Keine Großen, aber Großes geleistet

Die wichtigste Dynastie der Welt
Ausgabe Nr. 49
  • History
Autor:
Roman Sandgruber ist emeritierter Universitäts­professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Johannes-Kepler-Universität Linz.
Roman Sandgruber ist emeritierter Universitäts­professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Johannes-Kepler-Universität Linz. ©Molden Verlag

„Habsburg“ – ein schlichter Buchtitel mit dem pompösen Untertitel: „Die wichtigste Dynastie der Welt“. 750 Jahren prägten die Habsburger die Weltgeschichte. Der Linzer Historiker Roman Sandgruber gibt in einem Buch eine populärwissenschaftliche Übersicht über die wichtigsten Stationen des Hauses Österreich.

Wie sind die Habsburger zu beurteilen? Der 78-jährige Roman Sandgruber hat sich eine umfassende Aufgabe gestellt. Er ordnet die Politik der einstigen Dynastie von Weltrang ein.

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Der Schatz der Habsburger

Herr Professor Sandgruber, wir schauen zumeist an den Beginn, um eine aktuelle Situation zu beschreiben. Heute muss ich umgekehrt beginnen. Der gelbe Florentiner ist Teil eines jetzt bekannt gewordenen Schatzes der Habsburger. Sie haben in Ihrem Buch, das vor dem Bekanntwerden über den Verbleib der Juwelen geschrieben worden ist, zweifelsfrei festgestellt, dass die Steine zerlegt und zu Geld gemacht wurden. Auf welche Quellen haben Sie sich berufen? 

Roman Sandgruber: Ja, das sind die Aussagen in verschiedenen Gerichts­prozessen, die zwischen den beiden Weltkriegen geführt wurden. Und da war die allgemeine Aussage, diese Juwelen seien entweder gestohlen worden oder seien von betrügerischen Akteuren zerlegt worden, herausgebrochen worden und der berühmte Florentiner sei in drei Teile gespalten worden. Das war der Stand der Wissenschaft bis vor wenigen Wochen. Ich als Autor bin natürlich auch froh über die plötzliche Aktualität und Popularität, obwohl ich natürlich einen Fehler in meinem Buch korrigieren müsste. Die Wissenschaft lebt davon, dass es immer wieder neues Wissen gibt und dass man eben älteres Wissen korrigieren muss. Es soll ja Fortschritt geben. Und was kann besseres passieren, als wenn verloren Geglaubtes plötzlich wieder da ist? 
 

Habsburger: Die wichtigste Dynastie der Welt?

Warum sind die Habsburger für Sie die wichtigste Dynastie der Welt? 

Eine Familie, die an der Macht war oder ist, ist eine Dynastie. Ich gebe schon zu, die wichtigste ist ein bisschen kühn, aber man kann es begründen. Es gibt wenige, die so lange an der Macht waren. Unter den Habsburgern gibt es zwanzig römisch-deutsche Könige und Kaiser seit Karl dem Großen. Das ist  fast die Hälfte im Zeitraum von 800 bis 1806. 
 

Die Habsburger und der Glaube

Die Habsburger haben sich klar zum katholischen Glauben bekannt. Waren sie wirklich so fromm oder war das ein schlaues politisches Kalkül?

Es war beides. Es hat erstens Habsburger gegeben, die wirklich ihren Glauben gelebt haben und vor allem auch sehr viele Habsburgerinnen, die das sehr streng befolgt haben. Es war natürlich auch immer ein politisches Bekenntnis. Die Macht der deutschen Könige hat sich sehr stark auf Bischöfe gestützt. Und drittens haben sie natürlich auch immer wieder ihre Zweifel gehabt. Karl V. hat knapp vor seiner Abdankung Luthers Grab besucht und gesagt: „Vielleicht hat Luther doch recht gehabt in manchen Bereichen?“ 

„Es war ein Glücksspiel. Man setzt auf Hochzeiten und Erbfolgen.“

Die Großen unter den Habsburgern

Keiner der Herrscher hat den Beinamen der oder die Große bekommen. Es gibt aber einige, die bis heute Österreich prägen. Der erste ist Rudolf, der 1273 zum deutschen König gewählt wurde. 

Rudolf von Habsburg war eine beeindruckende Persönlichkeit und hat viele für seine persönliche Gefolgschaft gewinnen können. Er war ein Haudegen. Das hat ihn auch für die Kurfürsten als befugt erscheinen lassen, im Reich wieder geordnete Verhältnisse und Frieden zu schaffen. 
 

Der zweite Große unter den Habsburgern ist in meinen Augen Rudolf der Stifter. Er war ein genialer Politiker, der sogar mit einer Fälschung durchgekommen ist. 

Die Habsburger verdanken ihm den Titel Erzherzog. Österreich verdankt ihm die Erwerbung Tirols und die Wiener verdanken ihm natürlich, dass der Stephansdom sozusagen zu der Kathedrale geworden ist, die wir heute kennen. Rudolf IV. hat das in sieben Jahren geschafft. 
 

Eine Hochzeit als Glücksspiel

Welche Bedeutung hatten die durchdachten Verheiratungen Kaiser Maximilians I.? 

Es war ein Glücksspiel. Man setzt auf Hochzeiten und Erbfolgen und man weiß ja nicht, wer dann das große Los zieht. Es ist auch nicht alles politisch gelungen, Maximilian hat sogar überlegt, wie er Papst werden könnte. Aber er war ein charmanter Mensch. Überall hat er zuerst einmal den Wein gelobt oder das gute Bier und hat dann mit den Leuten auch getrunken. Heilig war er sicherlich nicht, wie auch seine Tochter geschrieben hat. 
 

