Jedes Krönchen gibt ein Tönchen
Hirtenhund
Seit über vier Jahren darf ich an dieser Stelle knurren, kuscheln, mein Haxl heben. 100 Kolumnen später habe ich Mitte 2023 eine Zwischenbilanz gezogen und meinem Zweifel am damals Fahrt aufnehmenden synodalen Prozess Ausdruck verliehen. Heute, mit Kolumne Nummer 200, wird Synodalität gern im Mund geführt, aber – um im Bild zu bleiben – dabei so kräftig eingewässert, dass selbst das abgelegenste Reförmchen, selbst die simpelste Aussprache im Pfarrgemeinderat als „Akt gelebter Synodalität“ durchgeht.
Bereits 200 Kolumnen im SONNTAG
Tatsächlich habe ich rückblickend auf die letzten 100 Kolumnen vielfach Bischöfe erlebt, die im Schatten der schelmischen Unberechenbarkeit von Franziskus noch müder und unbeweglicher wirkten als ohnehin schon. Die alles toll fanden, was „von oben“ kam, aber nur selten reformerischen Mut „von unten“ zeigten. Das erfordert ein gewisses Maß an gestalterischer Freiheit. Eine Freiheit, die – das muss eingeräumt werden – im Ringen um den Fortbetrieb von komplexen Gebilden wie Diözesen nur selten gegeben ist. Der SEO-Bischof von heute ist auch nur ein armer Hund, der den Laden in Schwung halten soll, während dieser zugleich an „Incontinentia Credentium“ leidet – an Gläubigenschwund.
Die jüngste, zur „Wertestudie“ hochgejazzte OGM-Umfrage hat dies nur nochmal bestätigt: Das Christentum ist für die Mehrheit nur noch ein Stück kulturellen Erbes. Als solches aber – also als Osterschinken, Weihnachtsbaum und Kreuz in Klassenzimmern – gern gesehen. Kulturklimbim von der christlichen Resterampe. Aber nüchtern betrachtet entpuppt sich die „Wertestudie“ als ebensolches Politklimbim mit einem nachrichtlichen Wert nahe jenem von „Elch Emil“. Denn Werte lassen sich nicht „abfragen“. Werte sind ein komplexes Gemisch aus Grundhaltungen, die je nach Situation mal wichtiger, mal weniger wichtig im alltäglichen Leben sind. Umfragen indes sind nur punktuelle Abfragen spontaner Emotion. Aber bischöflich hat man diese Gruppe eh bereits abgeschrieben – denn eigentlich freut man sich über die 100-Prozent-Christen, die geistlichen Gemeinschaften mit ihren vor Berufungseifer lichterloh Brennenden. Auch wenn man mit deren vergleichsweise geringer Zahl weder diözesane Betriebe noch Pfarren in Gang halten kann.
Und Leo? Der spielt nach 100 Tagen im Amt derzeit gern Tischtennis, wie ich lese. Ein idealer Sport für einen Pontifex, denn er verlangt höchste Konzentration, Schnelligkeit, Spielwitz und fördert die Kreativität. Insofern ist er vielleicht genau der Richtige zur richtigen Zeit am richtigen Ort. So wie – Achtung, Krönchen auf – ich vielleicht auch.