Zehn Jahre Papst Franziskus

Kontinuität in veränderter Zeit
Ausgabe Nr. 10
  • Papst
Autor:
Papst Franziskus: Südamerikaner, Einwandererkind, Jesuit. ©Stefano Spaziani / dpa Picture Alliance / picturedesk.com

Am 13. März 2013 wurde mit einem argentinischen Kardinal erstmals ein Lateinamerikaner zum Papst gewählt. Kardinal Christoph Schönborn über Kardinal Jorge Mario Bergoglio, der als Papst Franziskus auf seine Weise die Kirche prägt und auch verändert.

Wie hat Papst Franziskus in den vergangenen zehn Jahren die Kirche geprägt und die Kirche auch verändert?

KARDINAL CHRISTOPH SCHÖNBORN: Päpste sind immer in einer großen Kontinuität mit ihren Vorgängern. Ich habe seit Pius XII. schon einige Päpste erlebt: Johannes XXIII., Paul VI., Johannes Paul I., Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus. Sie waren alle sehr verschieden, aber sie waren alle der Papst. Und diese Kontinuität ist das eigentlich Starke am Papsttum, am Bischof von Rom. Er ist, wer immer er ist, wie immer seine Geschichte aussieht, der Papst, der Bischof von Rom. Trotzdem hat jeder dieser Päpste eine eigene Geschichte und eigene Akzente in seinem Pontifikat. Franziskus ist ein Sohn von italienischen Immigranten in Argentinien. Er ist in zwei Kulturen aufgewachsen, der argentinischen und der italienischen.

Und diese doppelte Herkunft prägt natürlich auch sein Pontifikat. Italienisch ist seine Muttersprache, Spanisch ist seine Kultursprache, seine Erziehungssprache. Lateinamerika ist seine Welt, in der er groß geworden ist. Gleichzeitig ist er Jesuit, Mitglied eines weltweiten Ordens, der ihn zutiefst geprägt hat. Das Besondere am Pontifikat von Franziskus haben wir am ersten Tag schon bemerkt: die Einfachheit seiner Kleidung. Ohne das ganze Drumherum, das sonst bei Päpsten oft prägend war. Ganz einfach. Er wohnt seit zehn Jahren nicht in der Papst-Wohnung, sondern im Gästehaus Santa Marta, mitten unter den Leuten. So erlebe ich ihn, wenn ich im Gästehaus bin. Er sitzt am Tisch zum Essen wie die anderen, holt sich selber sein Abendessen beim Self-Service. Das sagt schon sehr viel über ihn. Er möchte, so hat er am Anfang gesagt, unter den Menschen sein. Er möchte nicht isoliert ganz oben in der Papst-Wohnung leben.

Verändert hat sich vieles, auch in der Art und Weise, wie er sein Pontifikat angelegt hat. Von Anfang an, mit einem Ständigen Rat von neun Kardinälen, mit denen er die wichtigsten Fragen berät, neben seinen Mitarbeitern in der römischen Kurie. Und noch eine Besonderheit, die vom ersten Moment an aufgefallen ist. Er geht an die Ränder, an die Peripherien. Seine erste Reise in Italien war Lampedusa, die Insel der Flüchtlinge. Seine erste Reise in Europa führte ihn in das ärmste Land Europas: Albanien. Das sind Zeichen, die sehr viel sagen über sein Selbstverständnis als Papst.

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Was ist das Besondere an seinem Pontifikat? Was macht er neu, anders?

Ich denke, ein starker Akzent bei ihm ist, dass er das Kardinalskollegium ganz deutlich internationaler gemacht hat, mit den Akzenten auf Asien, Afrika, Lateinamerika. Europa fühlt sich ein wenig vernachlässigt. Aber Europa verliert auch weltweit an Bedeutung. Was das Besondere seines Pontifikats ist? Die Reformen, die er versucht: eine Kurienreform, die immerhin doch deutliche Schritte gesetzt hat. Was ich besonders bemerke, ist die Wirtschaftsreform im Vatikan. Ich bin seit langem in der Kardinalskommission für die Vatikanbank und da bewundere ich, wie er diese Bank auf Vordermann gebracht hat. Schon Papst Benedikt XVI. hatte damit begonnen. Franziskus hat das Werk wirklich durchgezogen. Die Bank ist heute international wieder anerkannt, sie ist clean, sie ist ganz den internationalen Maßstäben entsprechend. Auch wenn sie klein ist, ist sie doch fein und sauber und modellhaft für den Vatikan. Dieses Beispiel zeigt, dass seine Reformen tatsächlich greifen.

Wie hat Franziskus dabei auch das Papstamt verändert?

Er ist nach wie vor Papst. Und er steht damit in einer Kontinuität, die bis zu Petrus zurückgeht, einzigartig in der Geschichte. Er ist der Papst der Weltkirche. Und die erste Frage, die wir uns stellen müssen, ist nicht, wie er das Papstamt verändert hat, sondern wie die Welt sich verändert hat und was das für die Kirche bedeutet und wie er darauf eingeht. Auch hier nenne ich ein wichtiges Beispiel, das aber nicht neu ist, sondern nur stärker von ihm akzentuiert worden ist. Sein Dialog mit dem Islam ist eine Begegnung mit dem Islam: nicht theologische Diskussionen, sondern echte menschliche Begegnungen. Und die Basis dafür ist seine Überzeugung, die er in „Fratelli tutti“, in seiner schönen Enzyklika über die universale Geschwisterlichkeit der Menschen, niedergelegt hat.

Er will den Muslimen nicht zuerst kritisch, nicht zuerst diskutierend begegnen, sondern in der gemeinsamen Menschlichkeit und in den gemeinsamen menschlichen Anliegen, die uns alle bewegen und die deshalb auch die Basis dafür sind, dass wir miteinander leben und füreinander da sind. Das ist ein Akzent, es könnten noch viele andere genannt werden. Wichtig ist nicht das Verändern, sondern die Kontinuität in veränderter Zeit.

Autor:
  • Stefan Kronthaler
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