Turbulenzen in der Militärdiözese
„Ein Reformprozess, der seit längerem läuft“
In einem Bericht der Tageszeitung „Kurier“ wurde kürzlich von „Turbulenzen“ in der Militärdiözese geschrieben. Wie turbulent es denn in der Militärdiözese sei, wollte der SONNTAG von Militärbischof Werner Freistetter wissen.
Hintergrund der Turbulenzen in der Militärdiözese
In einem Bericht der Tageszeitung „Kurier“ wurde von „Turbulenzen“ in der Militärdiözese geschrieben. Wie turbulent ist es denn in Ihrer Diözese?
Militärbischof Werner Freistetter: Es ist nicht turbulent. Die Konflikte, von denen im „Kurier“ die Rede ist, betreffen die oberste Leitungsebene und da nur die kirchenrechtliche Seite. Denn wir sind im Militär natürlich eingepasst als Diözese, und was sich da an Meinungsverschiedenheiten und Konflikten abgespielt hat, betraf die kirchlichen Angestellten und die kirchenrechtlich organisierte Leitungsebene. Das betraf also in keiner Weise das, was als Militärseelsorge im Bundesheer geschieht. Deshalb ist das Wort „Turbulenzen“ in der Militärdiözese ein bisschen zu weit gefasst.
Warum?
Wir haben seit längerem einen Reformprozess laufen und zwar in der kirchlichen Organisation und Verwaltung. Es hat begonnen kurz nach der Corona-Zeit, wo sich viele Neuerungen im Arbeitsrecht ergeben haben, ich nenne da als Beispiel das „Homeoffice“. Wir haben auch eine Unternehmensberatung beigezogen und die hat unsere zivilrechtliche und arbeitsrechtliche Situation überprüft, da wurde dann einiges erneuert. Es hat sich dann aber herausgestellt, dass diese Seite nicht genügt und wir haben uns dann auch unsere kirchenrechtliche Organisation vorgenommen und wir haben dazu einen Revisionsbericht der Kontrollstelle der Erzdiözese Wien angefordert. Der ist im vergangenen Jahr gekommen und den setzen wir jetzt um. Dazu kam, dass letztes Jahr auch neue Statuten vom Heiligen Stuhl für unsere Militärdiözese approbiert wurden, die alten stammten aus dem Jahr 1989. Hier war also einiges an Anpassung erforderlich.
Neuordnung der Finanzverwaltung der Militärdiözese?
In der Kirche sind Finanzangelegenheiten besonders heikel: Warum brauchte es eine Neuordnung der Finanzverwaltung der Militärdiözese?
Wir haben zwei Rechtskörper in der Militärdiözese. Einerseits die Militärdiözese mit einem öffentlich-rechtlichen Status und andererseits den „Bischöflichen Vermögensfonds“, der auch öffentlich-rechtlichen Status hat, und noch von Bischof Alfred Kostelecky begründet wurde mit eigenen Statuten. Ich habe das von meinem Vorgänger übernommen. Wir haben das jahrelang zusammen bearbeitet mit einem Vermögensverwaltungsrat. Im Revisionsbericht wurde die Empfehlung abgegeben - wegen einer klareren und transparenteren Organisation -, diese beiden Rechtskörper zu trennen. Es war kein Muss, es war eine Empfehlung. Ansonsten hat der Revisionsbericht keine Unregelmäßigkeiten festgestellt. Ich habe mich auch umgehört bei Kirchenrechtlern und Experten des kanonischen Rechts. Es sei sehr anzuraten, dass man diese beiden Rechtskörper trennt und jetzt haben wir diese Trennung organisatorisch durchgeführt, also für beide Bereiche je einen eigenen Vermögensverwaltungsrat geschaffen. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass es da verschiedene Überschneidungen in der Verwaltung gegeben hat.
Militärdiözese: Zwei Rekursverfahren in Rom
Es gibt in diesem Zusammenhang auch zwei Rekursverfahren in Rom. Was kann man sich darunter vorstellen?
Ein Rekursverfahren ist eine Eingabe beim Heiligen Stuhl gegen eine Entscheidung des Bischofs. Laut Kirchenrecht kann nur eine vorgesetzte Dienststelle, und beim Bischof ist es der Heilige Stuhl, ein vom Bischof erlassenes Dekret verändern, ergänzen, bestätigen oder aufheben. Wenn Mitarbeiter oder auch ehemalige Mitarbeiter meinen, dass ich rechtlich nicht richtig gehandelt habe, dann müssen sie sich an den Heiligen Stuhl wenden und das wird dann dort entschieden. Es ist ein gerade laufendes Verfahren, deshalb kann ich zum Inhalt nichts Genaueres sagen.
