Muss das sein?
Hirtenhund
Wenn man der Bibel folgt, ist eigentlich alles OK. Schließlich hat Jesus die Händler aus dem Tempel gejagt. Doch ihre Rache sollte süß sein – süß wie klebriger Punsch, der aktuell bereits bei frühlingshaften Temperaturen über den Stephansplatz schwappt. An Spekulatius und Lebkuchen kurz nach den Sommerferien haben wir uns ja schon gewöhnt, aber der heurige Beginn des Adventmarktes am Stephansplatz hat selbst hartgesottene Domherren aus der Fassung gebracht. So wie Michael Landau. Der frühere Caritas-Präsident echauffierte sich via Facebook: „Dass die Adventmärkte derart früh öffnen, finde ich ärgerlich – das gilt auch für den Stephansplatz! Muss das wirklich alles vor dem 15. November sein?!“
Auch bei anderen Dingen darf man die Landausche Frage wohl stellen: Muss das sein? So etwa angesichts des mit „medienwirksam“ fast untertrieben beschriebenen PR-Gags, zu dem sich Dompfarrer Toni Faber hat hinreißen lassen. Auf Einladung des südkoreanischen Automobilherstellers KIA tourte Faber sieben Stunden mit einem grauen Elektrovan mit Kreuzzeichen und der Aufschrift „Der mobile Beichtstuhl mit Toni Faber“ durch Wien. Natürlich nur für die gute Sache, also die Bewerbung der Beichte, wie er in die dutzenden Kameras und Stenoblöcke der wie zufällig am Stephansplatz versammelten Journalisten diktierte. Außerdem, hey, es ist ein Elektroauto! – Also Umweltschutz. Er selber nutze ja für den Weg zur Arbeit die Öffis, sagte Faber dem „Kurier“. Das ließ mich aufhorchen – ich wusste gar nicht, dass vom Curhaus rüber zum Dom eine U-Bahn oder Bim fährt …
Eine „Heute“-Reporterin machte die Probe aufs Exempel und nahm mit laufender Kamera im Van Platz – auf dem Bei(cht)-stelltischlein und den Stühlchen ein KIA-Logo. „Pater, vergeben Sie mir, ich bin noch nie in einem Kia gesessen.“ Cut. Händedruck zum Abschied. Und die Worte „Jetzt geht es mir schon deutlich besser.“ Ist das wirklich die Art von Publicity, die wir wollen? Tragen wir damit nicht all das zu Grabe, was Seelsorge eigentlich sein will? Den Toni ficht das vermutlich nicht an. Der Erfolg gibt bekanntlich Recht. Und wenn ein Besucher nachher ins Mikro sagte, von der Kirche sei er „sehr enttäuscht“, aber die Bibel und Toni finde er „super und besonders“ – was soll man da noch sagen?
Toni hat übrigens eröffnet, er spreche laufend mit Menschen, die ihm ihre Sorgen erzählten. Quasi Beichte to go. „Auch wenn ich privat in ein Lokal gehe.“ Ich sehe bereits die nächste Kampagne: „Die Beisl-Beichte. Hochprozentig ins Himmelreich“, präsentiert von den Wiener Wirten. Vielleicht im Duett mit Michael Häupl? Man reiche mir den Spritzwein. Oder Glühwein. Muss sein.
P.S.: Als Hund bin ich ja kein Unmensch. Daher muss ich einräumen, dass Toni Faber die Aktion natürlich nutzte, um auf die Beicht- und Aussprachemöglichkeit im Wiener Stephansdom aufmerksam zu machen, wo täglich von 7:00 bis 22:00 Uhr Seelsorger im Einsatz sind, um die Beichte abzunehmen!