Die Bibel auf der Opernbühne

„Salome“ von Richard Strauss
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Salome ist fasziniert vom Propheten, doch Jochanaan (Tommi Hakala) weist die Prinzessin (Astrid Kessler) zurück. ©Barbara Pálffy/Volksoper

Der Bibelpfad am 29. September in Wien lädt ein, sich dem Buch der Bücher auf vielfältige Weise anzunähern. Die Bibel hören, sehen und bei ihren oft dramatischen Geschichten mitfiebern kann man auch in der Oper. Die Wiener Volksoper eröffnete mit „Salome“ von Richard Strauss ihre neue Spielsaison. Über die Oper rund um die Enthauptung des Täufers spricht im SONNTAG-Interview Elisabeth Birnbaum, Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks und ausgebildete Sängerin.

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In ihrer ersten Premiere in der neuen Spielsaison zeigt die Wiener Volksoper die Oper „Salome“ von Richard Straus. Das Werk, zu dem Oscar Wilde das Libretto schrieb, basiert auf einem Stoff aus dem Neuen Testament, der seit je erschüttert und verstört: der Enthauptung Johannes des Täufers als Folge eines leichtfertigen Versprechens des Herodes an seine Stieftochter. Elisabeth Birnbaum, musikaffine Direktorin des Österreichischen Katholischen Bibelwerks, beantwortet im SONNTAG Fragen zur musikalisch-dramatischen Umsetzung der biblischen Erzählung.
 

Worum geht es in der Oper „Salome“ von Richard Strauss?

ELISABETH BIRNBAUM: Es geht darin um die Enthauptung von Johannes dem Täufer durch Herodes. Allerdings folgt das Libretto dabei nicht der biblischen Erzählung, wie sie sich im Markus- und Matthäusevangelium findet (Mk 6,14–29; Mt 14,1–12), sondern der literarischen Adaption von Oscar Wilde (1893).

Dort steht die – biblisch nicht erwähnte – Begegnung zwischen der Stieftochter des Herodes, die in der Bibel gar keinen Namen hat, und Johannes im Vordergrund. Der asketische Prophet weckt in der jungen Frau, die von ihrem Stiefvater begehrt und missbraucht wird, erstmals eigenes Verlangen. Als Johannes ihr Begehren zurückweist und sie schroff beschimpft, setzt sie ihre Wirkung auf Herodes gezielt ein und ertanzt sich (mit einem lasziven Striptease-Tanz) den Kopf des Täufers. In leidenschaftlicher Ekstase küsst sie den Mund des Toten.  
 

Was fasziniert an der Oper „Salome“? Bleibt sie am biblischen Ausgangstext oder weicht sie ab? Wie werden die Charaktere gezeichnet? 

ELISABETH BIRNBAUM: Die zeitlosen Spannungen zwischen Begehren und Zurückweisung, Macht und Ohnmacht, Liebe und Hass, und dazu die Musik, die die erotisch aufgeladene Grundstimmung von ihrem ersten Ton an in eine schwül-sinnliche Klangwolke gießt.
Das Faszinierendste jedoch ist, wie das Werk mithilfe von Bibeltexten die beiden Hauptpersonen gegenläufig zur Erwartungshaltung charakterisiert. Ich habe das im theologischen Online-Feuilleton „feinschwarz“ einmal näher beleuchtet. Während der fromme Asket Drohbotschaften aus dem Ezechielbuch zu seiner persönlichen misogynen Abrechnung mit Salome gebraucht, spricht Salome von ihrer leidenschaftlichen Liebe zu ihm in den schönsten Hoheliedversen.

Die biblischen Texte und Motive konterkarieren somit die Handlung und hinterfragen subtil die moralischen Bewertungen des Publikums. Der heilige Vorläufer Christi erweist sich in Wildes Libretto als fanatischer, sinnenfeindlicher Frauenfeind. Und die vielgeschmähte, mörderische Frau, die ihre Lust an einem Toten auslebt, wird durch die schönsten Worte der Liebesliteratur zu einer Prophetin, ja zu einer Märtyrerin des Begehrens.  
 

Werden Sie sich die Oper ansehen?

ELISABETH BIRNBAUM: Ich hoffe, dass ich dazu komme.
 

Gibt es viele Opern, die auf biblischen Stoffen basieren?