Kritik an Stil eines Mitarbeiters der Militärdiözese
Kritisiert wird der Stil eines Mitarbeiters …
Es geht da um eine Art und Weise sich auszudrücken, also um den Umgangston. Inzwischen konnte das bereinigt werden und ist im Grund genommen gelöst.
Warum es die Militärdiözese gibt
Warum gibt es überhaupt eine eigene Militärdiözese mit rund 20 Pfarren in ganz Österreich?
Dass es kirchenrechtlich ein eigenes Militärordinariat, Militärdiözese genannt, gibt, geht zurück auf Papst Johannes Paul II., der die Militärseelsorge in der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre neu geordnet hat. Damals gab es Vikariate: Der Normalfall war, dass ein Diözesanbischof das Militär mitbetreut hat. Der erste Militärvikar in Österreich war Kardinal Franz König. Papst Johannes Paul II. hat daraus eigene diözesanähnliche Organisationen gemacht, die im Normalfall einen eigenen Bischof haben sollten, außer in einer Nation legen bestimmte Umstände etwas anderes nahe. Die Konstitution heißt „Spirituali militum curae“ und da geht es um die Sorge der Kirche um die Soldaten in dieser besonderen Situation, in der sie stehen. Ich bin also der dritte Militärbischof in Österreich in dieser Rechtsform. Deshalb gibt es kirchenrechtlich das Militärordinariat, wir haben es in unseren Statuten Militärdiözese genannt. Rechtlich gesehen erfüllen wir einen staatlichen und einen kirchlichen Auftrag. Der staatliche Auftrag besteht darin, den Angehörigen des Bundesheeres und den Beamten des Ministeriums für Landesverteidigung das Recht auf Religionsausübung zu gewährleisten.
Staatlicherseits erfüllen wir also einen Auftrag im Dienst der Menschenrechte, also auf Religionsausübung im Rahmen des militärischen Dienstes. Kirchlicherseits haben wir eine lange Tradition, dass man Soldaten im Frieden und im Krieg so betreut, dass man als Militärseelsorger im Militär wirken kann. Deshalb gehören wir auch dem Bundesheer an. Im Mittelalter oder in der frühen Neuzeit wurde diese Betreuung oft durch Orden ausgeübt, die Kapuziner waren da sehr tätig. Eine richtige Militärseelsorge wurde schon durch Kaiserin Maria Theresia eingeführt, seit damals gibt es Militärseelsorge bis jetzt zur Zweiten Republik. In der Monarchie gab es fünf Organisationen für Militärseelsorge: katholisch, protestantisch, orthodox, muslimisch, jüdisch. Wir haben jetzt eine sechste dazubekommen: alevitisch.
Mit welchen Angeboten werden die Soldatinnen und Soldaten wie auch die zugehörigen Zivilpersonen seelsorglich betreut?
Es gibt eine kumulative Zuständigkeit des jeweiligen Diözesanbischofs und des Militärbischofs. Wenn jemand kirchlich heiraten oder sich taufen lassen will, und er gehört dem Bundesheer an, ist er immer auch Mitglied einer Zivildiözese. Er kann also zum Militärpfarrer gehen oder zu seinem Ortspfarrer. In der Militärseelsorge selbst gilt die Seelsorge insbesondere den Grundwehrdienern, aber auch den Kaderangehörigen. Rechtlich festgesetzt ist, dass wir bei den Grundwehrdienern im Monat eine Stunde haben für jede Kompanie, also für 100 bis 120 Soldaten. Für die Kaderangehörigen wird dieser Lebenskundliche Unterricht meistens zusammengefasst in Einkehrtagen oder Seminaren. Dieser Lebenskundliche Unterricht ist konfessionell organisiert, die jeweiligen Soldaten sind verpflichtet, an diesem Lebenskundlichen Unterricht teilzunehmen. Das ist so ähnlich wie in der Schule. Die erste Stunde ist verpflichtend und dann kann man sich abmelden. Meistens wird ein Ersatzdienst angeordnet, was dann in der Praxis bedeutet, dass die meisten doch lieber dem Militärseelsorger zuhören. Die Themenpalette ist abhängig vom Seelsorger, es werden Lebensfragen behandelt, auch Gewissensfragen, und es wird kirchliche Lehre gebracht. In den Kirchen, die wir in manchen Garnisonen haben, bieten wir auch einen Sonntagsgottesdienst an. Und auch Taufen, Hochzeiten, Begräbnisse. Sehr gerne angenommen werden die Möglichkeiten für die Firmung. Generell schaut der Militärseelsorger, dass er die ihm Anvertrauten gut kennt, ihre Sorgen, die Situation in beruflicher Hinsicht, und als Gesprächspartner und Begleiter in schwierigen Situationen bereitsteht.
