Digital Detox a la Maria
Hirtenhund
Sommerfrische. Selten war ein Wort treffender, eindeutig zweideutiger. Ein Urlaub, der mir fast ein Winterfell wachsen ließ – und den ich zugleich zu einem hippen, krassen Ding nutzte: Ich habe medial entgiftet. Oder auf Neusprech: Ich habe „digital detox“ betrieben, die Pfoten von allen digitalen Medien gelassen, Bücher und Zeitungen ganz altbacken auf Papier gelesen. Das war eine Wohltat - und vermittelte mir das gute Gefühl, aktiv gegen Trends „anzublättern“. Etwa jenen, dass inzwischen mehr digitale als gedruckte Bibeln verkauft werden. Oder auch den Trend unserer Hütenden, „in der Seelsorge verstärkt auf Social Media“ zu setzen, wie es die Diözese St. Pölten mitteilte.
Digital Detox oder digitaler Leichtsinn?
Man lädt verlorene Schäfchen gar zu einer Art „digitalen Wiedereintritt“ ein. Und selbst im sensiblen Bereich der Telefonseelsorge wird auf WhatsApp gesetzt. Moment, galt WhatsApp nicht bis vor kurzem noch als „Pfui-Gack“ und als nicht Datenschutz-konform? Und wem ist es nicht schonmal vorgekommen, dass auf Plattformen aus dem Meta-Konzern plötzlich Themen wie zufällig „aufgepoppt“ sind, über die man sich zuvor vertraulich via WhatsApp unterhalten hat? Mir scheint, unter dem Label „digitale Seelsorge“ steckt vor allem noch viel digitaler Leichtsinn.
Digital Detox mit Amen
Sie merken, ich knurre mich langsam wieder warm. Und da kann ich auch die US-Gebetsapp „Hallow“ nicht unerwähnt lassen. Der aktuelle „Holy hype“, bei dem offenbar jeder dabei sein will. Auch Mönche aus Heiligenkreuz oder das Wiener Zentrum Johannes Paul II. Ich habe es ausprobiert: Und es spricht mich weder die kindlich-kitschige Heidi-Ästhetik an noch die sonoren Säuselgebete. Und wenn es stimmt, dass Tech-Milliardär Peter Thiel und US-Vize J.D. Vance 40 Millionen Dollar in die App investiert haben sollen, dann sollte einen das zumindest aufhorchen lassen. Selbstlosigkeit ist nicht das erste Markenzeichen rechter libertärer Investoren oder republikanischer Politiker. Irgendein „Return on Investment“ wird wohl erwartet.
Marien-Detox ganz ohne App
Und so gehe ich analog und „Gottes(be)lobt“ auf Mariä Himmelfahrt zu. Eigentlich bin ich kein sonderlich „marianisches“ Hündchen. Aber in dem Fall fühle ich mich ihr nah, denn sie hatte keine Apps, die ihr halfen, den krähenden Jesus zu beruhigen; sie schaute nicht auf „Mamilade“ oder „Meine Familie“ nach, wenn sie nach Ausflugstipps rund um Betlehem suchte. Sie war einfach da – und hat sich vermutlich oft auch weggewünscht. Übrigens bin ich jetzt wieder da – auch wenn mich einige vielleicht weggewünscht haben. Und ich bleibe. Analog auf Papier und auch digital.