Die wandernde Pfarre
Pfarre am Lainzerbach
„Das Wetter ist immer schön, wenn wir mit ihr wandern. Sie hat einen Vertrag mit dem heiligen Petrus geschlossen“, scherzt eine Teilnehmerin, als ich mich mit Edith Gerstbach und ihrer Wandergruppe bei der Endstation der 60er-Bim in Rodaun treffe.
Wanderungen in der Pfarre
Als Edith und Gottfried Gerstbach in Pension gingen, wollten sie ihre Freude am Wandern mit anderen teilen. „Unser damaliger Pfarrer, der Jesuit Wolfgang Dolzer, ermutigte uns zu diesem Vorhaben und so wandern wir seit 15 Jahren“, schreibt mir Edith in einer E-Mail, bevor wir uns treffen. Wer mit Edith und ihrem Mann wandert, bekommt aber nicht nur ein schönes Naturerlebnis. Fast immer finden sich am Weg auch eine Kirche oder ein Marterl für ein willkommenes Innehalten.
„Um besser zu verstehen, was wir in den religiösen Stätten sehen, absolvierte ich zwei Kurse mit Schwester Ruth Pucher in Kirchenpädagogik: sehr bereichernd und erhellend“, so Edith.
Von Rodaun fahren wir mit dem Bus nach Kaltenleutgeben zum Gemeindeamt. Gegenüber führt ein Weg zu einem Park, in dem die Kirche Sankt Jakobus der Ältere steht (sie ist dem beliebten Apostel Jakob von Santiago de Compostela geweiht). Bei der Kirche erwartet uns Pfarrvikar Andrzej Ratynski, der uns die Tür zur Kirche öffnet.
Sankt Jakob und die „Schwarze Madonna“
Das Gotteshaus beherbergt eine „Schwarze Madonna“. Im berühmten Wallfahrtsort in Altötting in Bayern machte sich ein Einsiedler eine Marienstatue – eine getreue Nachbildung des dortigen Gnadenbildes. Er gab ihr die Weihe, indem er sie mit dem Urbild berührte. Später bat der Einsiedler seine in Wien lebende Mutter, die Marienstatue einer dem heiligen Jakob geweihten Kirche auf dem Lande zu schenken. Das soll sich laut Otto Kurt Knoll („Pilgerwege durch den Wienerwald“) im Jahr 1707 so zugetragen haben.
Diese und andere interessante Informationen erzählt uns Edith in der schönen Kirche, deren Altarbild den heiligen Jakob zu Pferd zeigt. Danach startet unsere Wanderung über den Sisi-Steig nahe der Kirche. Beim Aufstieg erzählt uns Edith, woher der Name Kaltenleutgeben kommt – nämlich von der Gastwirtin, die den Leuten kalte Getränke gegeben hat.
Nach dem Steig verlässt uns Gottfried, um eine andere Route zu gehen. Wir anderen wandern munter weiter. Es ist eine sehr freundliche, offene Runde. Die Route führte durch Wälder und über Wiesen zur Naturfreunde-Hütte Höllenstein, wo wir vom Julien-Turm aus eine großartige Aussicht auf den Schneeberg genießen. Nach einer kurzen Stärkung aus dem eigenen Rucksack geht es weiter über wunderschöne Waldwege zur „Josef-Schöffel-Hütte“ des ÖTK.
Pfarre am Lainzerbach: Sorgfältig geplante Wanderungen
„Mein Mann und ich sind keine Frühaufsteher. Durch die Wandergruppe schaffen wir es aber, um 9 Uhr mit dem Gehen loszulegen“, erzählt Edith. Eine Teilnehmerin berichtet darüber, dass sie den Zusammenhalt in der Gruppe sehr schätzt: „Mein Mann hatte Demenz und ich hätte es nicht allein geschafft, mit ihm wandern zu gehen. Aber in der Gruppe hatten auch andere ein Auge auf ihn, das war sehr schön. Und auch so achten wir immer aufeinander.“
Edith plant die Wanderungen sorgfältig. Anfahrt mit den Öffis, die Preise für die Bus-Tickets, Weg, Verpflegung, kulturelle und religiöse Inputs – alles hat die Pensionistin recherchiert. Edith geht die Wanderroute auch in den Tagen vor der Gruppenwanderung einmal allein oder mit ihrem Mann, bevor sie ihre Gruppe mit auf den Weg nimmt.
Als wir zur Josef-Schöffel-Hütte gelangen, die auch als Hütte des Alpenvereins für Rettungseinsätze dient, scherzt Edith: „Das ist die Rettungshütte und auch für uns heute eine Rettung. Hier können wir eine Pause machen.“ Wir machen nochmals eine kleine Trinkpause und essen den selbstgemachten Zucchinikuchen, den eine Teilnehmerin für alle mitgebracht hat.
Die letzte Etappe
Dann machen wir uns auf den Weg zu unserer letzten Etappe über Sulz im Wienerwald nach Ellinggraben und zurück nach Kaltenleutgeben. Dabei erfahren wir durch eine Teilnehmerin, die sich in Botanik auskennt, einiges über die Kräuter, die am Wegrand wachsen. Wir sehen wunderschöne Blumen, Schmetterlinge und Libellen.
„Ich finde es toll, dass Edith diese Halbtageswanderungen anbietet. So kann ich am Dienstag mitgehen und am Abend im Kirchenchor mitsingen“, sagt eine Teilnehmerin. Edith erzählt mir, dass sie diese Wanderungen auch deshalb veranstaltet, weil ihr Mann und sie bei den alpinen Vereinen im Angebot keine Halbtageswanderungen fanden. „Deshalb haben wir einfach selbst welche gestartet“, so Edith.
Wir kommen zirka um halb drei wieder in Kaltenleutgeben an. Die Sonne hat uns den ganzen Tag begleitet. Wir fahren mit dem Bus zurück nach Rodaun und mit der Bim zurück in die Stadt. Unsere Wanderung ist vorbei. Es beginnt leicht zu regnen.
Weitere Wander-Termine:
- Dienstag, 29. Juli 2025 – Semmering. Treffpunkt und Abfahrt: 7:44 Uhr Bahnhof Speising oder 2. Treffpunkt: 7:55 Uhr Bahnhof Meidling
- Dienstag, 12. August 2025 – Sankt Pölten/Viehofner Seen. Treffpunkt 9:15 Uhr Bahnhof Wien Hütteldorf
- Dienstag, 13. September 2025 – Kaiserbrunn, Treffpunkt 9:50 Uhr Bahnhof Meidling, Kassenhalle

Buchtipp
Sakrales Hietzing – Neun Wege zu Bildstöcken, Figuren, Fresken und Kirchen – Edith Gerstbach, Hrsg: Museumsverein Hietzing, Kosten: eine Spende von 10 bis 12 Euro an den Museumsverein Hietzing.
Bestellung unter: eg.gerstbach@gmail.com
Ausbildung
Den Kurs zur Kirchenpädagogik von Schwester Ruth Pucher finden Sie hier.