Etwa auch bei den Auslandseinsätzen?
Ich selber war am Golan, in Bosnien, im Kosovo und im Libanon als Militärseelsorger tätig. Das ist eine besondere Situation, denn da ist man in einem Konfliktgebiet, sehr oft können die Soldaten aus dem Camp nicht raus, da lebt der Seelsorger mit den Soldaten mit. Das ist wichtig: Ein Militärseelsorger muss mit den Soldaten mitleben. Da ergeben sich dann oft auch Anknüpfungspunkte für die Seelsorge.
Lehrtätigkeit der Militärpfarrer
Die rund 20 Militärpfarrer in Österreich üben auch eine sogenannte „Lehrtätigkeit in berufsethischen Belangen“ aus. Was dürfen wir uns darunter vorstellen?
Das machen nicht alle, aber im Lebenskundlichen Unterricht werden auch militärethische Fragen angesprochen. Schon sehr lange sind wir in der berufsethischen Ausbildung der Akademie der Unteroffiziere engagiert und auch auf der Militärakademie bei der Ausbildung der Offiziere. Hier sind die Militärseelsorger besonders gefragt.
Ein Leuchtturmprojekt ist die bekannte und beliebte Internationale Soldatenwallfahrt nach Lourdes. Sie sind jedes Mal dabei, was fasziniert Sie an dieser Wallfahrt?
Mein Vater war Offizier und hat schon damals an der Internationalen Soldatenwallfahrt teilgenommen und dann zehn Jahre lang diese Wallfahrt mitgestaltet. Diese Wallfahrt ist deswegen faszinierend, weil sie in den 1950er-Jahren aus einer Versöhnungswallfahrt zwischen französischen und deutschen Soldaten heraus entstand. 2008 haben wir die fünfzigste internationale Militärwallfahrt nach Lourdes durchgeführt. Wir sind als österreichische Soldaten von Anfang an dabei gewesen. Meist kommen zwischen 13.000 und 15.000 Soldaten, aus Österreich zwischen 300 und 500. Letzthin nahmen über 40 Nationen teil. Lourdes selbst ist ein „Kraftort“, diese Soldatenwallfahrt ist eines unserer wichtigsten pastoralen Projekte.
Friedensarbeit in der Militärdiözese
Also ein Stück Friedensarbeit?
Ja. So erleben es die Soldatinnen und Soldaten immer wieder unter dem Aspekt internationale Verständigung, internationales Zusammensein im Wirken für den Frieden. Gerade als österreichische Soldatinnen und Soldaten haben wir sehr viele Beiträge und Einsätze geleistet für friedenserhaltende Maßnahmen im Auftrag der Vereinten Nationen.
Manche meinen: „Die Militärdiözese braucht Ruhe, wir wollen pastoral arbeiten!“ Wie lange dauert es, bis Ruhe einkehrt?
Ich kann versichern, dass wir bereits jetzt diesen Zustand haben. Viele dieser Konflikte konnten gelöst werden. Manche, die mit diesen Veränderungen nicht einverstanden waren, haben andere Posten gefunden. So waren wir in den letzten Jahren etwa in der Öffentlichkeitsarbeit immer wieder mit Wechseln konfrontiert, für diese Mitarbeiter war dies oft mit einer beruflichen Verbesserung verbunden.
Bleibt noch offen, worauf manche künftig in der Militärdiözese hoffen. Es soll Ruhe einkehren, damit die Seelsorge für die Soldatinnen und Soldaten und Angestellten gut weitergehen kann. Denn eines ist unbestritten: Die Militärseelsorge holt Menschen ab, wo sie sonst nicht mehr erreicht werden. Das ist eine nicht hoch genug zu schätzende Aufgabe. Sie sollte nicht durch Interna gefährdet werden.