Segen von ganz oben

Von 19. bis 21. Juni 1998 war Papst Johannes Paul II. in Österreich. Am 21. Juni fand ihm zu Ehren ein großes Mittagessen im Wiener Erzbischöflichen Palais statt. Wolfgang Bergmann, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit, war mit der Gründung von Radio Stephansdom beschäftigt, das im September des Jahres starten sollte. Die Chance, den Papst dafür zu gewinnen, wollte er sich nicht entgehen lassen. Er hatte allerdings keinerlei Einfluss auf die Planung. Somit konnte er nur auf eine Gelegenheit hoffen. Der Papst musste zum Mittagessen durch die Bibliothek gehen. Der Verbindungsgang zum Büro des Erzbischofs war das Büro von Bergmann, und er hatte den Schlüssel zur angrenzenden Bibliothek. Er organisierte ein Mischpult, das im Radio zum Einsatz kommen sollte, einen Weihwasserkessel und ein Aspergill, ohne aber sein Vorhaben anzumelden. Gemeinsam mit wenigen Kollegen legte er sich dann auf die Lauer. Und tatsächlich kamen der Papst, sein Sekretär Stanisław Dziwisz und Kardinal Christoph Schönborn. Bergmann erklärte rasch dem Kardinal sein Anliegen, und der verstand, ebenso der Papst. Dieser nahm sogleich das Aspergill, tauchte es ins Weihwasser und segnete das Mischpult. Da es dabei aber einiges an Wasser abbekam, ließ es der Tontechniker von Radio Stephansdom, Martin Macheiner, danach drei Wochen trocknen, ehe er zu versuchen wagte, ob es noch ging. Es ging, und zwar viele Jahre!
Weniger erfolgreich war Bergmann mit der Bitte, der Papst möge ins Aufnahmegerät einen Segen sprechen. Erzbischof Dziwisz verhinderte das und drängte zum Essen. Bergmann ärgerte sich und wartete. Er bereitete das Aufnahmegerät und einen Text vor. Der Papst musste ja denselben Weg wieder zurückgehen. Und er kam. Wieder wollte sein Sekretär Bergmann abweisen, aber Johannes Paul II., der Deutsch sprach, blieb stehen und fragte ihn, was er brauche. Er bat um den gesprochenen Segen. Der Papst willigte ein und las: „Ich begleite Radio Stephansdom mit meinem apostolischen Segen!“ Dieser Segen wurde beim Sendestart gespielt. Bergmann freut sich noch heute, dass er sich gegen den päpstlichen Sekretär durchgesetzt hat.
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