Der Garten als Ort der Begegnung mit Gott

Maria Magdalena und der „Gärtner“
Ausgabe Nr. 13
  • Kunst und Kultur
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Paradiesgärtlein Gemälde des Oberrheinischen Meisters
Paradiesgärtlein Gemälde des Oberrheinischen Meisters ©CC / gGmeinfrei
Christus als Gärtner Jacob Cornelisz van Oostsanen
Christus als Gärtner Jacob Cornelisz van Oostsanen ©CC / gGmeinfrei

Gärten sind in der Bibel immer wieder Orte des Zusammenseins von Gott und Mensch sowie Eckpunkte der biblischen Heilsgeschichte: Vom Garten Eden über den Garten Getsemani bis zum Aufeinandertreffen des Auferstandenen mit Maria Magdalena im Grünen. Letztere Szene aus dem Johannesevangelium inspirierte Künstler unter dem Titel „Noli me tangere“ („Halte mich nicht fest“) ab dem 9. Jahrhundert.

Im Evangelium vom Ostersonntag wird berichtet, wie Maria Magdalena als erste dem auferstandenen Jesus begegnet. Sie hält ihn zunächst für den Gärtner – erst als Jesus sie mit ihrem Namen anspricht, erkennt sie Jesus. Die Begegnung der beiden im Garten ist unter dem Titel „Noli me tangere“ („Halte mich nicht fest“) berühmt geworden.

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„Ich finde es reizvoll, dass im Johannesevangelium Maria Magdalena Jesus für den Gärtner hält. Das Johannesevangelium erzählt ja, dass es ein Grab in einem Garten, also in einer Grünanlage war. Das war ein Luxus. Aber die Anspielung ist klar: Einst im Garten Eden hat das Leben begonnen, jetzt in diesem Garten beginnt das neue, das ewige Leben“, deutet Jutta Henner, Direktorin der Österreichischen Bibelgesellschaft diese Bibelstelle.

Der Garten als Sehnsuchtsort

Gärten bilden in der biblischen Heilsgeschichte immer wieder wichtige „Stationen“ und Orte der Begegnung zwischen Gott und Mensch, angefangen beim Garten Eden über den Garten Getsemani bis zum „begrünten“ himmlischen Jerusalem. „Der Garten in der Bibel ist auch ein Sehnsuchtsort: Im zweiten Schöpfungsbericht in Genesis 2 lesen wir von dem Garten, in dem alles beginnt. Gott ist hier quasi der Gärtner, der diesen pflanzt. Das zeigt auch: Garten und Grün sind ein kostbares Gut“, sagt Bibelexpertin Jutta Henner.

„Zwischen der Straße der Stadt und dem Strom, hüben und drüben, stehen Bäume des Lebens. Zwölfmal tragen sie Früchte, jeden Monat einmal; und die Blätter der Bäume dienen zur Heilung der Völker“, heißt es im Buch der Offenbarung 22,2. „Ganz am Ende der Bibel befinden wir uns im urbanen Garten. Denn das himmlische Jerusalem ist mit Bäumen bepflanzt“, erklärt die Theologin. Jutta Henner führt aus: „Hier wird Genesis 2 aufgenommen und geschildert, dass die Bäume des Lebens zwölf Mal Frucht tragen und Heilung bringen. Das ist sehr spannend, dass hier Stadt und Gartenmotiv verschmelzen. Es erinnert mich auch an das in unserer Zeit so aktuelle urbane Garteln.“

Jesus als Gärtner mit Spaten

Zurück zum Garten der Auferstehung, dem Höhepunkt aller biblischen Gartengeschichten: Der wohlhabende Josef aus Arimathäa und Nikodemus hatten den Leichnam Jesu in aller Eile wegen des herannahenden Sabbats vom Kreuz nehmen und bestatten dürfen. Jesus war so in einem von Grün umgebenen „Oberschicht“-Felsengrab bestattet worden. Die Szene der Begegnung des Auferstandenen mit Maria Magdalena im nahe gelegenen Garten wird nur im Johannesevangelium geschildert. Sie hat in der bildenden Kunst ab dem neunten Jahrhundert unter dem Titel „Noli me tangere“ eine breite Wirkung entfaltet. Dazu hat Hildegard König, Expertin für frühchristliche Kunst an der TU Dresden, geforscht: „Während in den ältesten Darstellungen der Auferstandene mit Siegeskreuz und -fahne erscheint, begegnet er in Bildwerken ab Ende des elften Jahrhunderts mit Spaten und gelegentlich mit Kappe, den Attributen eines Gärtners“, berichtet die Theologin im Buch „Balsambeet und Rosenhag“ (siehe Buchtipp rechts). Zahlreiche bildende Künstler haben sich dem „Noli-me-tangere“- Motiv gewidmet, darunter Fra Angelico, Tizian, Rembrandt oder Correggio, um nur einige wenige zu nennen.

Aus der Trauer geweckt

Ein bemerkenswertes Gemälde schuf der niederländische Künstler Jacob Cornelisz van Oostsanen 1507. Jesus ist hier als Gärtner mit einem Spaten in seiner Linken, umgeben von üppigem Grün dargestellt. Maria Magdalena kniet vor ihm und blickt mit tränennassen Augen in die Ferne. „Die Szene lässt sich eindeutig dem Johannesevangelium zuordnen, weil die Brokatbordüre, die das blaue Gewand Jesu am Hals und am unteren Saum abschließt, den Bibeltext in lateinischer Sprache wiedergibt“, schildert Hildegard König. Anders als in vielen anderen Darstellungen, in denen Jesus Maria Magdalena gegenüber eine abwehrende Geste zeigt, wendet er sich ihr im Gemälde von Oostsanen eindeutig zu. Seine Augen ruhen auf ihr. „Verstärkt wird die so sichtbare Beziehung dadurch, dass der Auferstandene sich der Frau leicht zuneigt und sie mit der Rechten an der Stirn berührt mit einer Geste, die wie eine Bekreuzigung oder eine Segnung anmutet, oder auch wie ein Versuch, sie aus ihrer Trauer zu wecken“, schildert die Kunstexpertin. Das „Berühre mich nicht“ werde hier durch ein „Anrühren“ überboten.

Flugsamen der Auferstehungsbotschaft

Das Gemälde ist bei genauer Betrachtung reich an Details und zeigt im Hintergrund die Emmausjünger, die mit dem unerkannten Christus unterwegs sind. Maria Magdalena und Jesus sind im Vordergrund in einem abgezäunten Garten zu sehen. Dessen Gartentor ist – wie am linken Bildrand angedeutet – offen. Hildegard König: „Das geöffnete Gartentor zeigt an: Dieser Garten ist wieder zugänglich, der Paradiesgarten ist wieder geöffnet.“ Maria Magdalena trägt kein Trauergewand, sondern ein Festtagskleid. Dieses erinnert mit eingewebten Granatäpfeln an das Hohelied der Liebe, einem weiteren Gartentext der Bibel. Ein faszinierendes Detail ist auch, dass Oostsanen die Auferstehung in einem sommerlichen Garten geschehen lässt, in dem Wegerich und Löwenzahn ihre Samen verbreiten. Der Auftrag an Maria Magdalena, den Jüngern die Nachricht zu bringen, dass Jesus auferstanden ist, wird so zu den ersten „Flugsamen der Auferstehungsbotschaft“. Die frohe Botschaft vom auferstandenen Christus sollte sich über die ganze Welt verbreiten.

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Autor:
  • Portraitfoto von Agathe Lauber-Gansterer
    Agathe Lauber-Gansterer
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