst in LED-Lichterketten und Punschstand-Laternen.