Gelassenheit beim Blick auf alte Steine
Glaubenszeugnis
In den vergangenen sieben Wochen richtete sich der ‚Alte Steffl‘ mit seinen Gedanken an die Leserinnen und Leser des SONNTAG. Im Pfarrblatt der Dompfarre Sankt Stephan kommt er schon seit mehr als zwanzig Jahren zu Wort. Birgit Staudinger kennt die Ansichten des grauen Südturmes genau – seit elf Jahren ist sie Redaktionsleiterin des Pfarrblattes. Was der Steffl mit Gelassenheit zu tun hat, erfahren Sie im Interview.
Der Steffl und die Gelassenheit
Viele Wienerinnen und Wiener haben fast ein emotionales Verhältnis zum ‚Steffl‘. Wie sieht es mit deiner Beziehung zum Turm aus? Sagst du ihm ‚Guten Morgen‘, wenn du ihm auf dem Weg in die Arbeit begegnest?
(Lacht.) Eigentlich ist es umgekehrt: Der Steffl sagt mir ‚Guten Morgen‘. Er grüßt mich, wenn ich in der Früh mit der Rolltreppe von der U-Bahn auf den Stephansplatz komme, indem er mich in seiner majestätischen Schönheit anstrahlt. Für mich symbolisiert der Turm Ruhe und Sicherheit. Denn er trotzt den Stürmen, nicht nur jenen am Stephansplatz, sondern auch jenen im Leben. Im Pfarrblatt kommentiert er von seiner höheren Warte aus das Geschehen um ihn herum: zum Beispiel das spontane Konzert der Taylor-Swift-Fans auf dem Stephansplatz, nachdem das Konzert der Sängerin wegen einer Terrorwarnung abgesagt werden musste, oder besondere Gottesdienste, die im Dom stattfinden. Oft bringt er dabei Aktuelles mit Vergangenem in Verbindung, wodurch sich ein interessanter Spannungsbogen ergibt und sich zeigt: Mit einem Überblick über viele Jahrhunderte eröffnet sich eine viel größere Perspektive – und die führt zu mehr Gelassenheit.
Mit Gelassenheit durch den Dom
Der Steffl hat für dich persönlich eine besondere Bedeutung.
Im Turm befindet sich die Katharinenkapelle, in der meine drei Kinder getauft wurden. Dort, am alten Taufstein, in dem seit Jahrhunderten Kinder getauft werden, deren Namen in das Buch des Lebens eingetragen werden. Und auch in die Taufbücher der Dompfarre. Unsere Taufbücher reichen bis ins 16. Jahrhundert zurück und werden im Domarchiv aufbewahrt – für mich sind sie ein wunderbares äußeres und sichtbares Zeichen dafür, dass Gott all unsere Namen in seiner Hand verzeichnet hat.
„Das Dach des Domes ist weit, alles findet darunter seinen Platz.“
Birgit Staudinger
Gelassenheit und die Arbeit in der Dompfarre
Seit über zwanzig Jahren arbeitest du in der Dompfarre, zum Teil im Domarchiv, außerdem bist du Redaktionsleiterin des Pfarrblattes. Wie besonders ist das Arbeiten an einem solch ‚altehrwürdigen‘ Ort?
Mein Arbeitsplatz ist wie jeder andere. Doch das Besondere dabei ist, dass viele Menschen den Stephansdom als DIE Kirche Österreichs wahrnehmen. Die Leute rufen zum Beispiel aus den Bundesländern bei uns in Sankt Stephan an, wenn sie etwas zum Thema ‚Kirche‘ sagen möchten. Was mir sehr wichtig ist: Das Dach des Domes ist weit, alles findet darunter seinen Platz. So wie es auf dem Dach selbst sehr viele unterschiedliche Ziegel gibt, die dort auf verschiedene Weise positioniert sind, sind auch die Menschen unterschiedlich, und alle sind willkommen.
Zum Nachdenken anregen
Eine Haltung, die dir auch beim Pfarrblatt wichtig ist.
So viele Menschen es gibt, so viele Wege gibt es zu Gott. Diese spirituelle Vielfalt und Offenheit spiegelt sich in unserem Pfarrblatt wider. Unser Redaktionsteam ist sehr bunt, jeder bringt seine Ideen ein. Im Pfarrblatt schreiben einfache Menschen bis hin zu Universitätsprofessoren; auch was das sprachliche Niveau betrifft, ist alles dabei. Mein Anliegen dabei: Jeder Leser soll etwas finden, das ihn zum Nachdenken anregt und ihn in irgendeiner Form mit Gott in Berührung bringt. Der eine wird im Vertrauen gestärkt, ein anderer merkt, dass er mit seinen Zweifeln nicht alleine ist. Suchende stoßen vielleicht auf einen Wegweiser. Manche Artikel sind herausfordernder, können das eigene enge Gedankenkorsett aufreißen und die Sichtweise erweitern. Zum Glück ist das Pfarrblatt, das dreimal im Jahr erscheint, ziemlich dick. Da hat viel Platz.
Birgit Staudinger
Alter: 49
Wohnort: Baden
Lebensmotto: Bei Gott allein werde ruhig meine Seele, denn von ihm kommt meine Hoffnung. (Ps 62,6)
Gott ist für mich: Liebe, die sich mitteilen will.
Sonntag bedeutet für mich: Gott danke sagen, Zeit für die Familie haben und Kraft schöpfen.