Hart an der Grenze

Meinung
Ausgabe Nr. 37
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Klaus Schwertner ist seit Februar 2023 Caritasdirektor der Caritas der Erzdiözese Wien.
Klaus Schwertner ist seit Februar 2023 Caritasdirektor der Caritas der Erzdiözese Wien. Beim Thema Migration plädiert Schwertner für eine nüchternere Debatte. ©Johannes Hloch
Bei der Füreinand-Roadshow sucht die Caritas Wien das Gespräch mit Menschen für ein besseres Miteinander.
Bei der Füreinand-Roadshow sucht die Caritas Wien das Gespräch mit Menschen für ein besseres Miteinander. ©Caritas

Ein Plädoyer für eine nüchterne Asyl- und Migrationsdebatte in aufgeregten Zeiten. Ein Gastkommentar von Klaus Schwertner.

Die Wahlen sind noch nicht geschlagen, doch wenn es um die Themen Asyl und Migration geht, regiert schon jetzt die neue Härte. Nicht nur in Österreich, sondern in vielen Ländern Europas und der Welt hat sich der Ton, mit dem über Asyl und Migration gesprochen wird, radikal verschärft. Vor dem Hintergrund des furchtbaren islamistischen Terrorangriffs in Solingen, den gescheiterten Attentaten auf Taylor-Swift-Konzerte in Wien, aber auch vor dem Hintergrund eines zunehmenden Rechtsextremismus in der Gesellschaft und von Wahlerfolgen populistischer Parteien verwundert es nicht, dass es uns allen und dass es Politikerinnen und Politikern der Mitte zunehmend schwerer fällt, eine wichtige Debatte mit kühlem Kopf und Sachverstand zu führen. Was steht also an, wenn wir von Asyl und Migration reden?

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Migration: Faire Verfahren und Integration von Anfang an

Fest steht: Nicht alle Menschen, die Asyl in Österreich beantragen, werden auch Asyl erhalten. Das heißt, es braucht auch rasche Lösungen für Menschen, die keine Bleibeperspektiven haben. Wir benötigen rasche und faire Asylverfahren. Eine existenzsichernde Grundversorgung muss Integration ab dem ersten Tag zur Normalität werden lassen, damit Menschen, die bei uns Schutz suchen, nicht zum Nichtstun verdammt sind. Sie brauchen raschen Zugang zu qualitätsvollen Deutschkursen, Bildung und Berufsqualifizierung, rasche Anerkennung oder Ergänzung der im Herkunftsland erworbenen Berufe sowie Zugang zum Arbeitsmarkt. All diese Maßnahmen wären nicht nur im Interesse der Betroffenen selbst, sondern auch im Interesse der Gesellschaft insgesamt. Sie sind nicht nur sozial, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Und wenn es um Zuwanderung geht? Gerade Kriegsvertriebene aus der Ukraine haben gezeigt, dass viele Schutzsuchende Qualifikationen mitbringen, die in unserer Gesellschaft dringend benötigt werden. Wenn wir also wollen, dass unsere Eltern und Großeltern auch künftig noch gepflegt werden, wenn wir dem Arbeitskräftemangel in den unterschiedlichsten Branchen begegnen wollen, sollten wir den Zugang zum Arbeitsmarkt für qualifizierte Fachkräfte aus Drittstaaten weiter erleichtern – gezielt und gesteuert, aber auch mit offenen Armen und offenen Herzen.

Die Grenzen der Toleranz

Nicht zuletzt müssen wir uns weiter gegen Rassismus, Extremismus und Diskriminierung starkmachen. Dass es Rechte und Pflichten für alle gibt, steht außer Streit. Dass Gesetze ausnahmslos für alle gelten, ist Basis unseres Rechtsstaates. Klar ist auch: Unsere Toleranz endet da, wo sie missbraucht und gegen unseren liberalen Rechtsstaat selbst gerichtet wird - gegen Werte, die uns wichtig sind: Die Gleichstellung von Mann und Frau, die Freiheit zu lieben und zu glauben, wen und an wen man möchte. Die Fragen, um die es in diesen Tagen geht, sind grundsätzliche: Wie wollen wir als Land und Kontinent Asyl und Zuwanderung künftig gestalten? Wie kann es uns mit Blick auf die tausenden Toten im Mittelmeer gelingen, nicht nur EU-Außengrenzen, sondern auch Menschenleben zu schützen? Wollen wir auch künftig ein Land sein, das Verantwortung nicht abschiebt und sich zu seinen (völker-) rechtlichen Verpflichtungen bekennt? Wir sollten die Antworten auf diese Fragen nicht den Populisten und Extremisten überlassen, sondern sie selbstbewusst und nicht naiv selbst geben. Papst Franziskus warnte immer und immer wieder vor einer Globalisierung der Gleichgültigkeit. Und er hat recht: Die Not der Menschen geht uns immer etwas an, wir tragen als Menschen einfach Verantwortung füreinander. 

Der Kommentar drückt die persönliche Meinung des Autors aus.

Klaus Schwertner ist seit Februar 2023 Caritasdirektor der Caritas der Erzdiözese Wien.

Zur Person

Klaus Schwertner, Direktor der Caritas Wien & Ost.

Klaus Schwertner studierte an der IMC Fachhochschule Krems Gesundheitsmanagement. Nach seinem Studium leitete er bei der NÖ Landeskliniken-Holding den Bereich PR & Kommunikation und war in dieser Funktion Pressesprecher der 27 niederösterreichischen Spitäler. Von 2008 bis 2013 war Klaus Schwertner Pressesprecher der Caritas Erzdiözese Wien. 2010 initiierte er die gemeinsame Initiative "Gegen-Unrecht: Kinder gehören nicht ins Gefängnis". Im März 2013 wurde Klaus Schwertner Geschäftsführer und mit Februar 2023 Caritasdirektor der Caritas der Erzdiözese Wien.

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