Gelassenheit beim Blick auf alte Steine

Glaubenszeugnis
Ausgabe Nr. 35
  • Spiritualität
Autor:
Probier´s mal mit Gelassenheit: Der Stephansdom ist für Birgit Staudinger täglicher Begleiter.
Probier´s mal mit Gelassenheit: Der Stephansdom ist für Birgit Staudinger täglicher Begleiter. ©Franz Kerschbaum

Birgit Staudinger (49) ist Redaktionsleiterin des Pfarrblattes von St. Stephan. Was der Steffl mit Gelassenheit zu tun hat, erzählt sie uns im Interview.

In den vergangenen sieben Wochen richtete sich der ‚Alte Steffl‘ mit seinen Gedanken an die Leserinnen und Leser des SONNTAG. Im Pfarrblatt der Dompfarre Sankt Stephan kommt er schon seit mehr als zwanzig Jahren zu Wort. Birgit Staudinger kennt die Ansichten des grauen Südturmes genau – seit elf Jahren ist sie Redaktionsleiterin des Pfarrblattes. Was der Steffl mit Gelassenheit zu tun hat, erfahren Sie im Interview. 

Werbung

Der Steffl und die Gelassenheit

Viele Wienerinnen und Wiener haben fast ein emotionales Verhältnis zum ‚Steffl‘. Wie sieht es mit deiner Beziehung zum Turm aus? Sagst du ihm ‚Guten Morgen‘, wenn du ihm auf dem Weg in die Arbeit begegnest? 

(Lacht.) Eigentlich ist es umgekehrt: Der Steffl sagt mir ‚Guten Morgen‘. Er grüßt mich, wenn ich in der Früh mit der Rolltreppe von der U-Bahn auf den Stephansplatz komme, indem er mich in seiner majestätischen Schönheit anstrahlt. Für mich symbolisiert der Turm Ruhe und Sicherheit. Denn er trotzt den Stürmen, nicht nur jenen am Stephansplatz, sondern auch jenen im Leben. Im Pfarrblatt kommentiert er von seiner höheren Warte aus das Geschehen um ihn herum: zum Beispiel das spontane Konzert der Taylor-Swift-Fans auf dem Stephansplatz, nachdem das Konzert der Sängerin wegen einer Terrorwarnung abgesagt werden musste, oder besondere Gottesdienste, die im Dom stattfinden. Oft bringt er dabei Aktuelles mit Vergangenem in Verbindung, wodurch sich ein interessanter Spannungsbogen ergibt und sich zeigt: Mit einem Überblick über viele Jahrhunderte eröffnet sich eine viel größere Perspektive – und die führt zu mehr Gelassenheit. 

Mit Gelassenheit durch den Dom

Der Steffl hat für dich persönlich eine besondere Bedeutung.

Im Turm befindet sich die Katharinenkapelle, in der meine drei Kinder getauft wurden. Dort, am alten Taufstein, in dem seit Jahrhunderten Kinder getauft werden, deren Namen in das Buch des Lebens eingetragen werden. Und auch in die Taufbücher der Dompfarre. Unsere Taufbücher reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück und werden im Domarchiv aufbewahrt – für mich sind sie ein wunderbares äußeres und sichtbares Zeichen dafür, dass Gott all unsere Namen in seiner Hand verzeichnet hat. 

„Das Dach des Domes ist weit, alles findet darunter seinen Platz.“

Birgit Staudinger 

Gelassenheit und die Arbeit in der Dompfarre

Seit über zwanzig Jahren arbeitest du in der Dompfarre, zum Teil im Domarchiv, außerdem bist du Redaktionsleiterin des Pfarrblattes. Wie besonders ist das Arbeiten an einem solch ‚altehrwürdigen‘ Ort?

Mein Arbeitsplatz ist wie jeder andere. Doch das Besondere dabei ist, dass viele Menschen den Stephansdom als DIE Kirche Österreichs wahrnehmen. Die Leute rufen zum Beispiel aus den Bundesländern bei uns in Sankt Stephan an, wenn sie etwas zum Thema ‚Kirche‘ sagen möchten. Was mir sehr wichtig ist: Das Dach des Domes ist weit, alles findet darunter seinen Platz. So wie es auf dem Dach selbst sehr viele unterschiedliche Ziegel gibt, die dort auf verschiedene Weise positioniert sind, sind auch die Menschen unterschiedlich, und alle sind willkommen.    
   

Zum Nachdenken anregen

Eine Haltung, die dir auch beim Pfarrblatt wichtig ist.

So viele Menschen es gibt, so viele Wege gibt es zu Gott. Diese spirituelle Vielfalt und Offenheit spiegelt sich in unserem Pfarrblatt wider. Unser Redaktionsteam ist sehr bunt, jeder bringt seine Ideen ein. Im Pfarrblatt schreiben einfache Menschen bis hin zu Universitätsprofessoren; auch was das sprachliche Niveau betrifft, ist alles dabei. Mein Anliegen dabei: Jeder Leser soll etwas finden, das ihn zum Nachdenken anregt und ihn in irgendeiner Form mit Gott in Berührung bringt. Der eine wird im Vertrauen gestärkt, ein anderer merkt, dass er mit seinen Zweifeln nicht alleine ist. Suchende stoßen vielleicht auf einen Wegweiser. Manche Artikel sind herausfordernder, können das eigene enge Gedankenkorsett aufreißen und die Sichtweise erweitern. Zum Glück ist das Pfarrblatt, das dreimal im Jahr erscheint, ziemlich dick. Da hat viel Platz. 

Schlagwörter
Autor:
  • Sandra Lobnig
Werbung

Neueste Beiträge

| Soziales
Advertorial

Mit Miina erhalten Sie schnell und unkompliziert genau die Unterstützung, die Sie im Alltag oder in Pflegesituationen benötigen.

 

| Heiter bis heilig
Anekdoten

Im Stephansdom sieht man ganz vorne, rechts vom Volksaltar, einen Kredenzaltar. Darüber ist ein Porträt von Karl Borromäus. Oder vielmehr – dort ist ein Kardinal porträtiert, der als Karl Borromäus bezeichnet wird, dessen Gesichtszüge aber eindeutig nicht seine sind. Dahinter steckt eine interessante Geschichte.

| Kunst und Kultur
Schauspieler Dominik Dos-Reis im Interview

Mit seiner Darstellung des Todes im „Jedermann“ auf dem Salzburger Domplatz berührt Dominik Dos-Reis Publikum und Kritiker gleichermaßen. In der Inszenierung von Robert Carsen erscheint der Tod nicht als düstere Schreckensgestalt, sondern als Lichtfigur. Im Gespräch mit dem SONNTAG spricht der 32-Jährige über seinen Zugang zu dieser Rolle und die spirituelle Tiefe des Stücks.