Herrscherin zwischen Tradition und Umbruch

Interview mit Hannes Etzlstorfer
Ausgabe Nr. 49
  • Kunst und Kultur
Autor:
Geschichte ist keineswegs trocken – schon gar nicht bei Hannes Etzlstorfer, hier zwischen Büchern und barocken Köstlichkeiten.
Geschichte ist keineswegs trocken – schon gar nicht bei Hannes Etzlstorfer, hier zwischen Büchern und barocken Köstlichkeiten. ©Agathe Lauber-Gansterer

Kaiserin Maria Theresia verstand Frömmigkeit nicht als Privatsache, sondern als Herrschertugend und politisches Programm. Hannes Etzlstorfer, einer der profiliertesten Kenner des Hauses Habsburg, macht die „Pietas Austriaca“, die spezifisch habsburgische Frömmigkeit, für heute verständlich.

Wer sagt, dass Geschichtsforschung trocken sein muss? Bei Historiker Hannes Etzlstorfer beginnt sie mit Krapfen, Guglhupf und goldglänzendem Kaffeeservice. „Frühstück à la Maria Theresia“, nennt er es augenzwinkernd und serviert mir dazu in seinem Wiener Atelier Himbeerrahmcreme und (zu den Krapfen) Marzipan und Schokosauce – genau wie die Kaiserin es liebte. Zwischen barocken Köstlichkeiten und Bücherwänden plaudern wir über eine andere Leidenschaft der Monarchin: ihren katholischen Glauben.

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Neues Buch über Maria Theresia

Hannes Etzlstorfer zählt zu den profiliertesten Kennern der Habsburger-Geschichte. Der promovierte Kunst- und Kulturhistoriker hat über 60 Ausstellungen konzipiert und zahlreiche Bücher veröffentlicht, in denen er die private und politische Welt der Monarchen lebendig werden lässt. In seinem Werk „Maria Theresia. Kinder, Kirche & Korsett“ zeigt er, wie eng Macht und Frömmigkeit im Leben der Kaiserin verwoben waren – und macht damit die „Pietas Austriaca“ für heutige Leser verständlich.
 

Religion war für Maria Theresia nicht nur von privater Natur

Unter „Pietas Austriaca“ verstehe man die barocke Frömmigkeit der habsburgischen Dynastie, die ihre Herrschaft als gottgewollt ansah und sich in der Verehrung der Eucharistie, der Heiligen, Mariens und der Dreifaltigkeit ausdrückte. „Maria Theresia war zutiefst überzeugt, dass Gott dem Haus Habsburg eine Mission übertragen hat“, erklärt Etzlstorfer. „Diese Vorstellung war Kern der Pietas Austriaca: Frömmigkeit als Herrschertugend, die nicht nur privat gelebt, sondern öffentlich demonstriert werden musste.“ Für die Herrscherin war Religion nicht privater Natur, sondern vor allem auch politisches Programm. „Ohne Religion keine guten Sitten und ohne gute Sitten weder Glück noch Ruhe“, schrieb die eifrige Briefschreiberin einmal an ihre Tochter Marie Karoline.

Der Alltag von Maria Theresia

Wie sah das im Alltag der Kaiserin aus? „Maria Theresia begann jeden Tag mit Gebet und geistlicher Lesung und sie besuchte oft mehrmals täglich die Heilige Messe“, erzählt der Historiker. „Sie hielt unbeirrbar an ihren katholischen Grundsätzen fest – bis an ihr Lebensende.“ Es war ihr besonders wichtig, diese Glaubenshaltung an ihre Söhne und Töchter weiterzugeben. Ihre Briefe an die Kinder sind voll von Ermahnungen, Morgengebete, tägliche Messe, regelmäßiges Beichten nicht zu vergessen.  Hannes Etzlstorfer schildert: „Wir müssen auch bedenken: Maria Theresia brachte 16 Kinder glücklich zur Welt – in der damaligen Zeit war das keine Selbstverständlichkeit. Setzten die Wehen ein, wurde in der Hofkapelle das Allerheiligste ausgesetzt, und der Kaiser samt Hofstaat musste für eine glückliche Geburt beten.“ So tief die Herrscherin auch im positiven Sinn im katholischen Glauben verwurzelt war, so intolerant konnte sie gegenüber Andersgläubigen sein. 1744 ließ sie die Juden aus Prag vertreiben, Protestanten hatten es in ihrem Reich schwer. „Das war kein persönlicher Hass, sondern Ausdruck ihres Pflichtbewusstseins: Sie sah sich als Verteidigerin des wahren Glaubens.“ Diese Haltung führte später zum Konflikt mit ihrem Sohn Joseph II., dem „Toleranzkaiser“. „Die Toleranz, der Indifferentismus sind gerade das richtige Mittel, um alles zu untergraben“, warnte sie ihn 1777 in einem Brief.
 

Religion als Fundament von Staat und Gesellschaft

Für Maria Theresia war Religion das Fundament von Staat und Gesellschaft. „Sie glaubte, dass ohne festen Kult und Unterwerfung unter die Kirche Chaos und Unruhe folgen würden“, fasst Etzlstorfer zusammen. „Das erklärt ihre Angst vor der Aufklärung und ihre Abneigung gegen Philosophen wie Voltaire.“ In einem Brief an ihren Sohn Ferdinand schrieb sie: „Es ist besser, zu viel als zu wenig Gefühl zu haben – nicht aber durch die Philosophie, die doch weiter nichts darstellt als eine überfeinerte Eigenliebe.“
 

Maria Theresia: Die Kaiserin zwischen den Fronten

Als Maria Theresia 1780 starb, war die Welt im Wandel. Die Aufklärung drängte, ihr Sohn bereitete das Toleranzedikt vor. „Die Kaiserin stand zwischen den Fronten. Sie verkörperte die letzte große Blüte barocker Frömmigkeit – und spürte zugleich, dass ihre Ordnung zerbricht.“ Ihr letzter Brief an die Kinder klingt wie ein Vermächtnis: „Es tröstet mich nur, daß Ihr ordentliche Christen und rechtschaffene Menschen seid.“

Autor:
  • Agathe Lauber-Gansterer
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