Erschöpfungszeit

Hirtenhund
Ausgabe Nr. 36
  • Hirtenhund
Autor:
©Der SONNTAG

Der Hirtenhund bellt über die Schöpfungsverantwortung, die wir alle haben, um nicht in einen "Erschöpfungszustand" zu kommen.

Endlich September. Sagen handgezählte 110 Prozent der Eltern in Österreich. Weil sie dann ihre Welpen endlich wieder in der Schule abgeben dürfen, um – völlig erschöpft nach Familienurlaub und vielwöchiger Betreuungsjonglage – in den Büros der Republik vor den Bildschirmen zusammenzusacken. Ich glaube, katholischen Priestern ist dieser Vorzug der zölibatären Kinderlosigkeit in ihrem Job viel zu selten bewusst. Sonst würden sie vielleicht auch nicht gleich im September ihre Gemeindemitglieder dazu nötigen, ihre SUVs nachhaltig auf Park&Pray-Parkplätzen vor ihren Kirchen zu parken, um gemeinsam für die Schöpfung zu beten.

Werbung

Ich gebe zu, ich habe „Erschöpfungszeit“. Diese Mischung aus kollektivem Hitzesudern, „Laudato si’“-Lobhudelei und Kuchen-aus-glücklichem-Bio-Dinkel-Verkauf macht mich etwas müde und gereizt. Bitte mich nicht falsch zu verstehen: Ich bin sehr fürs Klima! Ich atme ganz gern Luft und hebe mein Beinchen gern an sattgrünem Gewächs. Aber was wir kirchenoffiziell in dieser Sache von uns geben, ist manchmal halt heiße Luft. Und die haben wir – Stichwort Klimakrise – schon genug. Die Bischofskonferenz hat sich etwa zum Ziel „committed“, wie es in Neusprech und Altdenk heißt, die CO2-Emissionen im Bereich der Diözesen bis 2030 um 60 Prozent zu senken. Hört sich gut an. Doch der Hund liegt im Detail begraben: Denn für eine wirkliche Bilanz und Strategie bräuchte es belastbare Daten. Und die gibt es vielerorts nicht. Weder im Blick auf den energetischen Zustand der kirchlichen Gebäude noch im Blick auf das kirchliche Einkaufsverhalten. So bleiben am Ende viel Nebel und Pseudo-Aktionen wie „Wir radln in die Kirche“. 

Nochmal: Ich bin der Meinung, dass es dringend ein kollektives, gemeinsames Handeln braucht. Denn punktuelle Aktionen ändern nichts am eigentlichen Problem – unserem Aggressionsverhältnis zur Welt und der permanenten Steigerungslogik. Wir wollen Welt in Reichweite und rennen deswegen immer schneller, verbrauchen immer mehr. Sagt der Soziologe Hartmut Rosa. Und ich neige dazu, ihm Recht zu geben – und mich nach „resonantem“ Leben zu sehnen. Liebe Umweltleute in Kirche und Pfarre, wäre das nicht mal eine Idee, Strategien zu einem resonanten Leben zu entwickeln? 

Beten ist gut. Aber Koalitionen mit jenen suchen, die sich überall für ein verändertes Weltverhältnis einsetzen, ist auch nicht schlecht. Das wäre Schöpfungsverantwortung 2.0. Und da wäre ich sogar motiviert, letzte spätsommerliche Energien zu mobilisieren, um aus meiner Erschöpfungszeit herauszukommen.

Schlagwörter
Autor:
  • Redaktion
Werbung

Neueste Beiträge

| Soziales
Advertorial

Mit Miina erhalten Sie schnell und unkompliziert genau die Unterstützung, die Sie im Alltag oder in Pflegesituationen benötigen.

 

| Spiritualität
Glaubenszeugnis

Ivo Baotic´ wurde mit einer schweren Behinderung geboren. Trotzdem – oder gerade deswegen – ließ ihn sein Glaube an Gottes Gnade nie los. Heute ist er Theologe, Autor von neun Büchern und Christ mit einer klaren Botschaft: Jeder Mensch hat seinen Wert.

| Die Kirche und ich
Prüller

Michael Prüller kommentiert die Heiligsprechung von Carlo Acutis, der im Jahr 2006 an Leukämie gestorben ist,