Maria Theresia: Hartnäckig und standfest

Stichwort Tochter. Verstehen Sie, wie Maria Theresia vierzig Jahre regieren konnte und dabei sechzehn Geburten überstand und zur Landesmutter wurde? 

Sie hat eine bewundernswerte körperliche Konstitution gehabt. Sie hat ja auch die Pocken überstanden. Vor allem hatte sie Hartnäckigkeit und Standfestigkeit. Jeder wollte etwas von ihrem Erbe runterzwicken und sie ihrer Kleider berauben, bis sie ganz nackt dastehen würde, wie eine Karikatur das damals das auch dargestellt hat. 
 

Das Sinnbild ihrer Regierungszeit ist das Denkmal an der Ringstraße. Es zeigt sie als Herrscherin im Kreis ihrer Berater. 

Auf dem Denkmal sitzt sie und drunter achtundzwanzig Männer. Einer fehlt, ihr eigener Mann. Franz Stephan ist nicht auf dem Denkmal. Sie hat sich auf diese Berater verlassen. 
 

Die Habsburger und der Krieg

Ich möchte ins 20. Jahrhundert kommen zum letzten Herrscher. Sie attestieren Kaiser Karl wenig Kompetenz. Er hatte eine grundsolide Ausbildung.  

Die Erfahrung hat ihm gefehlt und er ist letztendlich zum ungünstigsten Zeitpunkt an die Regierung gekommen im Jahr 1916. Karl wollte schon 1914 den Krieg nicht. Da war er noch nicht an der Macht. Und 1916 wollte er den Frieden herbeiführen. Aber da waren die Zwänge von allen Seiten zu groß, die Zwänge im Inneren, denn 1916 waren die meisten Militärs noch der Überzeugung, wir werden und wir können gewinnen. Und das Deutsche Reich war sehr viel stärker. Die Möglichkeiten für Karl waren sehr beschränkt. Dass er dazu auch noch taktische Misserfolge einheimsen musste, dafür kann man ihn nicht ganz entlasten. Und eigentlich haben alle, die um ihn herum waren, ihn von oben herab angesehen ob seiner Jugend, ob seiner Unerfahrenheit. 
 

Die Leistung der Habsburger

Was definieren Sie denn als Leistung dieser europäischen Dynastie? 

Das eine ist natürlich Europa als Europa zu verstehen, dann der Versuch, einen konstitutionellen Weg in das neue Europa zu verbreiten und drittens die christliche Sendung. Die Habsburger haben am Schluss ein Zusammenleben der verschiedenen Religionen inklusive des Islam vorgeführt. Und das hätte funktionieren können. Dass es damals gescheitert ist, kann uns eine Lehre sein, wie wir es heute besser machen könnten und sollten.

©David Kassl

Alles Habsburg mit Roman Sandgruber


Das Gespräch hören Sie in den Perspektiven am Freitag, 5. Dezember 2025, 17:30 Uhr. 

radioklassik.at

©Molden Verlag

Buchtipp:


Bücher über die Habsburger füllen ganze Bibliotheken. Und jedes Jahr gesellen sich zu der vielen Literatur über die europäischste aller Dynastien noch weitere Werke hinzu. Herauszuheben unter all den Neuerscheinungen ist 2025 aber das Buch des renommierten Historikers Roman Sandgruber, der mit „Habsburg. Die wichtigste Dynastie der Welt“ ein lesenswertes Buch vorgelegt hat. 
 

Der soziologische Ansatz, den Sandgruber dafür wählt, ist dabei durchaus lohnenswert und inspirierend. Diese Familie, die viele Kronen trug, und dabei nicht nur europäische, zeichnet sich vor allem durch Kontinuität und Anpassungsfähigkeit aus. Sandgruber identifiziert vier verschiedene Aspekte der Dynastie: die Legitimation durch die Herkunft, die Weitergabe der Herrschaft, die Gemeinschaft mit den Toten und die Dynastie als Geldgemeinschaft, wobei sich dieser Abschnitt hauptsächlich mit dem 19. Jahrhundert befasst, in dem die Familie finanziell besser dastand als in so manchen der sechs anderen Jahrhunderte davor. 

 

35 Persönlichkeiten werden in leicht und jeweils für sich selbst lesbaren Abschnitten vorgestellt, also nicht nur die üblichen fünf bis sechs, die im allgemeinen Bewusstsein vorhanden sind. Beginnend mit Kaiser Rudolf I., der durch seine Wahl zum römisch-deutschen Kaiser den ersten Aufschlag der Habsburger im Reich machte, als erster von 20 Habsburgern, die das Reich regieren sollten. Auch große Frauengestalten erfahren hier eine Würdigung, allen voran sei hier die kluge Margarete von Österreich genannt, Statthalterin der Niederlande und Tante Karls V. 
 

Die Lebensbilder enden mit Otto von Habsburg, wobei wir hier über einige Ungenauigkeiten in dessen Vita hinwegsehen wollen. Richtig hingegen ist der Schluss, dass Habsburg in der europäischen Idee weiterlebt, als ein Vorbild für das Zusammenleben der Völker und Nationen, aber auch als Warnung vor einer nationalistischen Zerreißprobe. Die reiche Bebilderung des Buches erhöht das Lesevergnügen. Überhaupt gilt es, die Gestaltung des Buches zu loben. Es ist heutzutage nicht selbstverständlich, dass ein Verlag, in diesem Fall Molden, auch Wert auf gutes Papier und eine stilvolle Graphik legt. Zusammengefasst: Roman Sandgruber will Geschichte lesbar machen und das ist ihm gelungen.  
 

Roman Sandgruber, Habsburg. Die wichtigste Dynastie der Welt. Molden Verlag. ISBN: 978-3-222-15150-7. 320 Seiten. EUR 38,–
 

Von Eva Demmerle 

Autor:
  • Sophie Lauringer
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