Herrlicher Thriller im Herbstlicht
Kinotipp
Michelle (Hélène Vincent) ist eine eifrige Kirchgängerin. Das Evangelium über die Sünderin, der viel vergeben wird, weil sie viel geliebt hat, berührt sie ganz besonders. In ihrem kleinen Haus auf dem Land führt sie ein beschauliches Leben zwischen Gartenarbeit, Kochen, Backen und einer tiefen Sehnsucht nach familiärer Nähe. Fast täglich trifft sie ihre beste Freundin Marie-Claude (Josiane Balasko).
Gift im Thriller
Als Michelles Tochter Valérie (Ludivine Sagnier) mit dem Enkel Lucas aus Paris zu Besuch kommt, nimmt ein scheinbar harmloses Pilzgericht eine dramatische Wendung: Valérie landet im Krankenhaus und beschuldigt ihre Mutter der Vergiftung. Der Kontakt zu Enkel Lucas wird Michelle daraufhin untersagt – ein Bruch, der sie zutiefst schmerzt.
Thriller mit leuchtenden Bildern
François Ozon inszeniert „Wenn der Herbst naht“ als raffinierten Thriller in herbstlich leuchtenden Bildern. Was als idyllisches Pilzesammeln von Michelle und Marie-Claude beginnt, entwickelt sich zu einem komplexen moralischen Dilemma, das sich behutsam entfaltet. Die Handlung wird durch Ellipsen strukturiert – ausgesparte Szenen, die der Zuschauer durch Andeutungen rekonstruieren muss. Missverständnisse und unausgesprochene Wahrheiten zwischen den Figuren erzeugen subtile Komik, zu der vor allem Vincent (Pierre Lottin), Marie-Claudes gerade aus dem Gefängnis entlassener Sohn, beiträgt. Auch die beiden Rentnerinnen haben eine dunkle Vergangenheit – mehr sei nicht verraten.
Thriller als feinstes französisches Kino
Mit Hélène Vincent in der Hauptrolle gelingt Ozon ein kleines Meisterwerk. Die 81-jährige Schauspielerin verkörpert Michelle mit einer Mischung aus Wärme, Verletzlichkeit und innerer Stärke. Allein ihre Schauspielkunst macht den Besuch dieses Films lohnenswert – feinstes französisches Kino.