Juliana von Norwich
Gottes Liebe lässt nicht nach
Alles wird gut sein und alle werden gut sein, und aller Art Dinge wird gut sein“, lautet das wohl bekannteste Zitat der englischen Mystikerin Juliana von Norwich, die im 14. Jahrhundert im Osten Englands lebte und wirkte. In der jüngeren Vergangenheit begeisterten sich gleich zwei Päpste für sie – Papst Benedikt XVI. und Papst Franziskus. Wer war die außergewöhnliche Christin und woher nahm sie ihren unerschütterlichen Optimismus?
Gottes Liebe hilft in schweren Zeiten
Über das Leben der Juliana von Norwich ist nur wenig bekannt. Die meisten Informationen dazu stammen aus ihrem Buch „Offenbarungen der göttlichen Liebe“, in dem sie den Inhalt ihrer Visionen zusammengefasst hat. Bekannt ist, dass sie etwa von 1342 bis ca. 1413 lebte.
Diese waren laut Papst Benedikt XVI "schwierige Jahre sowohl für die Kirche, die gespalten war durch das Schisma, das auf die Rückkehr des Papstes von Avignon nach Rom folgte, als auch für das Leben der Menschen, das unter den Auswirkungen eines langen Krieges zwischen dem englischen und dem französischen Königreich litt."
Des Weiteren betonte Benedikt XVI: „Auch in schweren Zeiten erweckt Gott jedoch stets Gestalten wie Juliana von Norwich, um die Menschen zum Frieden, zur Liebe und zur Freude aufzufordern.“
Entstehung der "Offenbarungen der Göttlichen Liebe"
Mit 30 Jahren erkrankte Juliana von Norwich schwer und beschloss, ihr Leben in einer Zelle wahrscheinlich bei der Kirche St. Julian in Norwich als Reklusin zurückgezogen und eingeschlossen zu verbringen. In ihrer selbstgewählten Isolation erhielt sie 16 Offenbarungen über das Leben Jesu und die Heilige Dreifaltigkeit, die sie 20 Jahre später in ihren „Offenbarungen der Göttlichen Liebe“ niederschrieb. Es handelt sich dabei um das älteste englischsprachige Buch einer Frau. Ihre Schriften hatten großen Einfluss auf ihre von Seuchen und Katastrophen geprägte Zeit und machten vielen Menschen Mut.
In einer von Gott bewohnten Einsamkeit
Juliana lebte von nun an in einer „von Gott bewohnten Einsamkeit“. Papst Benedikt XVI.: „In dieser Nähe zum Herrn reifte in ihr auch die Fähigkeit heran, für viele Menschen Ratgeberin zu sein und denen zu helfen, die sich in diesem Leben in Schwierigkeiten befanden.“ Sie wurde zu einer gefragten Beraterin.
Julianas Buch enthält eine optimistische Botschaft, die auf der Gewissheit gründet, von Gott geliebt und von seiner Vorsehung geschützt zu sein.
Ein Zitat daraus:
„Ich sah mit absoluter Gewissheit …, dass Gott, noch bevor er uns erschaffen hat, uns geliebt hat, mit einer Liebe, die niemals nachgelassen hat und nie vergehen wird. In dieser Liebe hat er all seine Werke vollbracht, und in dieser Liebe hat er dafür gesorgt, dass alle Dinge uns nützlich sind, und in dieser Liebe währt unser Leben für immer … In dieser Liebe haben wir unseren Anfang, und all das werden wir ohne Ende in Gott schauen.“
(Juliana von Norwich)
Die Liebe Gottes ist unendlich
Das Thema der göttlichen Liebe kehrt in den Visionen der Juliana von Norwich immer wieder. „Das ist eine der Botschaften, die für ihre mystische Theologie sehr bezeichnend sind. Die Zärtlichkeit, die Fürsorge und die sanfte Güte Gottes uns gegenüber sind so groß, dass sie uns Erdenpilger an die Liebe einer Mutter zu ihren Kindern erinnern“, deutete Papst Benedikt.
Julianas Botschaft bleibt bestehen
An die bleibende Bedeutung der Juliana von Norwich hat auch Papst Franziskus im Mai 2023 erinnert. In einem Schreiben an die Diözese East Anglia zum 650. Jahrestag der Offenbarungen an die spätmittelalterliche Reklusin würdigte er deren „tiefe Bedeutung für die christliche Tradition“. Julianas Lebenszeugnis erfahre heute zunehmend Anerkennung, zudem habe die von ihr übermittelte Botschaft der Barmherzigkeit und des Mitgefühls Gottes „auch für die heutige Welt nichts an Aktualität verloren“.