ELISABETH BIRNBAUM: Ja, doch, es gibt einige, wenn auch biblische Stoffe eher im Oratorium ihren Platz gefunden haben. Aber es gibt gerade im 19./20. Jahrhundert einige, die sehr bekannt geworden sind: „Mosè in Egitto“ von Gioacchino Rossini, „Samson et Dalila“ von Camille Saint-Saëns, „Die Königin von Saba“ von Karl Goldmark oder „Moses und Aaron“ von Schönberg und viele andere.
 

Welche „biblischen Opern“ schätzen Sie besonders und warum? 

ELISABETH BIRNBAUM: Eine Szene aus „Moses und Aaron“ von Schönberg liebe ich besonders: Das Stück beginnt mit der Berufung des Mose am brennenden Dornbusch. Schönberg lässt die Gottesstimme nicht wie so oft von einem Bassisten singen, sondern von einem vierstimmigen Chor UND zugleich von einem Sprechchor. Das hat eine unglaubliche Wirkung und eine wunderbare theologische Botschaft: Gott ist mehr als ein Mensch, er ist unfassbar, nicht in eine einzige Stimme zwängbar. Das finde ich großartig.

 

Volksopern-Premiere: Familienthriller im Palast

Die Premiere von „Salome“ an der Wiener Volksoper wurde vom Publikum begeistert aufgenommen: Die Inszenierung beruht auf dem Regieklassiker von Luc Bondy aus dem Jahr 1992. Eine dunkle Geschichte, erzählt von einem brillanten Ensemble.

Salome (Astrid Kessler) ist jung, schön und reich und sie kann begnadet tanzen. Dennoch ist sie nicht glücklich und eine Gefangene im goldenen Käfig, gefangen und verfolgt von den Blicken der Männer. Allen voran König Herodes (Wolfgang Ablinger-Sperrhacke) kann nicht davon lassen, seine Stieftochter anzusehen – durchaus zum Ärgernis von Mutter Herodias (Ursula Pfitzner).

Salome ist der Dekadenz ihres Umfelds überdrüssig. Einen Gegenentwurf und Spiegel ihres Gefangenenseins findet sie in dem von ihrem Stiefvater Herodes eingesperrten Propheten Jochanaan (Tommi Hakala). Sie zwingt den ihr ebenfalls verfallenen Hauptmann der Wache Narraboth (JunHo You), ein Treffen mit dem rätselhaften Häftling zu ermöglichen und verliebt sich in den keuschen Wilden. Dessen Ablehnung steigert Salomes Faszination bis zur Ekstase.
Der unheilvolle Ausgang der Geschichte ist bekannt. Als Herodes seiner Stieftochter im Tausch gegen einen Tanz alles verspricht, was sie sich nur wünsche, willigt Salome ein, fordert dafür aber einen hohen Preis: den Kopf des Propheten.
„Salome“ von Richard Strauss nach einem Libretto von Oscar Wilde ist die erste Premiere der Volksoper in der neuen Spielsaison. Bei der Oper handelt es sich um eine szenische Neueinstudierung von Luc Bondys Regieklassiker bei den Salzburger Festspielen 1992 – jetzt umgesetzt durch dessen Witwe Marie-Louise Bischofberger-Bondy. Sie folgt dabei dem Konzept ihres verstorbenen Gatten: Luc Bondy hatte „Salome“ einst stark reduziert, sämtliche Statisten weggelassen und sich ganz auf das familiäre Drama innerhalb der herodianischen Palastmauern konzentriert. Salome erscheint als trotziger Teenager, dessen Verhalten und Forderungen den Eltern über den Kopf wachsen und den keine Autorität mehr umstimmen kann. Paradoxerweise wird sie am Ende von Herodes mit dem Tod bestraft. „Warum hat er sie zuvor nicht eingebremst?“, fragt sich wohl mancher im Publikum.

Unter der musikalischen Leitung von Noch-Musikdirektor Omer Meir Wellber kehrt Astrid Kessler als Salome an die Volksoper zurück, Tommi Hakala gibt als Jochanaan sein Hausdebüt, Ensemblemitglied Ursula Pfitzner singt die Herodias und als Herodes ist Wolfgang Ablinger-Sperrhacke zu erleben. Dieser Abend an der Volksoper ist hochspannend und mitreißend. Die musikalischen und tänzerischen (Astrid Kessler tanzt beeindruckend den Tanz der sieben Schleier) Meisterleistungen wurden bei der Premiere vom Publikum mit Bravo-Rufen und frenetischem Applaus bedankt. alg
 

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Autor:
  • Portraitfoto von Agathe Lauber-Gansterer
    Agathe Lauber-Gansterer
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